Die Systematik der gesetzlichen Sozialversicherung

Beitragsverfahren

Mindestlohn

Höhe des Entgeltanspruchs

Leitsatz
  1. Die Festschreibung eines Mindestlohns erfolgt entweder in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag oder über eine gesetzliche Regelung.

Die Zahlung der Arbeitsvergütung (Arbeitsentgelt, Lohn, Gehalt) stellt die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag dar.

Im Sozialversicherungsrecht sind grundsätzlich die arbeitsvertraglichen Entgeltansprüche die Grund­lage für die Beitragsansprüche. Die Höhe des Beitragsanspruchs richtete sich bei laufenden Bezügen – anders als bei Einmalbezügen – nicht danach, welche Einnahmen dem Arbeitnehmer aus seiner Be­schäftigung tat­sächlich zugeflossen sind, sondern nach den Einnahmen, die ihm vom Arbeitgeber auf­grund der arbeits­vertraglichen Vereinbarungen geschuldet werden.

Entstehen des Beitragsanspruchs → Entstehungsprinzip für laufendes Arbeitsentgelt

Entstehen des Beitragsanspruchs → Zuflussprinzip für einmalige Zuwendungen

Sittenwidrigkeit (Lohnwucher)

Ein Teil des Arbeitsentgelts kann in Form von Sachbezügen geleistet werden (z. B. Dienstwagen, Unter­kunft, Verpflegung). Mindestens der nicht pfändbare Teil des Arbeitsentgelts muss jedoch in Euro aus­gezahlt werden. Neben der vertraglich vereinbarten regelmäßigen monatlichen Vergütung werden von Arbeitgebern oft auch Sonderzuwendungen, wie z. B. Urlaubsgeld oder ein 13. Gehalt gezahlt.

Entgeltanspruch aufgrund eines Tarifvertrages

Wegen des in Deutschland verfassungsrechtlich verbürgten Systems der Tarifautonomie liegt die Rege­lungskompetenz über Löhne grundsätzlich bei den Tarifparteien. Tarifparteien sind auf der Arbeit­geberseite entweder das einzelne Unternehmen (beim Firmentarifvertrag) oder eine Vereinigung von Arbeitgebern (Arbeitgeberverband) und auf der Arbeitnehmerseite eine Gewerkschaft.

Tarifgebunden sind gemäß § 3 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist. Ein branchenbezogener Tarifvertrag ist für den Ar­beit­geber grundsätzlich nur dann verbindlich, wenn das Unternehmen in den fachlichen und regio­nalen Bereich des Tarifvertrags fällt und der Arbeitgeber Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist. Für die Arbeitnehmer gilt der Tarifvertrag dann, wenn sie Mitglied in der entsprechenden Gewerkschaft sind oder sich der Arbeitsvertrag darauf bezieht.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages unmittelbar und zwingend zwischen den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Dies bedeutet, dass die normativen Tarifbestimmungen automatisch Rechts­wirksamkeit entfalten, ohne dass es hierbei auf die Billigung oder die Kenntnis der Parteien ankommt. Auch bedarf es keiner Anerkennung, Unterwerfung oder Übernahme des Tarifvertrages durch die Par­teien des Einzelarbeitsvertrages.

Geringfügig Beschäftigte dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Die Tarifnormen gelten auch für geringfügig beschäftigte Minijobber. Die Tarifnormen gelten selbst dann, wenn die Arbeitsvertrags­parteien ausdrücklich gegenteilige oder abweichende Bedingungen vereinbart haben. Derartige Ab­machungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung zu Gunsten des Arbeitnehmers enthalten.

Ein Tarifvertrag endet entweder durch Ablauf der vereinbarten Zeit oder durch Kündigung einer der Vertragsparteien. Nach Beendigung eines Tarifvertrages tritt dieser aber nicht automatisch außer Kraft, sondern seine Rechtsnormen gelten nach § 4 Abs. 5 TVG weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag

Nach § 5 Abs. 1 TVG kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss einen Tarifvertrag auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklä­ren. Durch das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie neu eingeführt wurde die Möglichkeit, die Allge­mein­verbindlichkeit zur Abwehr der Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung zu erklären.

Allgemeinverbindlichkeit

Die Allgemeinverbindlichkeit kann grundsätzlich nur ausgesprochen werden, wenn sie im öffent­lichen Interesse geboten erscheint. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 TVG ist dies in der Regel der Fall, wenn

  1. der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen über­wiegende Bedeutung erlangt hat oder

  2. die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirt­schaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.

Durch den staatlichen Hoheitsakt der Allgemeinverbindlicherklärung wird die Tarifgeltung im Geltungs­bereich eines Tarifvertrags auf die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt. Das Verzeichnis der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge wird in regelmäßigen Abständen im Bundesarbeitsblatt veröffentlicht.

Die Allgemeinverbindlicherklärung soll die durch das Grundrecht der Koalitionsfreiheit angestrebte au­tonome Ordnung des Arbeitslebens durch die Tarifvertragsparteien abstützen. Daneben dient sie dem Ziel, den Außenseitern angemessene Arbeitsbedingungen zu sichern. Das Bundesverfassungs­gericht führt die Allgemeinverbindlicherklärung insoweit auf die subsidiäre Regelungs­zuständigkeit des Staats zurück. »Die trete immer dann ein, wenn die Koalitionen die ihnen übertragene Aufgabe, das Arbeitsleben durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen, im Einzelfall nicht allein erfüllen können und die soziale Schutzbedürftigkeit einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen oder ein sonstiges öffent­liches Interesse ein Eingreifen des Staates erforderlich macht«.

☆ ☆ ☆
Mindestlohnanspruch

Die Festschreibung eines Mindestlohns erfolgt entweder in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag oder über eine gesetzliche Regelung. Der Begriff ›Mindestlohn‹ bezeichnet die festgelegte Lohnunter­grenze.

Arbeitnehmer‐Entsendegesetz

Schon vor dem 1. Januar 2015 konnten rund 4 Millionen Beschäftigte in einigen Branchen von Mindest­löh­nen profitieren. Sie wurden in der Regel auf Basis des sogenannten ›Arbeitnehmer‐Ent­sende­geset­zes (AEntG)‹ per Rechtsverordnung für allgemein verbindlich erklärt. Das Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer‐Entsende­gesetz (AEntG)) ist ein Gesetz, auf dessen Grundlage in Deutschland in bestimmten Branchen Mindest­standards für Arbeitsbedingungen festgelegt werden können. Das Arbeitnehmer‐Entsendegesetz beinhaltet insbesondere die Möglichkeit, von den Tarifvertrags­parteien ausgehandelte Mindestlöhne verbindlich zu machen.

Die Rechtsnormen eines bundesweiten Tarifvertrages finden unter den Voraussetzungen der §§  4 bis 6 AEntG auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinen im räumlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zwingend Anwendung, wenn der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt ist oder eine Rechts­ver­ordnung nach § 7 oder § 7a AEntG vorliegt.

Ausstrahlung/Einstrahlung → Gleiche Arbeits‑ und Lohnbedingungen

Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche

Auch in der Zeitarbeitsbranche gab es bereits einen Mindestlohn. Dieser wird durch die ›Zweite Rechts­verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung‹ geregelt. Gemäß § 8 Abs. 5 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer mindestens das in einer Rechtsverordnung nach § 3a Abs. 2 AÜG für die Zeit der Überlassung und für Zeiten ohne Überlassung festgesetzte Mindeststundenentgelt (Lohnuntergrenze) zu zahlen.

Leiharbeit → Mindeststundenentgelte Arbeitnehmerüberlassung

Leiharbeit → Entgeltanspruch der Leiharbeitnehmer

Tariflicher Branchenmindestlohn (Arbeitnehmer‐Entsendegesetz)

    Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Übersicht über die Branchen, in denen nach dem Arbeitnehmer‐Entsendegesetz und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ein Anspruch auf ein Branchenmindestentgelt besteht:

  1. Aus‑ und Weiterbildungsdienstleistungen
    nach dem SGB‐ II und SGB‐III (6. AusbDienstLArbbV),

  2. Dachdeckerhandwerk (11. DachdArbbV),

  3. Fleischwirtschaft (2. FleischWArbbV),

  4. Gebäudereinigung (9. GebäudeArbbV),

  5. Gerüstbauer‐Handwerk (7. GerüstbauerArbbV),

  6. Maler‑ und Lackiererhandwerk (11. MalerArbbV),

  7. Pflegebranche (5. PflegeArbbV),

  8. Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen (2. VFlughSiKArbbV),

  9. Steinmetz‑ und Steinbildhauerhandwerk (4. SteinmetzArbbV),

  10. Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung (5. Rechtsverordnung),

  11. Elektrohandwerke (Allgemeinverbindlicherklärung),

  12. Schornsteinfegerhandwerk (Allgemeinverbindlicherklärung).

  13. BMAS: Mindestlöhne im Sinne des Arbeitnehmer‑Entsendegesetzes

Vorrangigkeit des Branchenmindestlohns

Nach § 1 Abs. 3 MiLoG gehen die Regelungen des AEntG, des AÜG und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen dem MiLoG vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des allgemeinen Mindestlohns nach § 1 MiLoG nicht unterschreitet.

Wurde in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag ein Mindestentgelt festgesetzt, kann der Entgeltanspruch von den Parteien eines Arbeitsvertrages, die der Geltung dieses Tarifvertrages unter­liegen, nicht rechtswirksam unterschritten werden. Die Spitzen­organisationen der Sozialversicherung vertreten den Standpunkt, dass dann, wenn ein allgemein­ver­bindlicher Tarifvertrag bzw. seine Allge­meinverbindlichkeitserklärung Angehörige nicht ausdrücklich (z. B. unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVerfG) ausschließt, die darin festgelegten Arbeitsentgelte auch für die Angehörigen gelten. Vertragsabsprachen, die den durch Tarifvertrag gestalteten Arbeits­vertrag auf Zeit einschränken oder suspendieren wollen, sind unwirksam.

Besondere Beschäftigungsformen → Mitarbeitende Familienangehörige

Liegt kein maßgebender Tarifvertrag vor, so sind ab dem 1. Januar 2015 zwingend auch die An­sprüche, die sich aus dem Mindestlohngesetz (MiLoG) ergeben, zu berücksichtigen. Ist der tarifliche ›Bran­chen­mindestlohn‹ höher als der gesetzliche Mindestlohn, so ist dieser maßgebend und wird nicht von dem gesetzlichen Mindestlohn verdrängt.

Mindestlohnanspruch (Beurteilungsschema)

Es gibt für die betreffende Branche in dem jeweiligen Bundesland oder bundes­weit einen Entgelttarif­vertrag.

nein→

Die Arbeitnehmer des Arbeitge­bers haben keinen Anspruch auf einen branchenbezogenen tarif­lichen Mindestlohn.

ja↓   ↓

Der Entgelttarifvertrag wurde für das jeweilige Bun­desland oder bundesweit für allgemein­verbindlich erklärt.

nein→

Der Arbeitgeber ist Mitglied in einem Arbeitgeberver­band, der den Tarifvertrag unter­schrieben hat.

nein→

Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.


ja↓   ja↓   ↑

Einzelfallklärung:
Der Arbeitnehmer ist Mit­glied der Gewerkschaft,
die den Tarif­vertrag unter­schrieben hat.

nein→

Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf den branchen­bezogenen tariflichen Min­dest­lohn.


ja↓  

Jeder Arbeitnehmer des Arbeit­gebers hat einen Anspruch auf den branchenbezogenen tariflichen Mindestlohn.

Der jeweilige Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf den branchenbezogenen tarif­lichen Mindestlohn.

SVMWIndex k6s3a1

Gesetzlicher Mindestbruttolohn ab 1. Januar 2015

Leitsatz
  1. Der gesetzliche Mindestlohn gilt ab 1. Januar 2015 grundsätzlich für alle in Deutschland tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 18 Jahren, egal ob sie bei einem in‑ oder einem ausländischen Unternehmen angestellt sind.

Durch Art. 1 des am 16. August 2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz – TarifAStG) vom 11. August 2014 wurde das Mindestlohngesetz geschaffen. Mit ihm bezweckt der Gesetzgeber u. a., einen Lohnunterbietungswettbewerb unter den Unternehmen auch zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme zu vermeiden und abhängig Beschäf­tigte vor Niedrigstlöhnen zu schützen.

Mit dem Mindestlohngesetz wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2015 eine einheitliche gesetzliche Lohn­untergrenze (Mindestlohn) eingeführt. Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetz­licher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits‑ oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt.

Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Er hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der An­zahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem jeweils maßgebenden Mindestlohn ergibt.

Der Mindestlohn wurde als Brutto‐Stundenlohn festgesetzt, der anfänglich 8,50 Euro je Zeitstunde betragen hat und zwischenzeitlich mehrfach angehoben wurde. Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung be­schränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.

Der gesetzliche Mindestlohn wird durch das Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung zum 1. Oktober 2022 auf 12,00 Euro angehoben. Zukünftige Anpassungen des Mindestlohns erfolgen dann wieder auf Grundlage von Beschlüssen der Mindestlohn­kommission, erstmals wieder bis zum 30. Juni 2023 mit Wirkung zum 1. Januar 2024.

Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns (in Euro pro Stunde)
Zeitraum Höhe des Mindestlohns
01 bis 12/2025 12,82 €
01 bis 12/2024 12,41 €
01 bis 12/2023 12,00 €
10 bis 12/2022 12,00 €
07 bis 09/2022 10,45 €
01 bis 06/2022  9,82 €
07 bis 12/2021  9,60 €
01 bis 06/2021  9,50 €
01 bis 12/2020  9,35 €
01 bis 12/2019  9,19 €
01 bis 12/2018  8,84 €
01 bis 12/2017  8,84 €
01 bis 12/2016  8,50 €
01 bis 12/2015  8,50 €
Entwicklung des Mindestlohns 2015 bis 2025 (in Euro pro Stunde)
Grafik

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung be­schrän­ken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Abs. 1 MiLoG nur durch gerichtlichen Vergleich ver­zich­ten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.

Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält.

Keine Beschränkung des Geltungsbereichs auf Arbeiter

Es ist unerheblich, dass der Gesetzgeber im MiLoG – im Unterschied zu anderen arbeitsrechtlichen Re­gelungen – nicht die Begriffe ›Entgelt‹, ›Arbeitsentgelt‹ oder ›Mindestentgeltsätze‹ verwendet, son­dern ›Lohn‹.

Eine Beschränkung des Geltungsbereichs auf Arbeiter, die noch im Stundenlohn vergütet werden, ist vom Gesetzgeber nicht gewollt. Es sollten umfassend alle Arbeitnehmer vor den Folgen einer unange­messen niedrigen Vergütung geschützt werden.

Mindestlohnanspruch auch bei Entgeltfortzahlungsanspruch

Der Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe des Mindestlohns je Stunde ergibt sich für Feiertage aus § 2 Abs. 1 EntgFG und für Zeiten der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aus § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 EntgFG.

Nach dem diesen Bestimmungen zugrunde liegenden Entgeltausfallprinzip hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags oder Krankheit ausfällt, das Entgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung der Arbeitsleistung erhalten hätte.

Mindestlohnanspruch für Zeiten des Erholungsurlaubs

Der Anspruch auf Urlaubsentgelt in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns für Zeiten des Erholungs­urlaubs folgt aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1 BUrlG, § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BUrlG. Wie die infolge Urlaubs ausfallenden Arbeitsstunden zu vergüten sind (sogenannter Geldfaktor), be­stimmt sich nach dem in § 11 Abs. 1 BUrlG geregelten ›Referenzprinzip‹.

Für den gesetzlichen und – sofern keine abweichende Regelung gilt – für den übergesetzlichen Urlaubs­anspruch ist danach der gesetzliche Mindestlohn als das dem Arbeitnehmer zumindest zuste­hen­de gewöhnliche Arbeitsentgelt (Geldfaktor) der Berechnung des Urlaubsentgelts zugrunde zu legen.

Fälligkeit des Mindestlohns

Der § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG regelt zur Durchsetzbarkeit des Mindestlohnanspruchs die Fälligkeit des Mindestlohns spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Der Arbeitgeber handelt ordnungswidrig, wenn er den Mindest­lohn nicht oder ›nicht rechtzeitig‹ zahlt.

Allerdings kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber den Mindestlohn stets rechtzeitig leistet, auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben. Würde man nachträglichen Zahlungen die Erfüllungswirkung absprechen, wäre der Anspruch auf den Mindestlohn nicht klagbar. Leistet der Arbeitgeber den Mindestlohn nach Fälligkeit, kann der Arbeitnehmer Verzugszinsen sowie den Ersatz eines sonstigen Verzugsschadens verlangen.

Der § 2 Abs. 2 Satz 1 MiLoG trifft eine Sonderregelung für Mehrarbeitsstunden, die in sogenannten Arbeitszeitkonten eingestellt werden: Bei Arbeitnehmern sind die über die vertraglich vereinbarte Ar­beitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeits­stunden spätestens innerhalb von 12 Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung eines Mindestlohns auszugleichen.

SVMWIndex k6s3a2

Vom Mindestlohn ausgenommene Personenkreise

Leitsatz
  1. Einige Personenkreise sind nach § 22 MiLoG vom Mindestlohnanspruch ausgenommen.

Übergangsregelung

Um den Branchen, deren Löhne bisher deutlich unter 8,50 Euro lagen, eine schrittweise Anpassung an den geltenden Mindestlohn zu ermöglichen, wurde im Gesetz eine dreijährige Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2017 festgelegt, in der Abweichungen nach unten erlaubt sind. Diese galt nur, wenn es einen allgemein verbindlichen Branchenmindestlohn nachdem Arbeitnehmer‐Entsendegesetz oder dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gab.

Das Bundesarbeitsgericht ist von der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung ausgegangen und sah daher keine Veranlassung, eine diesbezügliche Vorlage beim Bundesverfassungsgericht zu veran­lassen.

Zeitungszusteller

Zeitungszusteller hatten ab dem 1. Januar 2015 lediglich einen Anspruch auf 75 Prozent und ab dem 1. Januar 2016 auf 85 Prozent des Mindestlohns nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG. Vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 betrug der Mindestlohn für Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller brutto 8,50 Euro je Zeitstunde.

Ab dem 1. Januar 2018 gilt ausnahmslos in allen Branchen der allgemein verbindliche Mindestlohn ohne jede Einschränkung. Tarifverträge, die unter dem Mindestlohn liegen, dürfen ab dem 1. Januar 2018 nicht mehr abgeschlossen werden.

Auch nach Ablauf der Übergangsfristen profitieren jedoch nicht alle Arbeitnehmer vom allgemein ver­bindlichen Mindestlohn, da die Politik einigen Argumenten aus der Wirtschaft stattgegeben und Aus­nahmen definiert hat.

Ausnahmen vom Mindestlohnanspruch

Keinen Mindestlohnanspruch haben nach § 22 MiLoG die folgenden Personen:

  • Arbeitnehmer, die jünger als 18 Jahre alt sind und keinen Berufsabschluss vor­weisen können,

    Jugendliche sollen nicht wegen besser bezahlter Hilfstätigkeiten auf eine Ausbildung ver­zich­ten.

  • Auszubildende,

    Ihre Entlohnung wird weiterhindurch das Berufsbildungsgesetz geregelt. Für neue Ausbil­dungs­verhältnisse ab 2020 wurde nunmehr auch eine Mindestvergütung eingeführt.

    Mindestvergütung für neue Ausbildungsverhältnisse ab 2020

  • Praktikanten,

    Wenn es sich um ein Pflichtpraktikum handelt, das von Schule, Ausbildungseinrichtung oder Hochschule vorgeschrieben ist.

    Wenn ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs‑ oder Hochschul­ausbildung geleistet wird und nicht bereits zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit dem­selben Ausbildenden bestanden hat.

  • Beurteilungshilfe für Praktikanten

    Praktikanten → Verpflichtend vorgeschriebene Zwischenpraktika

  • Langzeitarbeitslose,

    Um Langzeitarbeitslosenden Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, kann bei ihnen in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung vom Mindestlohn abgewichen werden.

  • Behinderte in geschützten Einrichtungen,

    Behinderte in geschützten Einrichtungen sind keine Arbeitnehmer, sondern stehen in ei­nem arbeitneh­merähnlichen Rechtsverhältnis.

  • Besondere Beschäftigungsformen → Behinderte in geschützten Einrichtungen

  • Heimarbeiter,

    Heimarbeiter sind keine Arbeitnehmer, sondern arbeitnehmerähnliche Personen,

  • Heimarbeit → Heimarbeiter sind keine Arbeitnehmer

  • Jugend‑ oder Bundesfreiwilligendienstleistende,

    Sie zählen nicht zu den Arbeitnehmern.

  • Besondere Beschäftigungsformen → Jugend‑ und Bundesfreiwilligendienstleistende

  • Ehrenamtliche Tätigkeit.

    Ehrenamtlich Tätige zählen nicht zu den Arbeitnehmern.

  • Besondere Beschäftigungsformen → Ehrenamtliche Tätigkeit

Arbeitnehmer, die jünger als 18 Jahre alt sind

Die Ausnahme des § 22 Abs. 2 MiLoG ist auch einschlägig für Personen im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes, die ohne abgeschlossene Berufsausbildung neben ihrer Aus­bildung in einem Arbeitsverhältnis stehen.

Auszubildende

Minderjährige Auszubildende sollen nicht dazu verleitet werden, eine einmal aufgenommene Aus­bil­dung zugunsten einer mit dem Mindestlohn vergüteten Beschäftigung wieder aufzugeben.

Besondere Beschäftigungsformen → Beschäftigung zur Berufsausbildung

Praktikanten

Auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales ist in § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG eine neue gesetzliche Definition des Praktikantenverhältnisses eingefügt worden.

»Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsäch­lichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorberei­tung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt«.

Gleichzeitig wurden Praktikanten in den Geltungsbereich des Nachweisgesetzes einbezogen. Wer einen Praktikanten einstellt, hat unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrages, spätestens vor Auf­nahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen. In die Niederschrift sind u. a. die mit dem Praktikum verfolgten Lern‑ und Ausbildungsziele aufzunehmen.

Besondere Beschäftigungsformen → Praktikanten

Beurteilungshilfe für Praktikanten

Geht es um den Anspruch auf Mindestlohn ist zunächst einmal grundsätzlich zu unter­scheiden zwischen ›freiwilligen‹ Praktika, die zur Orientierung für eine Berufsausbil­dung oder begleitend zu einer Berufs‑ oder Hochschulausbildung geleistet werden und den von einer Schule, Ausbil­dungseinrichtung oder Hochschule vorgeschriebenen ›Pflichtprak­tika‹.

  • Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes

    Um dem Missbrauch von Praktika entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber Praktikanten grund­sätzlich in den Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes einbezogen. Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer im Sinne des MiLoG. Sie haben deshalb einen Anspruch auf den Mindestlohn.

  • Von einer Ausbildungseinrichtung oder Hochschule vorgeschriebenes Praktikum

    Handelt es sich um ein Pflichtpraktikum, das von einer Ausbildungseinrichtung oder Hoch­schule vorgeschrieben ist, ist der Anspruch auf das Mindestentgelt ausgeschlossen. Dies gilt nicht nur für verpflichtende Praktika während des Studiums, sondern auch für Vor­prak­tika, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind.

  • Schülerpraktikum

    Schüler die ein Schülerpraktikum (in der Regel in der 9. Klasse als Orientierungshilfe zur Be­rufswahl) machen, bleiben während des Praktikums Schüler ihrer Schule. Sie sind weder Ar­beit­nehmer noch Auszubildende. Ein Schülerpraktikum ist eine Schulveranstal­tung, wobei der Unterrichtsort in den Betrieb verlegt wird.

  • Orientierungspraktikum

    Ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums wird vom Mindestlohngesetz nicht erfasst. Durch die im Gesetz angeordnete Herausnahme von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn bei einer Praktikumsdauer von bis zu drei Monaten soll das sinnvolle Instrument des Prak­tikums einer missbräuchlichen Anwendung entzogen werden.

    Wird das Orientierungspraktikum aus Gründen in der Person des Praktikanten rechtlich oder tatsächlich unterbrochen, kann es um die Zeit der Unterbrechung verlängert wer­den, wenn zwischen den einzelnen Abschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammen­hang besteht und die tatsächliche Tätigkeit die Höchstdauer von insgesamt drei Monaten nicht über­schrei­tet.

  • Freiwilliges ausbildungsbegleitendes Praktikum

    Ein die Berufs‑ oder Hochschulausbildung begleitendes Praktikum nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MiLoG wird bis zu drei Monaten vom MiLog nicht erfasst, es sei denn, dass bereits zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat. An­ders als beim Orientierungspraktikum ist eine Aufteilung in mehrere Praktikumsab­schnitte hier nicht möglich.

