Abweichend vom allgemeinen Grundsatz der Versicherungspflicht gelten für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse besondere Regelungen.
Zum 1. Januar 2013 wurde die Geringfügigkeitsgrenze auf 450 Euro angehoben. Parallel dazu wurde die ›Gleitzone‹ um 50 Euro nach oben verschoben.
Waren geringfügig entlohnte Beschäftigungen bis zum 31. Dezember 2012 in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich versicherungsfrei, wurde vom Gesetzgeber zum 1. Januar 2013 ein Paradigmenwechsel vollzogen.⚖
Nach dem 31. Dezember 2012 aufgenommene geringfügig entlohnte Beschäftigungen unterliegen ab 1. Januar 2013 der Rentenversicherungspflicht. Dem Beschäftigten wird jedoch die Möglichkeit eingeräumt, sich von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen.
Für den Arbeitgeber änderte sich beitragsrechtlich hierdurch nichts. Er hat auch weiterhin den bei einer versicherungspflichtigen geringfügig entlohnten Beschäftigung anfallenden Pauschalbeitrag in Höhe von 15 Prozent zu tragen. Der Beschäftigte trägt den Restbeitrag bis zum maßgeblichen Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die aufgrund der seit 1. Januar 2013 bestehenden Versicherungspflicht vom Arbeitnehmer zu zahlenden (Eigen‐)Beiträge aus einer geringfügig entlohnten Beschäftigung sind genauso zu behandeln wie die Pflichtbeiträge aus einer mehr als geringfügigen Beschäftigung. Sie begründen damit vollwertige Pflichtbeitragszeiten.
Ab 1. Oktober 2022 wird die Minijob‐Grenze im neuen Abs. 1a des § 8 SGB IV definiert. Die MinijobGrenze wird ab diesem Zeitpunkt an den gesetzlichen Mindestlohn gekoppelt und damit dynamisch ausgestaltet. Künftig orientiert sich die Geringfügigkeitsgrenze an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu Mindestlohnbedingungen.⚖
Mindestlohn → Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns
Die Geringfügigkeitsgrenze wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird. Die Geringfügigkeitsgrenze wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Bundesanzeiger jeweils bekannt gegeben. Bei einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 12,00 Euro beträgt die Minijob‐Grenze ab Oktober 2022 damit 520,00 Euro monatlich.⚖
Für versicherungspflichtig Beschäftigte, für die am Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes die Regelungen für den Übergangsbereich gelten und die ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 450,01 Euro bis 520,00 Euro erzielten, gelten bis zum 31. Dezember 2023 Bestandsschutzregelungen, die als Optionsrecht eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der Kranken‑, Pflege‑ und Arbeitslosenversicherung ermöglichen.⚖
SVMWIndex k3s2a1
Im Gegensatz zur ›geringfügigen kurzfristigen‹ Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV wird die ›geringfügig entlohnte‹ Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV regelmäßig ausgeübt.
Ab 1. Oktober 2022 hat der Gesetzgeber mit der dynamischen Koppelung der Geringfügigkeitsgrenze an den gesetzlichen Mindestlohn diesbezüglich für eine Harmonisierung gesorgt. Ab 1. Oktober 2022 orientiert sich der Grenzwert für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu Mindestlohnbedingungen. Aufgrund der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12,00 Euro pro Stunde erhöht sich damit die Geringfügigkeitsgrenze ab 1. Oktober 2022 auf 520,00 Euro monatlich.⚖
Mindestlohn → Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns
Bei der monatlichen ›Geringfügigkeitsgrenze‹ in Höhe von 520,00 Euro handelt es sich um einen einheitlich für die alten und neuen Bundesländer gesetzlich festgelegten Monatswert, der – entgegen einer vorher von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vertretenen abweichenden Rechtsauffassung – auch dann gilt, wenn die Beschäftigung nicht während des gesamten Kalendermonats besteht.⚖
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 5. Dezember 2017 festgestellt, dass die Geringfügigkeitsgrenze eine feste Grenze ist. Bei der Prüfung der Entgeltgrenze ist das im jeweiligen Monat insgesamt erzielte Entgelt dem jeweiligen monatlichen Grenzbetrag gegenüberzustellen, ohne dass eine Umrechnung auf die einzelnen Tage der Arbeitsleistung vorzunehmen ist. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Regelung zur Versicherungsfreiheit, dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV und der Systematik der Verteilung der Beitragslast.⚖
Wie das Bundessozialgericht weiter ausführte, würde die von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung in den ›Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen‹ diesbezüglich bis dahin vertretene abweichende Rechtsauffassung (anteilige Entgeltgrenze) unter Umständen dazu führen, dass der Beschäftigte eine volle Beitragslast schon vor Erreichen des Grenzwertes zu tragen hätte, der das Ende der Gleitzone markiert. Die Beitragslast des Beschäftigten soll aber gerade erst innerhalb der Gleitzone auf die volle Beitragslast ansteigen. Die Anwendung einer anteiligen Entgeltgrenze würde somit das gestufte Beitragssystem konterkarieren und letztlich bezogen auf die ungleiche beitragsrechtliche Behandlung der tatsächlich erzielten monatlichen Arbeitsentgelte zu systemwidrigen Ergebnissen führen.
