Auftraggeber und Auftragnehmer können den Vertragstyp frei bestimmen, sofern dadurch nicht gegen zwingende Vorschriften des geltenden Rechts oder gesetzliche Gebote verstoßen wird.
Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächliche Natur der Rechtsbeziehung, geht der formellen Vereinbarung vor.
Die in Deutschland als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Vertragsfreiheit ist die Ausprägung des Grundsatzes der Privatautonomie im deutschen Zivilrecht, die es jedermann gestattet, Verträge zu schließen, die sowohl hinsichtlich des Vertragspartners als auch des Vertragsgegenstandes frei bestimmt werden können, sofern sie nicht gegen zwingende Vorschriften des geltenden Rechts, gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen. Die eigenbestimmte Gestaltung von Rechtsverhältnissen findet ihre Grenzen in der Entfaltungsfreiheit anderer.⚖
Die Vertragsfreiheit besteht darin, beliebige gegenseitige Rechte und Pflichten begründen zu können, ohne an die gesetzlichen Vertragstypen gebunden zu sein. Verträge werden dann wirksam, wenn die Vertragsparteien inhaltlich übereinstimmende und aufeinander bezogene Willenserklärungen abgeben.
Vertragsfreiheit bedeutet jedoch nicht, autonom begründete Rechtsbeziehungen beliebig einem bestimmten gesetzlich vorgegebenen Vertragstypus zuordnen zu können. Wie die Vertragsbeziehung rechtlich zu qualifizieren ist, steht nicht im Belieben der Vertragsparteien. Für die materielle Rechtslage kommt es deshalb nicht entscheidend auf die Bezeichnung des Vertrages oder den Titel des Vertragsverhältnisses an, sondern allein auf den Geschäftsinhalt, also die tatsächliche Durchführung des Vertrages. Die von den Vertragsparteien gewünschte Rechtsfolge kann mithin nur dann eintreten, wenn auch die tatsächliche Durchführung des Vertrages dem gewählten Vertragstypus entspricht.
Entspricht die tatsächliche Durchführung des Vertrages nicht der von den Vertragsparteien gewählten Vertragsbezeichnung, ist die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses allein nach objektiv‐rechtlichen Kriterien vorzunehmen.⚖
Rechtsfigur des Typus → Die Rechtsfigur des ›Typus‹
Basierend auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ist es grundsätzlich auch möglich, dass bei einer entsprechenden Umgestaltung des Geschäftsinhalts von einem Arbeitsverhältnis in ein freies Mitarbeiterverhältnis gewechselt wird. Allerdings muss die Unternehmerentscheidung aus sachlich nachvollziehbaren Gründen erfolgen und darf nicht rechtsmissbräuchlich sein; es darf sich somit nicht nur um die ›Verschleierung‹ eines Arbeitsverhältnisses handeln. Änderungen des Vertragsverhältnisses, die zu einem Wechsel des sozialversicherungsrechtlichen Status führen, werden im Rahmen einer Sozialversicherungsprüfung regelmäßig einer näheren Betrachtung unterzogen.
Im Rahmen eines ggf. nach Beendigung der Vertragsbeziehung vom Arbeitnehmer geführten Kündigungsschutzprozesses hätte dieser die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.⚖
SVMWIndex k1s2a1
Nicht die Bezeichnung des Vertrages, sondern der wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp.
Die objektive Vertragstypenzuordnung erfolgt mittels einer typologischen Gesamtschau der die Leistung prägenden Merkmale.
Jedes am Rechtsverkehr teilnehmende Unternehmen muss seine Betriebspflichten lückenlos aus allen verfügbaren Rechtsquellen ermitteln. Auf eine etwaige fehlende Kenntnis von Gesetzen oder einschlägiger Rechtsprechung kann sich der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich nicht berufen. Im Rahmen seiner Organisationspflichten muss sich der Arbeitgeber in Bezug auf den Aufbau des Betriebes und der Abläufe innerhalb des Unternehmens organisatorisch so einrichten, dass er dem Grunde nach in der Lage ist, allen seinen rechtlichen Verpflichtungen nachkommen zu können.