    Ist bei Praktika die drei Monatsgrenze maßgebend, liegt es im Ermessen des Arbeitge­bers, wie hoch er die Vergütung ansetzt. Wird die maximale Zeitdauer von drei Monaten über­schritten, so gilt der Mindestlohn rückwirkend bereits ab dem ersten Tag des Prak­tikums.

  • Einstiegsqualifizierung/Berufsausbildungsvorbereitung

    Wer an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III oder an einer Berufsausbildungs­vorbereitung nach §§ 68 bis 70 des Berufsbildungsgesetzes teilnimmt, wird vom MiLoG nicht erfasst.

Langzeitarbeitslose

Langzeitarbeitslose sind Arbeitslose, die ein Jahr und länger arbeitslos sind. Die Frist beginnt zu laufen ab dem Zeitpunkt, an dem sich die Person arbeitslos meldet. Findet der Arbeitslose in den kommenden 365 Tagen keine Arbeit, wird er als Langzeitarbeitsloser bezeichnet.

Sofern zwischenzeitlich ein Arbeitsverhältnis begründet wird, beginnt die Frist auch dann wieder von vorne, wenn dieses nur kurze Zeit angedauert hat. Die Teilnahme an einer Maßnahme nach § 45 (Maß­nahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung) sowie Zeiten einer Erkrankung oder sons­tiger Nicht‐Erwerbstätigkeit bis zu sechs Wochen unterbrechen die Dauer der Arbeitslosigkeit nicht.

Das MiLoG regelt nicht, wie Langzeitarbeitslosigkeit im Einzelfall nachzuweisen ist. Langzeitarbeits­losigkeit liegt nach § 18 Abs. 1 SGB III bei Arbeitslosen vor, die ein Jahr und länger arbeitslos sind. Der Arbeitgeber hat sich entsprechende Nachweise des Arbeitnehmers, aus denen dessen Status als Lang­zeitarbeitsloser hervorgeht, vorlegen zu lassen und zu den Entgeltunterlagen zu nehmen.

Behinderte

Eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist kein normaler Betrieb. Hier werden Menschen beschäftigt, die nicht oder noch nicht für den ersten Arbeitsmarkt geeignet sind.

Behinderte Menschen, die im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt wer­den, sind keine Arbeitnehmer sondern stehen in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis und.

Die Werkstätten zahlen aus ihrem Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften behinderten Menschen im Berufs­bildungsbereich zuletzt leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt. Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung der behinderten Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte.

Behinderte Menschen können für ihre Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte nicht den gesetzlichen Mindestlohn beanspruchen. Denn diesen können nur Arbeitnehmer, nicht aber arbeitnehmerähnliche Beschäftigte verlangen.

Besondere Beschäftigungsformen → Behinderte in geschützten Einrichtungen

Heimarbeiter

Die Heimarbeit nach dem Heimarbeitsgesetz (HAG) ist der nichtselbständigen Erwerbsarbeit nicht unähnlich. Auch bei der Heimarbeit stellt der Auftraggeber die erforderlichen Mittel zur Verfügung und hat die Rechte an den Erzeugnissen/Leistungen des Heimarbeiters. Im Gegensatz zu einem Arbeits­verhältnis hat der Auftraggeber jedoch ein nur eingeschränktes Weisungs‑ und Direktionsrecht, weil Zeit und Ort der Leistungserbringung nicht vorzuschreiben sind.

Heimarbeiter sind keine Arbeitnehmer, sondern arbeitnehmerähnliche Personen. Sie haben deshalb kei­nen Anspruch auf den Mindestlohn.

Heimarbeit → Heimarbeiter sind keine Arbeitnehmer

Jugend‑ oder Bundesfreiwilligendienstleistende

Jugend‑ sowie Bundesfreiwilligendienstleistende werden vom Mindestlohngesetz nicht erfasst, da sie nicht zu den Arbeitnehmern zählen.

Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) wurde als freiwilliger Dienst eingeführt, nachdem die Wehrpflicht aus­gesetzt wurde. Der Jugend‑ sowie der Bundesfreiwilligendienst wird ohne Erwerbsabsicht gegen un­entgeltliche Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung und ein angemessenes Taschengeld ge­leistet.

Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und der Bundesfreiwilligendienst (BFD) sind als Freiwilligendienste Son­derformen des ehrenamtlichen, bürgerschaftlichen Engagements. Das Geld, was der Freiwillige er­hält, ist deshalb kein Gehalt im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern mehr eine Aufwandsentschä­digung.

Besondere Beschäftigungsformen → Jugend‑ und Bundesfreiwilligendienstleistende

Ehrenamtliche Tätigkeit

Von einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist immer dann auszugehen, wenn sie nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt ist, sich für das Gemein­wohl einzusetzen. Liegt diese Voraussetzung vor, sind auch Aufwandsentschädigungen unabhängig von ihrer Höhe unschädlich.

Besondere Beschäftigungsformen → Ehrenamtliche Tätigkeit

SVMWIndex k6s3a3

Gesetzlicher Mindestbruttolohn je Zeitstunde

Leitsatz
  1. Das Gesetz legt einen Mindestbruttoentgelt je Zeitstunde fest, unabhängig davon, zu wel­cher Zeit und unter welchen Bedingungen die Leistung erbracht wird.

Ausgehend von dem in § 1 Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriff des Mindestlohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten Höhe in Form eines Bruttobetrags, handelt es sich um eine Bruttoent­gelt­schuld des Arbeitgebers.

Der Arbeitgeber erfüllt einen Bruttoentgeltanspruch, wenn er den sich daraus ergebenden Auszah­lungs­betrag (›Nettoverdienst‹) an den Arbeitnehmer zahlt sowie die darauf anfallende Einkommen­steuer und den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags an die zuständigen Stellen abführt.

Geleistete Arbeitsstunden

Das Gesetz legt einen Mindestbruttoentgelt je Zeitstunde fest, unabhängig davon, zu welcher Zeit und un­ter welchen Bedingungen die Leistung erbracht wird. Der gesetzliche Mindestlohn tritt als eigen­stän­diger Anspruch neben die bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändert diese aber nicht. Der Min­dest­lohn gilt auch für geringfügig entlohnte ›Minijobber‹.

Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Zeitstunde. Dies er­fordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Auslegung des Min­dest­lohngesetzes hat die Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitnehmerentsenderecht zu beachten. Danach sind alle zwingend und transparent geregelten Ge­gen­leistungen des Arbeitgebers für die Ar­beits­leistung des Arbeitnehmers Bestandteile des Mindestlohns.

»Erfüllt ist der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn die für den Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn ergibt«. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass alle Sonderzahlungen den Anspruch der Arbeitnehmer auf den gesetzlichen Min­destlohn erfüllen.

Anrechenbarkeit von Einmalzahlungen

Keine Anrechenbarkeit von Sachbezügen

Für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen begründet das Mindestlohngesetz – man­gels tatsächlicher Arbeitsleistung – keine Ansprüche.

Leistungs‑ oder ergebnisbezogene Lohnvereinbarung (Stücklohn)

Gemäß Arbeitsvertrag wird vereinbart, welche Arbeit zu leisten ist und zu welchen Bedingungen. Eine leistungs‑ oder ergebnisbezogene Lohnvereinbarung ist auch weiterhin zulässig. Allerdings muss auch hier sichergestellt sein, dass der erzielbare Leistungslohn den Mindestanspruch je Zeitstunde nicht unterschreitet.

Der Arbeitnehmer ist bei diesem System natürlich daran interessiert, seine Arbeit so schnell wie möglich zu erledigen, da der Stücklohn umso höher ist, je weniger Zeit der Arbeitnehmer für das ›Stück‹ (z. B. Zustellung einer Zeitung) benötigt. Die Prüfung der Einhaltung des gesetzlichen Min­destlohns gestaltet sich bei einer Stücklohnvereinbarung in besonderer Weise.

Beispiel:

Ein Zeitungszusteller hat am Tag 100 Zeitungen zuzustellen und erhält 15 Cent für jede Zu­stellung.

Der Arbeitslohn für 100 Zustellungen beträgt damit 15,00 Euro.

Bewertung:

Ob der Mindestlohn erfüllt ist hängt ab von der Zeit, die der Arbeitnehmer für die Zustel­lungen benötigt.

Der Arbeitnehmer benötigt 1 Stunde für die Zustellung. Bei 15,00 Euro Stundenlohn ist der Mindestlohnanspruch erfüllt.

Der Arbeitnehmer benötigt 2 Stunden für die Zustellung. Bei 7,50 Euro Stundenlohn ist der Mindestlohnanspruch nicht erfüllt.

Der Stücklohn ist vom Arbeitgeber im Rahmen arbeitsanalytischer Verfahren so zu bemessen, dass der Mindestlohn mit einer Durchschnittsleistung erreichbar ist. Eine Überprüfung dieses arbeitsanalyti­schen Verfahrens ist lediglich hinsichtlich des Mindestlohnanspruchs für eine Durchschnittsleistung möglich. Kann die Durchschnittsleistung nicht erreicht werden, besteht ein Differenzlohnanspruch zum Mindest­lohn.

Keine Antwort gibt das Mindestlohngesetz auf die Frage, ob auf den ›Durchschnittsmitarbeiter‹ abzu­stellen ist oder ob in jedem Fall eine individuelle Betrachtung des einzelnen Arbeitnehmers vorzu­neh­men ist. Auch eine diesbezügliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht noch aus. Deshalb hat der prüfende Rentenversicherungsträger lediglich bei fehlenden oder offensichtlich unschlüssigen Ana­ly­sen die Zollverwaltung zu informieren.

Flexible Arbeitszeitregelungen

Grundsätzlich hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer Anspruch darauf, dass ihm der Min­dest­lohn für alle von ihm im Abrechnungszeitraum geleisteten Arbeitsstunden zum Fälligkeitstermin bezahlt wird.

Für Arbeitszeitregelungen zur flexiblen Gestaltung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder zum Ausgleich betrieblicher Produktions‑ und Arbeitszeitzyklen sieht das Mindestlohngesetz Aus­nah­men für die über die vertragliche Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden vor, wenn die Mehrarbeit in einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto erfasst wird.

Wertguthaben → Sonstige flexible Arbeitszeitreglungen (Gleitzeitvereinbarungen)

Jahresfrist von zwölf Kalendermonaten

Ist der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Mehrabeitsstunden bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt, können die geleisteten Mehrarbeitsstunden grundsätzlich ohne gesetzliche Einschränkungen in das Arbeitszeitkonto eingestellt werden.

Sofern der Mindestlohnanspruch nicht bereits durch die Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist, reicht es bei schriftlich vereinbarten flexiblen Arbeitszeitregelungen aus, wenn der Mindestlohn für die Mehrarbeit innerhalb einer Jahresfrist von zwölf Kalendermonaten entweder durch Zahlung des Mindestlohns oder durch eine bezahlte Freistellung ausgeglichen wird. Mit dem Einstellen der Mehrarbeitsstunden in das Arbeitszeitkonto verschiebt man den Fälligkeitstag der Auszahlung des Mindestlohns um maximal 12 Monate nach der Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge fallen entweder bei der Freizeitgewährung (aufgrund von Weiterzahlung des Gehaltes) oder bei der Auszahlung der Überstunden an.

Der Arbeitgeber hat im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ausgeglichene Stunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszu­glei­chen.

Beispiel:

Es besteht ein schriftlicher Arbeitsvertrag:

Vereinbarte monatliche Arbeitszeit: 120 Stunden

Verstetigtes monatliches Entgelt: 1.800,00 Euro

Demnach beträgt der Stundenlohn 15,00 Euro (1800,00 Euro ÷ 120 Stunden).

Mindestlohnanspruch Juni 2023 = 12,00 Euro pro Stunde

Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns

Im Juni 2023 werden 10 Überstunden in das Arbeitszeitkonto ein­gestellt.

Jahresfrist von zwölf Kalendermonaten
Zusammen mit den geleisteten 10 Überstunden wären im Juni 2023 insgesamt 130 Stunden mit dem Mindestlohn zu vergüten.

Mindestlohnanspruch Juni 2023
12,00 € × 130 Sunden = 1.560,00 €

Da das verstetigt gezahlte Monatsgehalt in Höhe von 1.800,00 Euro den Anspruch auf den Mindestlohn im Juni 2023 ›übererfüllt‹, könnten die im Juni 2023 geleisteten Mehrarbeits­stunden auch länger als 12 Monate im Arbeitszeitkonto verbleiben.