Übergangsbereich → Progressiver Anstieg des AN‐Beitragsanteils (ab Oktober 2022)
SVMWIndex k3s2a2
Bei unvorhersehbar schwankender Höhe des Arbeitsentgelts und in den Fällen, in denen im Rahmen einer Dauerbeschäftigung saisonbedingt vorhersehbar unterschiedliche Arbeitsentgelte erzielt werden, ist der regelmäßige Betrag durch eine gewissenhafte Schätzung bzw. durch eine Durchschnittsberechnung zu ermitteln.
Eine geringfügige entlohnte Beschäftigung liegt ab 1. Oktober 2022 vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 520,00 Euro nicht übersteigt.⚖ Die Geringfügigkeitsgrenze von monatlich 520,00 Euro gilt einheitlich für die alten und neuen Bundesländer.
Bei der Prüfung der Frage, ob das Arbeitsentgelt den monatlichen Grenzbetrag von 520,00 Euro übersteigt, ist vom regelmäßigen Arbeitsentgelt auszugehen. Der Arbeitgeber muss das regelmäßige Arbeitsentgelt zu Beginn der Beschäftigung und bei jeder dauerhaften Veränderung in den Verhältnissen bestimmen. Auch bei Aufnahme einer weiteren Beschäftigung ist das zu berücksichtigende regelmäßige Arbeitsentgelt neu zu bestimmen.
Mehrfachbeschäftigung (Schema)
Prüfung |
||
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Beginn der Beschäftigung |
Dauerhafte Veränderung |
Weitere Beschäftigung |
Bei der Prüfung des regelmäßigen Arbeitsentgelts sind nur die Lohnbestandteile zu berücksichtigen, die Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung darstellen. Zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt gewährte einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, sind dann nicht dem regelmäßigen Arbeitsentgelt zuzurechnen, wenn sie lohnsteuerfrei sind und der Arbeitgeber die Steuerfreiheit in der Entgeltabrechnung auch tatsächlich berücksichtigt.⚖
Entgelt im Sinne des Sozialversicherungsrechts → Begriff des Arbeitsentgelts
Grundsätzliche Ausrichtung nach dem Steuerrecht → Die Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV)
Nutzen Arbeitnehmer den öffentlichen Personenverkehr für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit, sind seit dem 1. Januar 2019 diesbezüglich vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährte Zuschüsse oder Sachbezüge lohnsteuerfrei und damit auch beitragsfrei. Diese zusätzliche Arbeitgeberleistung ist deshalb auch nicht bei der Berechnung des regelmäßigen Arbeitsentgelt zu berücksichtigen und hat folglich auch keine Auswirkung auf den Status als ›Minijobber‹.
Entgeltkatalog → Job‐Ticket
SVMWIndex k3s2a3
Mehrere nebeneinander ausgeübte geringfügig entlohnte Beschäftigungen sind zusammenzurechnen.
SVMWIndex k3s2a4
Bei der ›Geringfügigkeitsgrenze‹ handelt es sich um einen festen Monatswert.
Abgabearten | Abgaben | Arbeitgeber | Arbeitnehmer | |
---|---|---|---|---|
KV: | Pauschalbeitrag | 13,0 % |
ja |
nein |
PV: | nein |
nein |
nein |
|
RV: | Pauschalbeitrag | 15,0 % |
ja |
nein |
RV: | ⇰ RV‐Pflicht (Arbeitnehmer) |
3,6 % |
nein |
ja |
AV: | nein |
nein |
nein |
|
Steuer: | Pauschalsteuer | 2,0 % |
ja |
nein |
Umlage U1: | 1,00 % |
ja |
nein |
|
Umlage U2: | 0,39 % |
ja |
nein |
|
Insolvenzgeldumlage: | 0,12 % |
ja |
nein |
|
Unfallversicherungsbeiträge: individueller Beitrag an den zuständigen Unfallversicherungsträger |
ja |
nein |
SVMWIndex k3s2a5
Bei unvorhersehbar schwankender Höhe des Arbeitsentgelts und in den Fällen, in denen im Rahmen einer Dauerbeschäftigung saisonbedingt vorhersehbar unterschiedliche Arbeitsentgelte erzielt werden, ist der regelmäßige Betrag durch eine gewissenhafte Schätzung bzw. durch eine Durchschnittsberechnung zu ermitteln.
SVMWIndex k3s2a6
Handelt es sich um einen geringfügig entlohnten 520,00 Euro Minijob, gibt es 3 Varianten für die Besteuerung.
Handelt es sich um einen geringfügig entlohnten 520,00 Euro Minijob, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, über die Besteuerungsart zu entscheiden. Zur Auswahl stehen die einheitliche Pauschalsteuer sowie die individuelle Besteuerung nach der Lohnsteuerklasse. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind grundsätzlich für ein Kalenderjahr an die zu Beginn des Jahres gewählte Art der Lohnsteuererhebung gebunden.