Das bedeutet vor allem, dass der Arbeitgeber Personen auswählt und einsetzt, die auch tatsächlich zur Erfüllung der Betriebspflichten in der Lage sind und reagiert, wenn die Kenntnis‑ und Wissenslage im Unternehmen entsprechende organisatorische Änderungen erforderlich machen. Der Arbeitgeber muss zudem sicherstellen, dass die Repräsentanten des Unternehmens, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die rechtserheblichen Informationen an die betrieblichen Entscheidungsträger weiterleiten, damit diese sie auch zur Kenntnis nehmen können. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber sein Personal in einer gewissen Regelmäßigkeit überprüfen und bei Mängeln für Abhilfe sorgen.⚖ Durch diese Verpflichtungen soll verhindert werden, dass sich ein Arbeitgeber durch die Auswahl offensichtlich ungeeigneten Personals oder der bewussten Abkehr oder Nichteinrichtung von Kommunikationswegen, bewusst ›rechtsblind‹ macht, um damit rechtliche Konsequenzen aus der Nichtbeachtung der Betriebspflichten (z. B. die Erhebung von Säumniszuschlägen) zu verhindern.
Die Nichterfüllung von Verkehrssicherungspflichten, Verletzung von Organisationspflichten oder Nichterfüllung sonstiger erforderlicher Maßnahmen im Rahmen der betrieblichen Organisation wird als ›Organisationsverschulden‹ bezeichnet. Die Rechtsfigur des ›Betrieblichen Organisationsverschuldens‹ wurde von der Rechtsprechung entwickelt und ist ein Unterfall der unerlaubten Handlung.⚖
Organisationsverschulden |
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Selektionsverschulden |
Anweisungsverschulden |
Überwachungsverschulden |
Organisationsbedingte Fehler, bei denen es zu einer Haftung aufgrund eines betrieblichen Organisationsverschuldens kommen kann:
Selektionsverschulden
Das Unternehmen ist bei der Personalauswahl nicht sorgsam und delegiert bestimmte Aufgaben und/oder Verantwortung an einen Mitarbeiter, der hierfür nicht geeignet oder qualifiziert ist.
Anweisungsverschulden
Das Unternehmen versäumt es, erforderliche Anweisungen zur Wahrnehmung bestimmter Arbeitsaufgaben zu erteilen oder die Anweisungen sind nicht vollständig bzw. enthalten Fehler (sogenanntes ›Anweisungsverschulden‹).
Überwachungsverschulden
Das Unternehmen überwacht die betrieblichen Abläufe und die Ausführung delegierter Aufgaben und Verantwortung nicht ausreichend oder gar nicht.
Zur Vermeidung eines betrieblichen Organisationsverschuldens sollte jeder Arbeitgeber für seinen Betrieb eine Compliance‐Strategie entwickeln und ein Compliance‐Management‐System einrichten. ›Compliance‹ ist die betriebswirtschaftliche und rechtswissenschaftliche Umschreibung für die Regeltreue von Unternehmen, also die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und freiwilligen Kodizes. ›Compliance‹ betrifft also nicht nur Fragen der Korruption, sondern umfasst die Gesamtheit aller Maßnahmen, um das rechtmäßige Verhalten der Unternehmen, der Organmitglieder und der Mitarbeiter im Blick auf alle gesetzlichen Gebote und Verbote, sowie sämtlicher unternehmensinternen Richtlinien zu gewährleisten.