50‐Prozent‐Grenze

Das Mindestlohngesetz enthält eine Grenze für die Einstellung der mindestlohnrelevanten Überstunden. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeits­zeit nicht übersteigen. Für das Einstellen von Minusstunden in ein Arbeitszeitkonto gibt es im Mindestlohngesetz keine Vorgaben. Übersteigt die Arbeitszeit 50 Prozent der vertraglichen Arbeitszeit, muss der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt für die überschießenden Arbeitsstunden mit dem Monatsarbeitsentgelt auszahlen.

Beispiel:

Es besteht ein schriftlicher Arbeitsvertrag:

Im Juni 2023 hat der Beschäftigte 70 Überstunden erbracht.

Vereinbarte monatliche Arbeitszeit: 120 Stunden

Verstetigtes monatliches Entgelt: 1.500,00 Euro

Der Stundenlohn beträgt: (1.500,00 Euro ÷ 120 Stunden)  =  12,50 Euro

Mindestlohnanspruch pro Arbeitsstunde im Juni 2023      =    12,00 Euro

Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns

Bewertung:

1. Arbeitszeitkonteneinstellung (50‐Prozent‐Grenze)

Im ersten Schritt wird die mögliche Mehrarbeitseinstellung nach der im MiLoG vorgegebenen Grenze berechnet:

Es können 50 Prozent der vereinbarten Arbeitszeit, also monatlich 60 Stunden ›mindest­lohn­unschädlich‹ in das Arbeitszeitkonto eingestellt werden.

(120 Stunden × 50 Prozent = 60 Stunden)

Die geleistete Mehrarbeit übersteigt die Höchstgrenze von 50 Prozent der vertraglich verein­barten Arbeitszeit um 10 Stunden (120 Stunden × 50 Prozent − 70 Stunden).

Diese 10 Stunden sind unmittelbar mit dem Mindestlohn zu vergüten, soweit der Mindest­lohn­anspruch nicht bereits durch das verstetigte Arbeitsentgelt erfüllt ist.


2. Mindestlohnüberschreitung des verstetigten Arbeitsentgelts

Im zweiten Schritt wird die zusätzliche Einstellung berechnet:

Verstetigtes Arbeitsentgelt im Juni 2023                  = 1.500,00 €
Mindestlohnanspruch im Juni 2023 (120 Stunden × 12,00 €)  = 1.440,00 €
Differenz zum Mindestlohnanspruch: 1.500,00 € − 1.440,00 €   = 60,00 €

Das verstetigte Arbeitsentgelt für die vereinbarte Arbeitszeit übersteigt den Mindestlohn um 60,00 Euro.

Zeitlicher Gegenwert aus der Mindestlohnüberschreitung des Arbeitsentgelts

Der zeitliche Gegenwert aus der Mindestlohnüberschreitung entspricht = 5,00 Stunden.

60,00 € ÷ 12,00 € = 5,00 Stunden

3. Maximale Einstellung von Mehrarbeit in das Arbeitszeitkonto

60 Stunden + 5,00 Sunden = 65,00 Stunden

In das Arbeitszeitkonto können damit im Monat Juni 2023 insgesamt 65,00 Stunden eingestellt werden.


4. Unmittelbar zu erbringender Mindestlohnanspruch

Die darüber hinaus erbrachten 5 Mehrarbeitsstunden (70 Überstunden abzüglich der in das Arbeitszeitkonto eingestellten 65 Stunden) hat der Arbeitgeber im Juni 2023 unmittelbar zu vergüten (Min­dest­lohnanspruch 60,00 Euro (5,00 Stunden × 12,00 Euro).

Wertguthabenvereinbarungen nach § 7b SGB IV

Für Wertguthabenvereinbarungen, in deren Rahmen auf die Auszahlung von Arbeitsentgelt zu Gunsten eines Wertguthabens für längerfristige spätere Freistellungen von der Arbeitsleistung, z. B. bei Alters­teilzeitarbeit im Blockmodell, verzichtet wird, gelten nach dem MiLoG keine Einschränkungen.

Dem Mindestlohnanspruch steht daher nicht entgegen, wenn lediglich aufgrund des Verzichts auf die Auszahlung von Arbeitsentgelt zu Gunsten eines entsprechenden Wertguthabens der Mindestlohn für die tatsächlich im Monat geleistete Arbeitszeit unterschritten wird.

Wertguthaben → Langzeit‑ und Lebensarbeitszeitkonten

Bereitschaftsdienste

Bereitschaftsdienstzeiten liegen immer dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer in einem vom Arbeit­geber bestimmten Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebes bereithalten muss, um bei Bedarf spontan seine volle Arbeitstätigkeit aufnehmen zu können. Unerheblich ist hierbei, ob es einen Ort im Betrieb oder ein außerhalb ist.

Bereitschaftsdienste schränken die Möglichkeiten eines Arbeitnehmer erheblich ein, sich anderen Tä­tigkeiten zu widmen. Deshalb sind Bereitschaftszeiten als Arbeitszeiten einzuordnen. Wie der Euro­päische Gerichtshof jedoch feststellte, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass Bereitschaftszeiten wie die tatsächlichen Arbeitszeiten vergütet werden müssen.

Das MiLoG nimmt Bereitschaftszeiten nicht explizit aus. Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass Bereitschaftszeiten den Zeiten gemäß § 3 ArbZG gleichzusetzen und deshalb nach allgemeinen Grund­sätzen mit dem Mindestlohn zu vergüten sind. Bereitschaftszeiten sind daher mit dem Mindestlohn zu vergüten, soweit sie nach der Rechtsprechung als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen sind.

Nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte

Nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte haben Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden. Dazu gehört auch Bereitschaftsdienst. Ein solcher kann darin bestehen, dass die Betreuungskraft im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen muss und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag‑ und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten.

Entsendezulage

Rufbereitschaft

Vom Bereitschaftsdienst abzugrenzen ist die Rufbereitschaft. Bei Rufbereitschaft muss sich der Arbeitnehmer zwar zur Arbeit bereithalten; er kann dabei aber seinen Aufenthaltsort grundsätzlich frei bestimmen und wechseln. Die Rufbereitschaft ist keine Arbeitszeit. Nur die tatsächlich geleistete Arbeit gilt als Arbeitszeit.

☆ ☆ ☆
Arbeit auf Abruf

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es zulässig, dass eine bestimmte Wochenstun­denzahl vereinbart wird, der Arbeitgeber diese jedoch in einem bestimmten Umfang über‑ oder unter­schreiten darf. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können deshalb vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Bei der Arbeit auf Abruf han­delt es sich um eine Vereinbarung, nach welcher der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schwankend ent­sprechend dem Arbeitsanfall erbringen muss und zwar nach einseitiger Anweisung des Arbeitge­bers.

Entgeltfortzahlung und Umlagen → Abrufbeschäftigungsverhältnisse

Die Arbeitsvertragsparteien sind grundsätzlich nicht gezwungen, statt der Kombination von Rahmen­vereinbarung und Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. Ist durch die Rahmenvereinbarung klar geregelt, dass keine Arbeitspflicht besteht und erst mit Angebot und Annahme ein Arbeitsverhältnis begründet wird, handelt es sich bei der Rahmenvereinbarung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts um kein Dauerarbeitsverhältnis und damit auch nicht um Abrufarbeit.

Eine Rahmenvereinbarung, welche nur die Bedingungen der erst noch abzuschließenden, auf den jeweiligen Einsatz befristeten Arbeitsverträge wiedergibt, selbst aber noch keine Verpflichtung zur Arbeits­leistung begründet, ist kein Arbeitsvertrag. Geht aus der Rahmenvereinbarung eindeutig hervor, dass der Arbeitnehmer ein Ablehnungsrecht hat, begründet die Vereinbarung keine wechsel­seitigen Leistungspflichten. Eine derartige Vereinbarung ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unan­gemessen und verstößt deshalb auch nicht gegen § 12 TzBfG. Unter dem Gesichtspunkt des Gestal­tungsmissbrauchs kann Abrufarbeit jedoch (tatsächlich) dann vorliegen, wenn Dienstbereitschaft er­war­tet und die Arbeit zugewiesen wird.

Vertragsbeziehung → Versicherungspflicht versus Vertragsfreiheit

Arbeitszeitfiktion bei Abrufbeschäftigungsverhältnissen

Die Bedingungen für die Arbeit auf Abruf sind im Teilzeit‑ und Befristungsgesetz geregelt und sollen den Arbeitnehmer arbeitsrechtlich schützen. Die Regelungen des Gesetzes greifen immer dann, wenn die Absprache zur Arbeit auf Abruf nicht arbeits‑ oder tarifvertraglich oder per Betriebsvereinbarung geregelt wurde.

Mit Wirkung zum 1. Januar 2019 hat der Gesetzgeber das TzBfG angepasst und den gesetzlichen Rahmen für die Abrufarbeit geändert. Ist eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Anteil der einsei­tig vom Arbeitgeber abrufbaren Arbeit ab 1. Januar 2019 nicht mehr als 25 Prozent der ver­einbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen. Bei Vereinbarung einer Höchstarbeitszeit beträgt das flexib­le Volumen entsprechend 20 Prozent der Arbeitszeit. Das Gesetz erlaubt nur die Verein­barung einer Mindest‑ oder einer Höchstarbeitszeit, ermöglicht aber nicht die Kombination von beidem.

Wenn in der arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Arbeit auf Abruf die wöchentliche Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt seit dem 1. Januar 2019 eine fiktive Wochenarbeitszeit von 20 Stunden (bisher wa­ren es 10 Stunden) als vereinbart. Der Arbeitgeber muss 20 Arbeitsstunden auch dann vergüten, wenn er tatsächlich weniger Arbeitszeit abgerufen hat.

Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen

Nach § 22 Abs. 1 SGB IV entsteht der Beitragsanspruch der Sozialversicherung, sobald die Voraus­set­zungen dafür vorliegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werden Bei­träge für laufendes Arbeitsentgelt bereits dann fällig, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeits­entgelt entsteht (Entstehungsprinzip) und zwar unabhängig davon, ob der Anspruch auf das Arbeits­ent­gelt erfüllt wurde.

Wird eine bestimmte Arbeitszeit nicht arbeitsvertraglich festgelegt, gelten 20 Arbeitsstunden wöchent­lich als vereinbart. Aus dieser ›Fiktion‹ ergibt sich wiederum ein Anspruch auf ein Arbeitsentgelt für 20 Stunden, und zwar unabhängig davon, wie viele Stunden der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat. Dieses Arbeitsentgelt ist Grundlage des Beitragsanspruchs der Sozialver­sicherung.

Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Zeitstunde. Dies er­fordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Stundenlohn vereinbart haben, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeits­gerichts zum Mindestlohngesetz jede geleistete Arbeitsstunde zumindest mit dem gesetzlichen Min­dest­lohn zu vergüten.

Für die Zeiten in der ›20‐Wochenstunden‐Fiktion‹, in denen nicht gearbeitet wurde, lässt sich ein originärer Mindestlohnanspruch aus dem MiLoG nicht herleiten. Allerdings enthält der § 12 TzBfG auch keine Regelung, wonach für Stunden ohne Arbeitsleistung ein geringerer Stundenlohn als für tatsäch­liche Arbeitsstunden zu gewähren ist. Die Arbeitszeitfiktion soll vielmehr sicherstellen, dass ein ›Abruf­arbeitnehmer‹ ohne vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit »mehr Planungs‑ und Einkommens­sicher­heit« hat.

Beitragsanspruch in der Sozialversicherung

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Stundenlohn für geleistete Arbeit vereinbart, ergibt sich der Beitragsanspruch der Sozialversicherung bei einem Abrufbeschäftigungsverhältnis ohne Vereinba­rung einer wöchentlichen Arbeitszeit aus der in § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG vorgeschriebene Stundenzahl (Arbeitszeitfiktion) und dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten Stundenlohn. Bei­tragsbemessungsgrundlage muss dabei wenigstens der gesetzliche Mindestlohn sein.

Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalen­der­monat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der An­zahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem maßgebenden Mindestlohn ergibt.

Damit würde ein ggf. als versicherungsfrei vereinbarter ›Minijob‹ zu einer versicherungspflichtigen Beschäftigung werden.

Geringfügig entlohnte Beschäftigung → Entwicklung der geringfügig entlohnten Beschäftigung (Übersicht)

Monatlicher Mindestlohn im Rahmen der Arbeitszeitfiktion (ab Oktober 2022)
(12,00 € × 20 Stunden) × 13 Wochen/3 Monate   = 1040,00 €

SVMWIndex k6s3a4

Mindestlohnwirksame Entgeltzahlungen

Leitsatz
  1. Der Mindestlohn nach dem MiLoG wird als Geldbetrag geschuldet, das heißt, der Mindestlohn muss dem Beschäftigten als Mindestbetrag tatsächlich zur Verfügung stehen.

  2. Sachbezüge können grundsätzlich nicht den Mindestlohnanspruch erfüllen.

Der arbeitsrechtliche Mindestlohnbegriff im Sinne des § 1 Abs. 1 MiLoG entspricht nicht dem bei­trags­rechtlichen Arbeitsentgeltbegriff im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV.

Die Auslegung des Mindestlohngesetzes hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeitnehmerentsenderecht zu beachten. Danach sind alle zwingend und transparent geregelten Ge­genleistungen des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers Bestandteile des Mindest­lohns.

Das Bundesarbeitsgericht vertritt die Ansicht, dass alle in einem Kalendermonat im Austausch gegen die erbrachte Arbeitsleistung transparent geregelten und erfolgten Entgeltzahlungen, die dem Arbeit­nehmer endgültig zur Verwendung verbleiben, auf den Mindestlohn im Sinne des MiLoG anrechenbare Entgeltbestandteile sind.

Die Erfüllungswirkung fehlt nur solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf tatsäch­liche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbe­stim­mung beruhen (z. B. Nachtzuschläge, § 6 Abs. 5 ArbZG). Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der Richtlinie 96/71/EG.

Der Mindestlohn wird als Geldbetrag geschuldet

Der Mindestlohn nach dem MiLoG wird als Geldbetrag geschuldet, das heißt, der Mindestlohn muss dem Beschäftigten als Mindestbetrag tatsächlich zur Verfügung stehen.

Bei einer Geldschuld wird die geschuldete Leistung mangels anderer Vereinbarung nur dann bewirkt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung über­eignet oder überwiesen erhält. Darf er den Betrag nicht behalten, tritt der Leistungserfolg nicht ein Bei einer Geldschuld wird die geschuldete Leistung mangels anderer Vereinbarung nur dann bewirkt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält. Darf er den Betrag nicht behalten, tritt der Leistungserfolg nicht ein.

Der Arbeitgeber erfüllt den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch die im arbeitsvertrag­lichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen daher nur dann, wenn diese dem Arbeitneh­mer endgültig verbleiben.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG muss der Mindestlohn spätestens einen Monat nach dem Erbringen der Arbeitsleistung gezahlt werden.

Anrechenbarkeit von Einmalzahlungen

Einmalzahlungen werden nur dann auf den Mindestlohnanspruch angerechnet, wenn sie eine Gegen­leistung zu der erbrachten Arbeit darstellen. Besteht z. B. durch Tarifvertrag ein eigenständiger An­spruch auf Urlaubsgeld, kann dieser nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden, sondern ist zu­sätz­lich zu zahlen.

Ob Einmalzahlungen bei der Berechnung des Mindestlohns berücksichtigt werden, kann nicht pauschal beantwortet werden. Auch hier hängt eine Berücksichtigung von Zweck der Zahlung ab.

Wird z. B. das 13. Monatsgehalt nicht als Gegenleistung für geleistete Arbeit erbracht, weil der Arbeit­geber mit der Einmalzahlung andere Zwecke verfolgt (z. B. Honorierung von Betriebstreue oder die finanzielle Unterstützung der Arbeitnehmer im Hinblick auf das Weihnachtsfest), ist die Einmalzahlung nicht auf den Mindestlohn anzurechnen.

Der Mindestlohnanspruch muss nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG spätestens einen Monat nach dem Er­bringen der Arbeitsleistung erfüllt werden. Sofern das 13. Monatsgehalt als Gegenleistung für geleis­tete Arbeit erbracht wird, kann es jedoch nicht anteilig auf die Mindestlohnansprüche für das gesamte Jahr verteilt werden, sondern es kann nur im Monat der Zahlung berücksichtigt werden und dies auch nur unter der weiteren Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer sie tatsächlich und unwiderruflich aus­bezahlt erhält.

Keine Anrechenbarkeit von Sachbezügen

Nach § 107 Abs. 2 GewO können Arbeitgeber und Arbeitnehmende Sachbezüge als Teil des Arbeitsent­gelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmenden oder der Eigenart des Arbeits­ver­hältnisses entspricht. Da der Mindestlohn nach dem MiLoG als Geldbetrag geschuldet wird, können Sachbezüge grund­sätzlich nicht den Mindestlohnanspruch erfüllen.

Auch wenn Arbeitgeber zur Zahlung eines Mindestentgelts auf Grundlage des Arbeitnehmer‑Ent­sende­gesetzes oder auf Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ver­pflich­tet sind, ist eine Anrech­nung von Sachleistungen nicht zulässig.

Arbeitnehmer‑Entsendegesetz (Branchenmindestlohn)

Leiharbeit → Mindeststundenentgelte Arbeitnehmerüberlassung

Ausnahme: Anrechnungsfähige Sachbezüge für Saisonarbeitnehmer

Versicherungsfreie zeitgeringfügige Beschäftigung → Saisonarbeitskräfte

Ausgeschlossen ist die Anrechnung von Kost und Logis bei entsandten oder überlassenen Arbeitnehmern. Der Arbeitgeber hat für diese Arbeitnehmer die Unterbringungs‑ und Verpflegungskosten zu tragen, wenn er sie zur Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen aus dem Herkunftsstaat in ein anderes Land entsendet oder überlässt.

Nach den Vorgaben der für die Prüfung der Einhaltung der Arbeitgeberpflichten nach § 20 MiLoG zuständigen Behörden der Zollverwaltung wird für Saisonarbeitskräfte die Anrechnung von Kost und Logis in entsprechender Anwendung des § 107 Abs. 2 GewO auf den gesetzlichen Mindestlohn zugelassen.

Illegale Beschäftigung → Aufgaben und Befugnisse der FKS

Eine Sachleistungsanrechnung wie Kost und Logis ist für Saisonarbeiter nur dann nicht zu­lässig, wenn der Arbeitgeber zur Zahlung eines Mindestentgelts auf Grundlage des Arbeit­nehmerentsendegesetzes oder auf Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ver­pflich­tet ist.

Pfändungsfreier Betrag (ledige, nicht unterhaltspflichtige Person)

Wenn die Anrechnung von Kost und Logis zulässig ist, muss mindestens der pfändungsfreie Betrag für eine ledige, nicht unterhaltspflichtige Person vom Lohn übrigbleiben.

Anrechnungsfähige Sachbezüge für Saisonarbeitnehmer

Voraussetzungen für die Anrechnung von Kost und Logis

Voraussetzungen
kumulativ

↙ ↓ ↘

Vereinbarung
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Gewährte Sachleistung
zumindest von mittlerer Art und Güte

Einhaltung

  • Pfändungsfreigrenze
  • Sachbezugsgrenzwerte

Als Maßstab für die Bewertung der Sachleistung können die Richtlinien für die Unterkünfte ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland vom 29. März 1971 herangezogen werden.


Die maßgebende Pfändungsfreigrenze

Die Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen sind im § 850 c Zivilprozessordnung geregelt. Mit den Pfändungsfreigrenzen sorgt der Staat dafür, dass ein Schuldner nicht unter das Existenzminimum fällt. Er soll noch genügend Geld zur Verfügung haben, um für sich und ggf. seine Kinder und andere unterhaltspflichtige Personen z.B. Miete, Energie und Lebensmittel bezahlen zu können.

In der durch das Bundesministerium der Justiz amtlich festgelegten Pfändungstabelle sind die Pfändungsfreigrenzen für das persönliche monatliche Arbeits‑ oder Sozialeinkommen festgelegt. Die Pfändungsfreibeträge sind von der Anzahl der Familienangehörigen, denen der Schuld­ner Unterhalt leisten muss (und auch tatsächlich leistet) abhängig. Diese Beträge darf ein Schuldner trotz einer Pfändung behalten.

Liegt das Arbeitsein­kommen über diesem Pfändungsfreibetrag, wird der darüber liegende Teil bis zu einer be­stimm­ten Höhe zwischen Gläubiger und Schuldner geteilt. Die Pfändungstabelle wird jährlich zum 1. Juli an die gestiegenen Le­bens­haltungskosten angepasst.

Die Anrechnung der Sachbezüge darf hiernach die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeits­entgelts nicht übersteigen. Der Arbeitnehmer muss also in jedem Fall über ein Nettogehalt in Höhe der Pfändungsfreigrenze verfügen können. Für die Mindestlohnprüfung wird als Pfän­dungs­freigrenze der für eine ledige, nicht unterhaltspflichtige Person maßgebliche Betrag nach § 850c ZPO zugrunde gelegt.

Ab 2021 wird die amtlich festgelegte Pfändungstabelle jährlich zum 1. Juli an die ge­stiegenen Lebens­haltungskosten angepasst. Bisher geschah das nur alle zwei Jahre.

Unpfändbares Arbeitseinkommen (Pfändungsfreigrenzen)
Unterhaltsberechtigte
Personen
Juli 2023
bis Juni 2024
Juli 2022
bis Juni 2023
Juli 2021
bis Juni 2022
Ledige
(Keine)
1.402,28 Euro 1.330,16 Euro 1.252,54 Euro
erste
(zusätzlich)
  527,76 Euro   500,62 Euro   471,44 Euro
zweite bis fünfte
(zusätzlich je)
 294,02 Euro  278,90 Euro  262,65 Euro
☆ ☆ ☆
Entgeltumwandlungen zur betrieblichen Altersversorgung

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung be­schrän­ken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.

Eine Entgeltumwandlung nach dem Betriebsrentengesetz lässt der § 3 MiLoG jedoch unberührt; sie ist auch weiterhin möglich. Vereinbarungen nach § 1a des Betriebsrentengesetzes sind keine Vereinba­rungen, die zu einer Unterschreitung oder Beschränkung des Mindestlohnanspruchs führen. Dies gilt analog für Arbeitsentgeltbestandteile, auf deren Auszahlung im Rahmen einer Wertguthabenverein­ba­rung nach § 7b SGB IV zugunsten eines Wertguthabenkontos verzichtet wird.

☆ ☆ ☆
Provisionszahlungen

Provisionszahlungen und Umsatzbeteiligungen sind in den Monaten der Zahlung auf den Mindestlohn anzurechnen. Sofern das Fixum den Mindestlohn unterschreitet, besteht in den Monaten, in denen durch geringe oder ausfallende Provisionszahlungen oder Umsatzbeteiligungen der Mindestlohn nicht erreicht wird, der Mindestlohnanspruch.

Provisionszahlungen sind jedoch nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie nicht zurückgefordert wer­den können. Sofern demnach Provisionsregelungen Stornierungsklauseln enthalten, nach denen die Provision zurückzuzahlen ist, wenn der Kunde das Geschäft storniert oder das Geschäft notleidend wird, kann die Provisionszahlung nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.

☆ ☆ ☆
Vermögenswirksame Leistungen

Vermögenswirksamen Leistungen können daher auch nicht auf den Mindestlohn nach dem MiLoG angerechnet werden.

Auch wenn die vermögenswirksamen Leistungen von der Arbeitsleistung nicht trennbar sind, unter­scheiden sie sich vom Lohn im eigentlichen Sinne. Da sie durch die Bildung von Vermögen darauf ab­zielen, ein u. a. durch einen finanziellen Beitrag der öffentlichen Hand gefördertes sozialpolitisches Ziel zu verwirklichen, können sie für die Anwendung der Richtlinie 96/71 nicht als Komponente des üb­lichen Verhältnisses zwischen der Arbeitsleistung und der hierfür vom Arbeitgeber zu erbringenden finan­ziellen Gegenleistung angesehen werden.

Entsendezulage

Die EU‐Entsenderichtlinie bestimmt, dass der Arbeitgeber die Unter­brin­gungs‑ und Verpflegungskosten zu tragen hat, wenn er Arbeitnehmende zur Erbringung von Dienst‑ oder Werkleistungen aus dem Herkunftsstaat in ein anderes Land entsendet, da diese Sachbezüge untrennbar mit der Entsendung verbunden sind. Ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland beschäftigt einen Arbeitnehmer auch dann im Inland, wenn er ihn oder sie einem Entleiher mit Sitz im Ausland oder im Inland überlässt und der Entleiher den Arbeitnehmer im Inland beschäftigt.