Zentrale Bestandteile eines effektiven Compliance‐Managements sind die Festlegung klarer Verantwortungs‑ und Zuständigkeitsbereiche sowie eine Kontrolle der eingeleiteten Maßnahmen. Um das Risiko von Rechtspflichtverletzungen zu minimieren, sollte das Unternehmen sein Personal sorgsam auswählen, rechtserhebliche Informationen einholen und weitergegeben und die Abläufe im Unternehmen so organisieren, dass über nachvollziehbare Verantwortlichkeiten das Risiko von Rechtsverstößen weitestgehend eingegrenzt wird. Zudem sollte das Unternehmen sein Personal in regelmäßigen Abständen auf ihre Eignung hin überprüfen, bei Mängeln für Abhilfe sorgen und über die Einrichtung und Nachhaltigkeit von Kommunikationswegen ein gesetzeskonformes Verhalten zu gewährleisten. Insoweit handelt es sich um das präventive Element von Compliance.
Zur Verhinderung von sozialversicherungsrechtlichen ›Scheinselbständigkeiten‹ sollte im Compliance‐Management‐System auch der Hinweis auf die Möglichkeit des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV für ›objektive Zweifelsfälle‹ implementiert sein.
Anfrageverfahren → Clearingstelle
Verstöße gegen sogenannte ›Compliance‐Standards‹ und das damit einhergehende Organisationsverschulden führen nicht selten zu strafrechtlicher Verantwortlichkeit von Managern. Der Bundesgerichtshof hat jedoch das Vorhandensein eines effizienten Compliance‐Management‐Systems als strafmindernd bewertet.⚖ Wurden in der Folge einer Normverletzung entsprechende Regelungen optimiert und die betriebsinternen Abläufe so gestaltet, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden, ist von einem Organisationsverschulden grundsätzlich nicht auszugehen. Ein funktionierendes und adäquat dokumentiertes Compliance‐Management‐System kann somit dazu beitragen, die Annahme eines betrieblichen Organisationsversagens und damit auch den Verdacht einer bewussten Zuwiderhandlung zu entkräften.
Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre.⚖ Der Bußgeldtatbestand des § 130 Abs. 1 OWiG gestattet den deutschen Justizbehörden neben Straftaten auch eine Aufsichtspflichtverletzung und ein Organisationsverschulden aufzuklären.
SVMWIndex k1s2a2
Im Rahmen eines freien Dienstvertrages führt der Dienstverpflichtete die geschuldeten Dienste unter eigener Verantwortung und nach eigenem Plan aus.
SVMWIndex k1s2a3
Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab.
Liegt nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen ein Arbeitsverhältnis vor, ist regelmäßig auch von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Sozialversicherungsrechts auszugehen.
Im Regelfall wird ein Arbeitsverhältnis durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen. Ein tarifliches Schriftformgebot für den Abschluss von Arbeitsverträgen hat aber regelmäßig keine konstitutive Bedeutung. Ein Arbeitsvertrag kann trotz Schriftformgebots auch durch das übereinstimmende, schlüssige Verhalten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber entstehen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft bereitstellt und der Arbeitgeber ihn in die Arbeitsorganisation seines Betriebes eingliedert. Arbeitnehmer und Arbeitgeber erklären in diesem Fall ›konkludent‹ Angebot und Annahme des Arbeitsvertrags.⚖ Soweit die Vertragsbedingungen wesentlich sind, richtet sich ihr Nachweis nach den Bestimmungen des Nachweisgesetzes.⚖
Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben am 20. Juni 2019 die Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (›Arbeitsbedingungenrichtlinie‹) veröffentlicht. Die Arbeitsbedingungenrichtlinie wird im Wesentlichen durch Änderungen des Nachweisgesetzes (NachweisG) umgesetzt.
Die neuen Nachweispflichten gelten unmittelbar gegenüber allen Arbeitnehmern, die ihr Beschäftigungsverhältnis ab dem 1. August 2022 beginnen. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bereits vorher bestanden hat, können vom Arbeitgeber verlangen, dass Ihnen die im NachweisG genannten wesentlichen Arbeitsbedingungen innerhalb von einer Woche ausgehändigt werden.