Erhält der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber mit Sitz im Ausland eine Zulage für die Zeit der Arbeits­leistung im Inland (Entsendezulage), kann diese auf die Entlohnung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 angerechnet werden. Dies gilt nicht, soweit die Entsendezulage zur Erstattung von Kosten gezahlt wird, die infolge der Entsendung tatsächlich entstanden sind (Entsendekosten). Als Entsendekosten gelten insbesondere Reise‑, Unterbringungs‑ und Verpflegungskosten. Legen die für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeits­bedingungen nicht fest, welche Bestandteile einer Entsendezulage als Erstattung von Entsende­kosten gezahlt werden oder wel­che Be­stand­teile einer Entsendezulage Teil der Entlohnung sind, wird unwiderleglich vermutet, dass die gesamte Entsendezulage als Erstattung von Entsendekosten gezahlt wird.

☆ ☆ ☆
Anzurechnendes bzw. nicht anzurechnendes Arbeitsentgelt
Entgeltzahlung Mindestlohnwirksam

Anwesenheitsprämien

Zulagen und Prämien, mit denen die regelmäßig und dauerhaft vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vergütet wird (z. B. Anwesenheitsprämien) und sonstige Zulagen, die zum Beispiel zur Erreichung eines Mindestlohns regelmäßig gewährt werden.

ja

Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung

nein

Dienstkleidung

nein

Einmalzahlungen

(abhängig vom Zweck der Zahlung)

Bei Urlaubs‑ und Weihnachtsgeld ist nach der vertraglichen Gestaltung zu differenzieren, Ein ›echtes‹ Urlaubsgeld, das für jeden genommenen Urlaubstag gezahlt wird, stellt kein Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung dar und ist deshalb auch nicht berücksichtigungsfähig.

Wenn ein Weihnachts‑ oder Urlaubsgeld allein aus Zwecken der Entlohnung von Betriebstreue gezahlt wird und etwa an eine Stichtagsregelung gekoppelt ist, stellt es ebenfalls kein Entgelt im engeren Sinne dar und ist deshalb auch nicht berücksichtigungsfähig.

Wird ein Weihnachts‑ oder Urlaubsgeld als echtes 13. Monats­gehalt gezahlt und wird es anteilig im jeweiligen Referenzzeitraum, also in jedem Kalendermonat, zu 1/12 zur Auszahlung gebracht, kann es als Entgelt im engeren Sinne beim Mindestlohn berücksichtigt werden.

Eine einmalige jährliche Zahlung von Weihnachtsgeld im Dezember kann nur auf den Mindestlohn im November angerechnet werden, da die Fälligkeiten der Mindest­lohn­zahlungen von Januar bis Oktober bereits abgelaufen sind. Ein etwaiger Überschuss, also ein Betrag, der nicht benötigt wird, um den Mindestlohnanspruch zu erfüllen, kann jedoch in nachfolgenden Zeiträumen angerechnet werden.

j
n

Entsendezulage

(abhängig vom Zweck der Zahlung)
Legen die für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeits­bedin­gungen nicht fest, welche Bestandteile einer Entsendezulage als Erstattung von Entsendekosten (Reise‐, Unterbringungs‐ und Verpflegungskosten) gezahlt werden oder welche Bestand­teile einer Entsende­zu­lage Teil der Entloh­nung sind, wird unwiderleglich vermutet, dass die gesamte Entsende­zu­lage als Erstattung von Entsendekosten gezahlt wird.

j
n

Erstattung betrieblich veranlasster Aufwendungen

nein

Funkzulage

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Revision zugelassen (10 AZR 210/16).

nein

Gefahrenzulagen

ja

Leergutprämien

ja

Leistungen Dritter

nein

Nachtzuschläge

nein

Provisionszahlungen

wenn sie nicht zurückgefordert werden können

ja

Sachbezüge

(z. B. Dienstwagen, Unterkunft, Verpflegung, Mobiltelefon)

Ausnahme Saisonarbeitnehmer

nein

Sauberkeitsprämie

ja

Schichtzulagen

ja

Schmutzzulagen

ja

Sonn‑ und Feiertagszuschläge

ja

Treue‑ oder Halteprämien

nein

Überstundenzulagen

ja

Verbilligter Personaleinkauf

nein

Verkehrsmittelzulage

ja

Vermögenswirksame Leistungen

nein

Wechselschichtzulage

Die Wechselschichtzulage wird als Ausgleich für Arbeit unter besonderen Bedingungen gewährt und ist nicht auf den Mindestlohn anrechenbar, da die Bundesregierung diese im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich als nicht anrechnungs­fähig angesehen hat.

nein

SVMWIndex k6s3a5

Aufzeichnungspflichten (Dokumentationspflichten)

Leitsatz
  1. Der Arbeitgeber hat die geleisteten Arbeitsstunden zu dokumentieren und in deutscher Sprache bereit zu halten.

Um sicherzustellen, dass der Mindestlohn tatsächlich für jede Arbeitsstunde bezahlt wird, hat der Gesetzgeber Aufzeichnungs‑ bzw. Dokumentationspflichten vorgesehen.

Keine Aufzeichnungspflichten

Bei folgenden Personen sind Aufzeichnungen entbehrlich:

  • Arbeitnehmer mit einem verstetigten monatlichen Arbeitsentgelt
  • Mitarbeitende Ehegatten
  • Eingetragene Lebenspartner
  • Kinder und Eltern des Arbeitgebers
Verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt

Eine Aufzeichnungspflicht nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG besteht dann nicht, wenn der jeweilige Arbeitnehmer ein verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt von über 2.958 Euro brutto erhält. Diese Schwelle ist zum 1. August 2015 um eine neue Schwelle von 2.000 Euro brutto ergänzt worden. Die neue Schwelle greift jedoch nur dann, wenn der betreffende Arbeitnehmer das Gehalt von über 2.000 Euro brutto als verstetigtes Arbeitsentgelt bereits in den letzten 12 Monaten von dem gleichen Arbeit­geber hat. Für geringfügig entlohnte Beschäftigte (Minijobber) muss die tägliche Arbeitszeit nach wie vor branchenunabhängig aufgezeichnet werden. Schwellenwerte bezüglich der Dokumenta­tions­pflicht gibt es hier nicht.

Mitarbeitende Familienangehörige

Ebenfalls entbehrlich sind Arbeitszeitaufzeichnungen nach dem MiLoG und dem AEntG für im Betrieb des Arbeitgebers im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses arbeitende Ehegatten, eingetragene Lebens­partner, Kinder und Eltern des Arbeitgebers. Diese Ausnahme gilt auch für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung von engen Familienangehörigen des Arbeitgebers.

Ist der Arbeitgeber eine juristische Person oder eine rechts­fähige Personengesellschaft, so kommt es auf das Bestehen einer entspre­chen­den verwandt­schaft­lichen Beziehung zu dem vertretungs­be­rech­tigten Organ der juristischen Person oder einem Mit­glied eines solchen Organs oder einem vertre­tungs­berechtigten Gesellschafters der rechtsfähigen Per­sonengesellschaft an.

Familienangehörige, bei denen ein Arbeitsverhältnis nicht vorliegt, sondern die lediglich aufgrund ihrer familiären Beziehung im Betrieb mitarbeiten, sind keine Arbeitnehmer und unterfallen damit nicht dem MiLoG oder dem AEntG und den dort geregelten Aufzeichnungspflichten.

Unterlagen, die als Nachweis für die Befreiungsmöglichkeit dienen, sind im Inland in deutscher Spra­che bereit zu halten.

☆ ☆ ☆
Dokumentationspflicht nach dem MiLoG

Die Dokumentationspflicht gilt nach § 17 MiLoG generell nur für geringfügig Beschäftigte (Ausnahme: Minijobber im privaten Bereich) und bestimmte Wirtschaftsbereiche, in denen eine besondere Miss­brauchs­gefahr besteht. § 17 Abs. 1 MiLoG verweist diesbezüglich auf die in § 2a SchwarzArbG ge­nann­ten Branchen. Diese ent­sprechen den in § 28a Abs. 4 SGB IV der Sofortmeldepflicht unterliegenden Branchen.

Sofortmeldung → Betroffene Wirtschaftsbereiche

Für jeden Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit zu erfas­sen, nicht jedoch die exakte Lage und Dauer der einzelnen Pausen. Auch wenn keine Abwei­chungen aufgetreten sind, ist dies formlos zu dokumentieren.

Die gleichen Aufzeichnungspflichten hat auch jeder Entleiher, der von einem Verleiher überlassene Ar­beit­nehmer tätig werden lässt, unabhängig davon, ob dieser seinen Sitz im Inland oder im Ausland hat.

Aufzeichnungspflicht (Stunden)

Zu erfassende Daten

↙ ↓ ↘

Beginn der Arbeitszeit
(für jeden Arbeitstag)

Ende der Arbeitszeit
(für jeden Arbeitstag)

Dauer der Arbeitszeit
(tägliche Arbeitsstunden)


Pausenzeiten gehören nicht zur Arbeitszeit, sind also herauszurechnen; die konkrete Dauer und Lage der jeweiligen Pausen müssen jedoch nicht aufgezeichnet werden. Für die Erfas­sung kann auch die BMAS‐App ›einfach erfasst‹ genutzt werden.

Neben den Aufzeichnungspflichten nach dem Mindestlohngesetz kann es noch branchenspezifische Aufzeichnungspflichten der täglichen Arbeitszeit geben, wenn z. B. ein Branchenmindestlohn gezahlt werden muss.

Vor‑ und Nachbereitungszeiten

    Insbesondere sind dies Zeiten, die die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer jeweils ein­schließlich der hierfür erforderlichen innerbetrieblichen Wegezeiten benötigt für

  1. das Auf‑ und Abrüsten von Arbeitsmitteln einschließlich der Entgegennahme und des Ab­ge­bens der Arbeitsmittel (Rüstzeiten),

  2. das An‑ oder Ablegen der Arbeitskleidung einschließlich der Entgegennahme und des Ab­ge­bens der Arbeitskleidung (Umkleidezeiten), wenn das Tragen einer bestimmten Arbeits­klei­dung vom Arbeitgeber angeordnet wird oder gesetzlich vorgeschrieben ist und das Um­klei­den im Betrieb erfolgt, und

  3. das Waschen vor Beginn oder nach Beendigung der Arbeit (Waschzeiten), wenn das Wa­schen aus hygienischen oder gesundheitlichen Gründen notwendig ist.

Vereinfachte Arbeitszeitaufzeichnung (mobile Tätigkeit)

Die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV) sieht für bestimmte Arbeitgeber eine verein­fachte Arbeitszeitaufzeichnung vor, indem lediglich die Dauer der täglichen Arbeitszeit festgehalten werden muss. Die Aufzeichnung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit entfällt im Anwen­dungs­bereich der Verordnung.

Vereinfachte Arbeitszeitaufzeichnung bei ausschließlich mobiler Tätigkeit

Ausschließlich mobile Tätigkeit
kumulative Voraussetzungen

↓ ↓

Beginn und Ende der Tätigkeit
keine konkreten Vorgaben

Tägliche Arbeitszeit
eigenverantwortliche Einteilung

Vereinfachten Arbeitszeitaufzeichnung
  • Bei einer ausschließlich mobilen Tätigkeit handelt es sich um eine Tätigkeit, die nicht an Be­schäf­tigungsorte gebunden ist. Eine ausschließlich mobile Tätigkeit liegt insbesondere bei der Zustellung von Briefen, Paketen und Druckerzeugnissen, der Abfallsammlung, der Straßen­reinigung, dem Winter­dienst, dem Gütertransport und der Personenbeförderung vor.

  • Arbeitnehmer unterliegen keinen Vorgaben zur konkreten täglichen Arbeitszeit, wenn die Arbeit ledig­lich innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens geleistet werden muss, ohne dass der Arbeitgeber konkret Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit festlegt.

  • Eine eigenverantwortliche Einteilung der Arbeitszeit liegt vor, wenn Arbeitnehmer während ihrer täg­lichen Arbeitszeit regelmäßig nicht durch ihren Arbeitgeber oder Dritte Arbeitsauf­träge entgegen­nehmen oder für entsprechende Arbeitsaufträge zur Verfügung stehen müs­sen. Die zeit­liche Aus­füh­rung des täglichen Arbeitsauftrages muss in der Verantwortung der Arbeit­neh­mer selber liegen.