Der Katalog der Nachweispflichten für die wesentlichen Arbeitsbedingungen wurde ab 1. August 2022 erheblich erweitert. Nachzuweisen sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG:
SVMWIndex k1s2a4
Eine der wesentlichen Voraussetzungen für einen Werkvertrag ist die Vereinbarung über die Erstellung eines qualitativ individualisierbaren und dem Werkunternehmer zurechenbaren Werkergebnisses.
der Werkunternehmer schuldet dem Werkbesteller die vertragsgemäße, mangelfreie und rechtzeitige (fristgerechte) Herstellung des Werkes.
Der Werkunternehmer organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen selbst, wobei er sich auch der Mitarbeit von eigenen Erfüllungsgehilfen bedienen kann.
SVMWIndex k1s2a5
Der soziale Schutzzweck der solidarischen Sozialversicherung kann nicht allein durch die Wahl einer Vertragsgestaltung unterlaufen werden.
Die Vertragsschließenden haben hinsichtlich der Anwendung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften kein Dispositionsrecht.
Grundsätzlich ist es zwar möglich, dass zwei versicherungspflichtige (Teilzeit‑)Beschäftigungen bei einem Arbeitgeber bestehen, die jeweils einen Anspruch auf Teilarbeitslosengeld auslösen können, wenn für beide Beschäftigungen formal zwei getrennte Arbeitsverträge vorliegen und der Arbeitnehmer in den jeweiligen Betrieb bzw. Betriebsteil oder die organisatorische Einheit eingegliedert ist.⚖ Allerdings wirken sich die zum Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung ergangen Entscheidungen nicht auf das Versicherungs‑ und Beitragsrecht der Sozialversicherung aus.⚖ Der Begriff der Beschäftigung im Leistungs‑ und Beitragsrecht muss jeweils funktionsdifferent ausgelegt werden.⚖ Von einer leistungsrechtlich möglichen Mehrfachbeschäftigung beim selben Arbeitgeber kann daher nicht auf eine identische Rechtslage bei der Beurteilung von Versicherungspflicht geschlossen werden.⚖
Mehrere Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber werden versicherungsrechtlich als eine Einheit betrachtet. Übt ein Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber gleichzeitig mehrere Beschäftigungen aus, ist versicherungs‑ und beitragsrechtlich – ohne Rücksicht auf die arbeitsvertragliche Gestaltung – von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Eine neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübte geringfügige Beschäftigung ist deshalb nur versicherungsfrei, wenn sie nicht für denselben Arbeitgeber ausgeübt wird.⚖
Von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis bei demselben Arbeitgeber ist auch dann auszugehen, wenn neben der Berufung in ein Beamtenverhältnis auch ein privatrechtlicher Arbeitsvertrag geschlossen wird (z. B. Professoren, die gleichzeitig Chefärzte an Universitätskliniken sind).
SVMWIndex k1s2a6
Wer nur zum Schein selbständig ist, geht in Wirklichkeit einer nichtselbständigen Erwerbsarbeit nach und ist Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne bzw. Beschäftigter im Sinne des Sozialversicherungsrechts.
In der Praxis versuchen die Vertragsparteien nicht selten, durch ›Vertragsakrobatik‹ eine eigentlich nichtselbständige Erwerbsarbeit als selbständige Erwerbsarbeit darzustellen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Erwerbsperson dann als sogenannter ›Scheinselbständiger‹ bezeichnet.
Illegale Beschäftigung → Scheinselbständigkeit
Ob jemand eine selbständige Erwerbsarbeit erbringt oder als nichtselbständiger Arbeitnehmer einzustufen ist, richtet sich nach Kriterien, die in den betroffenen Rechtsgebieten (Steuer‑, Arbeits‑ und Sozialversicherungsrecht) eigenständig definiert sind.