  • Arbeitgeber und Verleiher mit Sitz im Ausland
    Nach § 16 MiLoG sind Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und Entleiher, die einen Leiharbeitnehmer eines Verleihers mit Sitz im Ausland beschäftigen, in bestimmten Branchen, darunter im Trans­portgewerbe, verpflichtet, vor Beginn jeder Werk‑ oder Dienstleistung eine schriftliche Meldung an die Zollverwaltung (Generalzolldirektion, Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Direktion VII) zu richten. Dabei sind alle in Deutschland eingesetzten Arbeitnehmer und der jeweilige Beginn und die voraussichtliche Dauer der Beschäftigung zu melden sowie weitere Angaben zu machen. Aufgrund der Bestimmungen in der Mindestlohnmeldeverordnung genügt es, wenn der Arbeitgeber eine Einsatzplanung bei der Zoll­ver­waltung vorgelegt. In der Einsatzplanung haben Arbeitgeber mit Sitz im Ausland sowie Entleiher ihre bereits bekannten Aufträge für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten anzugeben. Kann er einen derart langen Zeitraum nicht planen, sind auch für kürzere Zeiträume Einsatzplanungen möglich.

Kein Formzwang für die Erfassung der Daten

Es gibt seitens des Gesetzgebers (mit Ausnahme in der Fleischwirtschaft) grundsätzlich keine Vorgaben, wie die Dokumentation der Arbeitszeit zu erfolgen hat. Der Arbeitgeber hat lediglich sicherzustellen, dass die Aufzeichnungen korrekt vorgenommen werden. Es ist somit egal, ob die Aufzeichnungen handschriftlich oder maschinell geführt werden. Die Angaben können z. B. in Papier­form, elektronisch mit Hilfe von Excel oder auch über elektronische Zeiterfassungssysteme erfolgen. Unterschriften des Arbeitgebers oder des Arbeitgebers sind nicht erfor­derlich. Die Arbeits­zeiten sind spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Ar­beits­leistung folgenden Kalendertages auf­zuzeichnen.

Sofern für die einzelnen Arbeitnehmer bereits Planungen (z. B. Wochenpläne zu Einsatzzeiten und ‑orten) bestehen, die Beginn und Ende sowie Pausenzeiten oder die Pausendauer vorsehen, kann die Aufzeichnung der Arbeitszeit auch auf Grundlage dieser Planungen erfolgen. Es muss allerdings erkennbar sein, ob es zu Abweichungen gekommen ist. Diese wären ggf. zu ergänzen. Auch wenn keine Abweichungen aufgetreten sind, ist dies formlos zu dokumentieren.

Arbeitgeber und Entleiher in der Fleischwirtschaft

Seit dem 1. Januar 2021 gilt in der Fleischwirtschaft die Pflicht der taggenauen elektronischen und manipulationssicheren Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit. Zudem sind diese Aufzeichnungen elektronisch aufzubewahren.

Die Manipulationssicherheit der Aufzeichnungen bezieht sich auf den Schutz vor inhaltlich falschen oder nachträglich geänderten Eingaben durch den Arbeitgeber oder dessen Personal selbst. Es muss ausgeschlossen sein, dass die Aufzeichnung aus der Sphäre des Arbeitgebers in einer Weise verändert wird, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Folglich muss stets ersichtlich sein, ob ursprünglich erfasste Daten zu einem späteren Zeitpunkt verändert worden sind. Durch die elek­tronische Aufzeichnung muss sichergestellt sein, dass diese nicht ohne Kenntlichmachung über­schrieben, gelöscht oder geändert werden können. Händische Arbeitszeitaufzeichnungen sowie auch die manuelle Eingabe in eine digitale Anwendung (z. B. in ein Tabellenkalkulationsprogramm) werden diesen Vorgaben nicht gerecht. Die Manipulationssicherheit umfasst nicht manipulative Eingriffe von außen durch Dritte z. B. durch einen Hackerangriff.

Arbeitgeber und Entleiher in der Fleisch­wirtschaft sind verpflichtet, den Beginn der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer sowie Leiharbeit­nehmer jeweils unmittelbar bei Arbeitsaufnahme sowie Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit jeweils am Tag der Arbeitsleistung aufzuzeichnen. Die tägliche Arbeitszeit umfasst auch Zeiten, die die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer für Vor‑ und Nach­bereitungshandlungen im Betrieb benötigt, soweit diese fremdnützig sind. Auch bei Zeiten für außerhalb des Betriebs erfolgender Vor‑ und Nachbereitungshandlungen kann es sich um Arbeitszeit handeln. Pauschalierte Zeitansätze entsprechen nicht dem gesetzlichen Erfordernis.

Die Vorschriften des § 6 GSA Fleisch gelten nicht für Betriebe des Fleischerhandwerks im Sinne des § 2 Abs. 2 GSA Fleisch. Für diese Betriebe finden derzeit die (Aufzeichnungs‐) pflichten nach dem Min­dest­lohngesetz Anwendung.

Fleischerhandwerk im Sinne des GSA‐Fleisch
  1. Unternehmen der Fleischwirtschaft, die ihre Tätigkeiten nach § 1 Abs. 2 der Handwerks­ordnung handwerksmäßig betreiben und in die Handwerksrolle des zulassungspflichtigen Handwerks oder in das Verzeichnis des zulassungsfreien Handwerks oder handwerksähn­lichen Gewerbes eingetragen sind

  2. Unternehmen der Fleischwirtschaft, die juristische Personen oder rechtsfähige Personenge­sell­schaften sind, deren Mitglieder oder Gesellschafter ausschließlich Unternehmen in diesem Sinne sind.

  3. Dabei muss es sich um Unternehmen handeln, die in der Regel nicht mehr als 49 Personen tätig werden lassen. Ein ›Tätigwerden lassen‹ liegt vor, wenn die Person auf Veranlassung des Unternehmers zur Erreichung seines Betriebszwecks tätig wird (nicht aber, wenn die Person aufgrund anderer Veranlassung tätig wird, z. B. Amtstierarzt).

    Bei der Bestimmung der Anzahl der in der Regel tätigen Personen sind auch die bei Nach­unternehmen tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Leiharbeitnehmerinnen und Leih­arbeitnehmer sowie Selbstständige mitzuzählen. Nicht berücksichtigt werden bei der Zählung Personen, die ausschließlich mit dem Verkauf und damit in unmittelbarem Zu­sam­menhang stehenden Tätigkeiten (z. B. Schneiden von Wurst, Abwiegen oder Verpacken direkt auf Anforderung des Endverbrauchers im Verkaufsbereich des Ladengeschäfts) be­fasst sind.

    Nicht berücksichtigt werden Auszubildende in der Ausbildung zum Fachverkäufer oder zur Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk mit Schwerpunkt Fleischwirtschaft. Ebenso nicht zu berücksichtigen sind Personen, die nur kurzzeitig tätig werden.

Dokumentationspfichten nach § 19 AEntG

Soweit Arbeitsbedingungen auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, deren Einhaltung nach § 16 AEntG von den Behörden der Zollverwaltung kontrolliert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und, soweit stundenbezogene Zuschläge zu gewähren sind, unter Angabe des jeweiligen Zuschlags Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit, die einen Anspruch auf den Zuschlag begründet, spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. Dies gilt entsprechend für einen Entleiher, dem ein Verleiher einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin oder mehrere Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen zur Arbeitsleistung überlässt.

Illegale Beschäftigung → Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen

Bereithaltung von Unterlagen

Arbeitgeber mit Sitz im Inland und Arbeitgeber mit Sitz im Ausland haben die für die Prüfung der Einhaltung der Arbeitsbedingungen nach dem MiLoG, dem AEntG und dem AÜG erforderlichen Unter­lagen in Deutschland und in deutscher Sprache für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Arbeitnehmer, mindestens für die Dauer der gesamten Werk‑ oder Dienstleistung, insgesamt jedoch nicht länger als zwei Jahre, bereitzuhalten. Auf Verlangen der Prüfbehörde sind die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung vorzuhaltende Unterlagen
  • Arbeitsvertrag bzw. die Dokumente, aus denen sich die wesentlichen Inhalte des Beschäftigungsverhältnisses ergeben;

  • Arbeitszeitnachweise;

  • Lohnabrechnungen;

  • Nachweise über erfolgte Lohnzahlungen.


Soweit sich Arbeitgeber auf eine Arbeitszeitflexibilisierung berufen wollen, müssen zusätzlich zu den üblichen Prüfunterlagen weitere Unterlagen in Deutschland bereitgehalten werden:

  • Schriftliche Vereinbarung über Arbeitszeitflexibilisierung,

  • Ausgleichskonto (für jeden Arbeitnehmer), gegebenenfalls getrennte Stundenauf­zeich­nungen neue Bundesländer/alte Bundesländer und

  • Nachweis über Absicherung des Ausgleichskontos (z. B. Bankbürgschaft, Sperrkonto), soweit nach Tarifvertrag oder Rechtsverordnung erforderlich.

    Wertguthabenvereinbarungen und andere Formen flexibler Arbeitszeitmodelle


Werden darüber hinaus ggf. weitere Unterlagen benötigt, sind diese der Prüfbehörde eben­falls unverzüglich zur Einsicht zur Verfügung zu stellen.

Bei mobilen Tätigkeiten im Sinne von § 2 Abs. 4 Mindestlohnmeldeverordnung (MiLoMeldV) dürfen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland Unterlagen auch im Ausland bereithalten, wenn sie schriftlich versichert haben, dass sie diese Unterlagen auf Anforderung der Behörden der Zollverwaltung für die Prüfung in deutscher Sprache in Deutschland bereitgestellt werden. Diesen Unterlagen sind auch Angaben zu den im gemeldeten Zeitraum tatsächlich erbrachten Werk‑ oder Dienstleistungen sowie den jeweiligen Auftraggebern beizufügen.

Aufbewahrungsfristen

Der Arbeitgeber hat die Unterlagen zu den Lohnunterlagen zu nehmen und für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers, mindestens für die Dauer der gesamten Werk‑ oder Dienstleistung, insgesamt jedoch nicht länger als zwei Jahre, bereitzuhalten. Auf Verlangen der Prüf­behörde sind die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten.

SVMWIndex k6s3a6

Sanktionen

Leitsatz
  1. Die Nichteinhaltung der Mindestlohnregelungen stellt einen Bußgeldtatbestand nach dem AEntG dar.

Ein Arbeitgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass er laufend über die Geltung eines für seinen Betrieb maßgebenden Tarifvertrages informiert ist. Er hat sich auch regelmäßig über eventuelle tarifrechtliche Änderungen zu informieren.

Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung ist im Verhältnis zu den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die ohne diese Erklärung nicht tarifgebunden wären, ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autono­mer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine eigenständige Rechtsgrundlage in Art. 9 Abs. 3 GG findet.

Überwachung der Pflichten nach dem MiLoG durch die Zollverwaltung

Gemäß § 14 MiLoG ist die Zollverwaltung für die Prüfung zuständig, ob der Arbeitgeber die ihm nach § 20 MiLoG obliegenden Pflichten eingehalten hat.

Der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) ist in § 17 AEntG die Aufgabe zugewiesen, die Einhaltung der vom AEntG erfassten Mindestlohnregelungen zu überwachen.

Nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer

Gemäß § 1 MiLoMeldV sollen Arbeitgeber die Anmeldungen ihrer nach Deutschland entsandten Arbeit­nehmer mit Hilfe des Meldeportals‐Mindestlohn online abgeben. Das gleiche gilt für Entleiher, die von einem Verleiher mit Sitz im Ausland überlassene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig werden lassen. Die Abgabe der Anmeldungen per Fax ist nicht mehr möglich.

Die Nutzung des Meldeportal‐Mindestlohn bedarf einer einmaligen Registrierung zur Erstellung eines Benut­zer­kontos. Das Meldeportal‐Mindestlohn kann über www.meldeportal‐mindestlohn.de aufgerufen werden. Es besteht die Möglichkeit, Daten mehrerer Arbeitnehmer mit Hilfe einer Datei gleichzeitig hochzuladen.

Nützliche Internet‐Direktverbindungen → Meldeportal‐Mindestlohn

Informationspflicht des Rentenversicherungsträgers

Bei Verstößen gegen den im MiLoG festgelegten Mindestlohn hat der prüfende Rentenversicherungs­träger eine Informationspflicht gegenüber den Zollbehörden. Bei Verstößen im Bereich der allgemein­verbindlichen Tarifverträge besteht hingegen keine Informationspflicht.

Bußgeldtatbestand

Die Nichteinhaltung der Mindestlohnregelungen stellt einen Bußgeldtatbestand nach dem AEntG dar. Die Regelungen zu den Arbeitgeberpflichten, den Kontrollmöglichkeiten und zu den Ordnungswidrig­keiten orientieren sich streng an den entsprechenden Bestimmungen des Arbeitnehmer‐Entsende­ge­setzes.

Nicht nur die Nichtzahlung des Mindestlohns, sondern auch die Vereitelung bzw. Erschwerung von Prüfmaßnahmen, das Nichtführen von Aufzeichnungen und die Verletzung von Melde­pflichten mit einer Geldbuße geahndet werden. Wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 MiLoG eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder nicht oder nicht mindestens zwei Jahre aufbewahrt handelt ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einem Bußgeld bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Die Einhaltung der Dokumentationspflichten kontrolliert der Zoll.

Zudem sieht § 13 MiLoG durch Verweis auf das Arbeit­nehmer‐Entsendegesetz eine ›Auftrag­geber­haftung‹ vor. Das schuldhafte Nichtwissen über die Ver­letzung der Pflicht zur Zahlung des Mindest­lohns auf Subunter­neh­merseite stellt ebenfalls eine buß­geldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar.

Erhebung von Säumniszuschlägen

Bei Beitragsnachforderungen, die auf einer Unterschreitung des im MiLoG festgelegten Mindestlohns beruhen, hat der prüfende Rentenversicherungsträger grundsätzlich Säumniszuschläge zu er­heben.

Bei einer Nichtbeachtung des gesetzlichen Mindestlohns oder der Nichtbeachtung der Allgemeinver­bind­lichkeitserklärung eines Tarifvertrags dürfte es für den Arbeitgeber äußerst schwierig sein, eine unver­schuldete Unkenntnis im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV glaubhaft zu machen.

Beiträge anlässlich rückwirkender Erhöhungen aufgrund von Allgemeinverbindlich‐Erklärungen nach § 5 TVG oder aufgrund des Erlasses einer Rechtsverordnung nach § 7AEntG sind bis zum Ablauf des Kalen­dermonats nach dem Monat der Bekanntgabe zu zahlen. Bei späterer oder unterlassener Beitrags­zah­lung werden Säumniszuschläge mit Ablauf des Kalendermonats der Bekanntgabe erhoben.

Der Säumniszuschlag in der SV → Nichtbeachtung des gesetzlichen oder tarifvertraglichen Mindestlohns

SVMWIndex k6s3a7

Sittenwidrigkeit (Lohnwucher)

Leitsatz
  1. Unabhängig vom Mindestlohn verbleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung zum sitten­widrig geringen Entgelt.

Neben dem Mindestentgelt nach § 1 MiLoG bildet die auch weiterhin Sittenwidrigkeit eine maßgebende Untergrenze der Vergütung.

Eine arbeitsvertragliche Entgeltvereinbarung verstößt gegen den strafrechtlichen Wuchertatbestand des § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB und die guten Sitten im Sinne von § 138 BGB, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt.

Zahlt der Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn, so kann es sich hierbei gleichwohl um eine ›sittenwidrige Lohnabrede‹ handeln. Eine allgemeine untere Grenze für die Festsetzung des Arbeits­entgelts ergibt sich nämlich auch aus dem Verbot sittenwidriger Lohnvereinbarungen. Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögens­vorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Die Regelung gilt auch für das auffällige Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis.

Maßgebend ist nicht allein der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Vielmehr kann eine Entgeltver­ein­barung auch nachträglich wucherisch werden, wenn sie nicht an die allgemeine Lohnent­wicklung angepasst wird.

Auffälliges Missverhältnis

Ob der Wert der Arbeitsleistung in einem auffälligen Missverhältnis zur versprochenen Vergütung steht, kann nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vom Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung und des vom Arbeitgeber dafür zu zahlenden Entgelts beurteilt werden.

Das auffällige Missverhältnis im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Erreicht die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tarifentgelts, liegt eine ganz erhebliche, ohne weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor. Von der Üblichkeit der Tarif­vergütung kann ohne weiteres ausgegangen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen. Es bedarf dann zwar noch der Behauptung der verwerflichen Gesinnung, doch sind an diesen Vortrag keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass die benachteiligte Vertragspartei sich auf die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft. Dasselbe gilt, wenn bei fehlender Maßgeblichkeit der Tarifentgelte die vereinbarte Vergütung mehr als ein Drittel unter dem Lohnniveau bleibt, das sich für die auszuübende Tätigkeit in der Wirtschaftsregion gebildet hat.

Zu vergleichen ist die regelmäßig gezahlte Vergütung mit dem regelmäßigen Tariflohn. Tarifliche Zu­la­gen und Zuschläge für besondere Erschwernisse oder aus bestimmten Anlässen werden ebenso wenig berücksichtigt wie unregelmäßige Zusatzleistungen, die neben der regelmäßigen Arbeitsver­gütung anfallen.

Eine Vergütungsabrede von 300 Euro brutto monatlich für einfache Bürotätigkeiten und Internetre­cher­chen ist nach § 138 Abs. 2 BGB wegen Lohnwuchers nichtig, wenn die Unerfahrenheit der Praktikantin (›ärmliche Verhältnisse‹) und ihre vergebliche Suche nach beruflicher Perspektive ausge­nützt werden und die Arbeitgeberin sich wiederholt des ›Geschäftsmodells Praktikum‹ bedient.

SVMWIndex k6s3a8

Mindestvergütung für neue Ausbildungsverhältnisse ab 2020

Leitsätze
  1. Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 1. Januar 2020 auch eine Mindestvergütung für die Auszubildende eingeführt.

  2. Tarifvertragliche Vergütungsregelungen sind unter gewissen Umständen vorrangig vor der gesetzlichen Mindestvergütung.

Das Mindestlohngesetz gilt nicht für Auszubildende. Damit gilt auch der ab 1. Januar 2015 flächen­deckend eingeführte gesetzliche Mindestlohn nicht für die Höhe der Ausbildungsvergütung.

Um die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der dualen Berufsausbildung erhöhen, hat der Gesetz­geber mit Wirkung zum 1. Januar 2020 auch eine Mindestvergütung für ab 1.  Januar 2020 neu geschlossene Ausbildungsverträge eingeführt, die keiner Tarifbindung unterliegen. Das gilt sowohl für betriebliche als auch für außerbetriebliche Ausbildungen.

Die gesetzliche MAV gilt auch im Rahmen von geförderten außerbetrieblichen Ausbildungen, die auf­grund eines Ausbildungsvertrages nach BBiG durchgeführt werden.

Vorrangigkeit tarifvertraglicher Vergütungsregelungen

Ist der Ausbildende an einen einschlägigen Branchen‐(Ausbildungs‐)Tarifvertrag gebunden und sieht dieser Ausbildungsvergütungshöhen unterhalb der Mindestvergütung vor, ist eine nach § 3 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes geltende tarifvertragliche Vergütungsregelung selbst dann angemessen, wenn die tarifvertragliche Vergütungsregelung die in § 17 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz genannte jeweilige Min­dest­vergütung unterschreitet.

Voraussetzung für die Geltung des Tarifvorrangs ist jedoch, dass der Ausbildende tarifgebunden ist, das heißt er muss Mitglied einer Innung oder eines Arbeitgeberverbandes sein, die/der mit einer Ge­werkschaft – etwa im Rahmen eines Ausbildungstarifvertrags – die Ausbildungsvergütungshöhen wirk­sam tarifvertraglich festgelegt hat. Dieser Tarifvertrag muss für den Ausbildenden einschlägig sein, also den ausbildenden Betrieb räumlich und fachlich bzw. betrieblich erfassen und mit dem Auszu­bildenden ausdrücklich – unter Nennung des konkreten Tarifvertrags und dessen Laufzeit – im Ausbil­dungsvertrag vereinbart werden. Nicht erforderlich ist, dass auch der Auszubildende tarifgebunden ist. Er muss also nicht Mitglied der Gewerkschaft sein, die den einschlägigen Tarifvertrag abgeschlossen hat.

Nach Ablauf des Tarifvertrages gilt dessen Vergütungsregelung für bereits begründete Ausbildungsver­hältnisse weiterhin als angemessen, bis sie durch einen neuen oder ablösenden Tarifvertrag ersetzt wird.

Die Regelung des § 17 Abs. 4 BBiG regelt die Fortgeltung der bisherigen höchstrichterlichen Recht­spre­chung zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung oberhalb der gesetzlichen Mindestausbil­dungs­vergütung. Die Norm bestimmt die Angemessenheit der Ausbildungsvergütungshöhe in den Fällen, in denen das Ausbildungsverhältnis zwar in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags fällt, der Ausbil­dungsvergütungshöhen festlegt, an den der Ausbildende aber nicht gebunden ist. In diesen Fällen darf der Ausbildende die tariflich vereinbarte Ausbildungsvergütungshöhe um nicht mehr als 20 Prozent unterschreiten, er muss also mindestens 80 Prozent der tarifvertraglichen Vergütungshöhe gewähren. Die absolute Untergrenze bildet dabei die Höhe der gesetzlichen Mindestausbildungs­vergütung.

Prozentuale Steigerung

Wer sich bereits in einer Berufsausbildung befindet, profitiert damit nicht von den neuen Regelungen. Für ab 1. Januar 2020 neu geschlossene Ausbildungsverträge, die außerhalb der Tarifbindung liegen, soll die Mindestvergütung ab 1. Januar 2020 im ersten Ausbildungsjahr monatlich 515 Euro betragen. Die Mindestvergütung steigt im Verhältnis zum ersten Ausbildungsjahr im zweiten Jahr um 18 Prozent, im dritten um 35 Prozent und im vierten Ausbildungsjahr um 40 Prozent.

Mindestvergütung für ab 1. Januar 2020 neu geschlossene Ausbildungsverträge
Ausbildungsjahr 2020 2021 2022 2023 2024
Eins 515,00 € 550,00 € 585,00 € 620,00 € 649,00 €
Zwei  (+ 18 Prozent)1) 608,00 € 649,00 € 690,00 € 732,00 € 766,00 €
Drei  (+ 35 Prozent)1) 695,00 € 743,00 € 790,00 € 837,00 € 876,00 €
Vier  (+ 40 Prozent)1) 721,00 € 770,00 € 819,00 € 868,00 € 909,00 €

1) Prozentuale Steigerung im Verhältnis zum ersten Ausbildungsjahr

Der sich ergebende Betrag ist bis unter 0,50 Euro abzurunden und ab 0,50 Euro an aufzurunden.

Teilzeitberufsausbildung

Bei einer Teilzeitberufsausbildung ist die Angemessenheit der Vergütung ausgeschlossen, wenn die pro­zentuale Kürzung der Vergütung höher ist als die prozentuale Kürzung der täglichen oder der wöchent­lichen Arbeitszeit.

Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 3 BBiG ist die Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Berufsausbil­dungszeit auf 50 Prozent begrenzt. Das bedeutet, dass auch die Mindestausbildungsvergütung nach den § 17 Abs. 2 bis 4 BBiG für das jeweilige Ausbildungsjahr höchstens um 50 Prozent gekürzt werden kann.

Eine tarifliche Regelung, nach der sich die Ausbildungsvergütung von Auszubildenden in Teilzeit ent­sprechend der Anzahl wöchentlicher Ausbildungsstunden vergleichbarer Auszubildender in Vollzeit be­rech­net, ist rechtens und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Beispiel

Der Auszubildende hat im Jahre 2023 bei einer reguläre Ausbildungszeit (40‐Stunden‐Woche) einen Anspruch auf eine monatliche Mindestvergütung in Höhe von 620,00 Euro.

Im Rahmen einer Teilzeitausbildung wird die reguläre Ausbildungszeit um 30 Prozent (12 Stun­den) gekürzt.

Bewertung:

Entsprechend darf auch die Vergütungshöhe für das jeweilige Ausbildungsjahr nicht um mehr als 30 Prozent reduziert werden.

620,00 € × 30 % = 186,00 €
Maßgebende Untergrenze: 434,00 € (620,00 € − 186,00 €)
Fortschreibung ab 2024

Die Höhe der Mindestvergütung nach § 17 Satz 1 Nr. 1 BBiG wird zum 1. Januar eines jeden Jahres – erstmals zum 1. Januar 2024 – fortgeschrieben wird durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Bil­dung und Forschung spätestens zum 1. November 2023 bekannt gegeben. Die Fortschreibung ent­spricht dem rechnerischen Mittel der nach § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe g BBiG erhobenen Aus­bildungsvergütungen im Vergleich der beiden dem Jahr der Bekanntgabe vorausgegangenen Kalender­jahre.

SVMWIndex k6s3a9