Einheitliche Rechtsordnung → Statuskongruenz
Der Begriff des ›Scheinselbständigen‹ hat keine eigene rechtliche Bedeutung. Wer nur zum Schein selbständig ist, geht in Wirklichkeit einer nichtselbständigen Erwerbsarbeit nach und ist Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne bzw. Beschäftigter im Sinne des Sozialversicherungsrechts. In allen Fällen, in denen es um die Scheinselbständigkeit eines freien Mitarbeiters geht, steht die Frage nach der Weisungsgebundenheit und Eingliederung der Erwerbsperson im Mittelpunkt.
Statusbewertung des Vertragsverhältnisses → Direktionsrecht/Weisungsrecht des Arbeitgebers
Statusbewertung des Vertragsverhältnisses → Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers
SVMWIndex k1s2a7
Die Feststellung einer ›Scheinselbständigkeit‹ führt dazu, dass der Auftraggeber für den Beschäftigten Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen der Verjährungsfristen nachzuentrichten hat.
Wird ein (bedingt) vorsätzliches Handeln nachgewiesen, gilt im Sozialversicherungsrecht ein Nettolohn als vereinbart und der Auftraggeber hat Säumniszuschläge zu zahlen.
Im Falle einer festgestellten ›Scheinselbständigkeit‹ hat der Arbeitgeber gegenüber dem Beschäftigten nur einen gesetzlich eingeschränkten Anspruch auf die vom ihm im Rahmen der Beitragsnachentrichtung zu tragenden Arbeitnehmeranteile.⚖
Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge → Der Beitragsschuldner
Der Arbeitnehmeranteil kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden.⚖
Besteht das Arbeitsverhältnis nicht mehr bzw. ist kein Lohn mehr abzurechnen, ist eine nachträgliche Zahlungsaufforderung des Arbeitgebers an seinen ehemaligen Arbeitnehmer rechtlich ausgeschlossen.
Ein infolge der Scheinselbständigkeit unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn‑ oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, darüber hinaus nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist.⚖
Da der Arbeitgeber nach § 7a SGB IV die Möglichkeit hat, den versicherungsrechtlichen Status eines Auftragnehmers im Zweifelsfall durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund verbindlich klären zu lassen, kann ein bloßer Rechtsirrtum nicht von vornherein angenommen werden.
Clearingstelle → Das optionale Anfrageverfahren
Zwar kann im Rahmen des bedingten Vorsatzes grundsätzlich vorwerfbar sein, wenn ein Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs‑ und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit darauf verzichtet, die Entscheidung einer fachkundigen Stelle herbeizuführen.⚖ Allerdings darf nicht das gesamte Risiko der Einordnung komplexer sozialversicherungsrechtlicher Wertungsfragen den Arbeitgebern überantwortet werden, so dass sich Schematisierungen verbieten.⚖
Eine fahrlässig unterbliebene Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV oder fehlende Herbeiführung einer Entscheidung der Einzugsstelle nach § 28h SGB IV schließt die unverschuldete Unkenntnis deshalb nicht von vornherein aus. Das fakultativ ausgestaltete Statusfeststellungsverfahren würde sonst entgegen dem Gesetzeswortlaut des § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV faktisch obligatorisch sein.⚖
Hegt der Arbeitgeber aber Zweifel an dem Status einer Erwerbsperson, muss er diesen klären lassen und kann sich nicht darauf berufen, diesen lediglich verkannt zu haben. Verzichtet der Arbeitgeber in diesem Fall darauf, sich fachlich beraten zu lassen und drängt sich das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung auf, können ihm die Folgen der fehlerhaften Beurteilung angelastet werden.⚖ Bedingter Vorsatz gilt als belegt, wenn der Arbeitgeber einen Clearingantrag zurücknimmt oder an dem Clearingverfahren nicht mitwirkt.
Der Verzicht auf die Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens kann zumindest dann vorwerfbar im Sinne des (bedingten) Vorsatzes sein, wenn ein derart eindeutiger Fall einer abhängigen Beschäftigung und somit einer nur scheinbaren Selbständigkeit vorliegt, dass dies zu erkennen auch vom Arbeitgeber als juristischem Laien hätte erwartet werden müssen.⚖
SVMWIndex k1s2a8