Es gibt in Deutschland 3 Varianten, wie der Lohn eines geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnisses besteuert wird:
Der Arbeitgeber zahlt eine Pauschalsteuer in Höhe von 2 Prozent an die Minijob‐Zentrale.
Der Arbeitgeber zahlt eine Pauschalsteuer in Höhe von 20 Prozent an das sogenannte ›Betriebsstättenfinanzamt‹.
Es erfolgt eine individuelle Besteuerung nach Maßgabe der individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmale.
Für die Lohnsteuerpauschalierung ist zu unterscheiden zwischen der einheitlichen Pauschalsteuer in Höhe von 2 Prozent⚖ und der pauschalen Lohnsteuer in Höhe von 20 Prozent des Arbeitsentgelts.⚖ In beiden Fällen der Lohnsteuerpauschalierung ist Voraussetzung, dass eine geringfügig entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder des § 8a SGB IV vorliegt. Das Steuerrecht knüpft damit an die Voraussetzungen des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch an.
Wenn der Arbeitgeber den gesetzlichen Rentenbeitrag (15 Prozent bzw. 5 Prozent) entrichtet, kann er das Bruttoentgelt des Minijobbers § 40a Abs. 2 EStG mit 2 Prozent pauschal versteuern (einheitliche Pauschalsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern). Der einheitliche Pauschalsteuersatz von 2 Prozent ist auch anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer keiner erhebungsberechtigten Religionsgemeinschaft angehört.
Diese Regelung gilt auch für nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreite Mitglieder berufsständischer Versorgungseinrichtungen, die die Rentenversicherungsbeiträge für eine nicht berufsfremde geringfügig entlohnte Beschäftigung an die berufsständische Versorgungseinrichtung zahlen.
Mitglieder berufsständischer Versorgungseinrichtungen
Bei Wertguthabenvereinbarungen entfällt die einheitliche Pauschalsteuer immer auf das Arbeitsentgelt, welches in der Arbeits‑ oder der Freistellungsphase zur Auszahlung gelangt (Zuflussprinzip). Eine Einstellung der einheitlichen Pauschalsteuer ins Wertguthaben während der Arbeitsphase erfolgt nicht.
Wertguthaben → Beitragsrechtliche Behandlung von Wertguthaben
Für den Einzug der einheitlichen Pauschalsteuer in Höhe von 2 Prozent des Arbeitsentgelts ist stets die Minijob‐Zentrale zuständig. Das gilt sowohl für Beschäftigte im Privathaushalt als auch für Beschäftigte bei anderen Arbeitgebern. Die Pauschalsteuern wird monatlich gemeinsam mit den weiteren Abgaben an die Minijob‐Zentrale abgeführt.
Tragung der Abgabelasten (Beispiel 2022)
Bei geringfügiger Beschäftigung in Privathaushalten – ausgenommen davon sind Beschäftigungen, die wegen Bestandsschutzes Versicherungspflicht begründen – ist ausschließlich der Haushaltsscheck zu verwenden. In diesem Haushaltsscheck gibt der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt an und teilt darüber hinaus mit, ob die Lohnsteuer mit der einheitlichen Pauschalsteuer erhoben werden soll. Die Minijob‐Zentrale berechnet die einheitliche Pauschalsteuer und zieht sie zusammen mit den übrigen Abgaben jeweils im Juli (für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni) und im Januar (für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember) vom Arbeitgeber ein.
Andere Arbeitgeber (außerhalb des Haushaltsscheck‐Verfahrens) berechnen die einheitliche Pauschalsteuer selbst und teilen der Minijob‐Zentrale den Betrag im Beitragsnachweis‐Verfahren mit.
Hat der Arbeitgeber für das Arbeitsentgelt aus einer geringfügig entlohnten Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 (gewerbliche Arbeitgeber) oder des § 8a SGB IV (Privathaushalte) den (pauschalen) Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 15 Prozent oder 5 Prozent nicht zu entrichten, kann er die pauschale Lohnsteuer mit einem Steuersatz in Höhe von 20 Prozent des Arbeitsentgelts erheben. Hinzu kommt die Kirchensteuer nach dem jeweiligen Landesrecht.
Diese pauschale Lohnsteuer von 20 Prozent entrichtet der Arbeitgeber – im Gegensatz zur zweiprozentigen Pauschalsteuer – nicht an die Minijob‐Zentrale, sondern an das Betriebsstättenfinanzamt.
Wählt der Arbeitgeber für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder des § 8a SGB IV nicht die pauschale Lohnsteuererhebung, ist die Lohnsteuer vom Arbeitsentgelt nach Maßgabe der individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmale zu erheben. Die Höhe des Lohnsteuerabzugs hängt dann von der Lohnsteuerklasse ab. Bei den Lohnsteuerklassen I (Alleinstehende), II (bestimmte Alleinerziehende mit Kind) oder III und IV (verheiratete Arbeitnehmer/innen) fällt für das Arbeitsentgelt aus einer geringfügig entlohnten Beschäftigung keine Lohnsteuer an; etwas anderes gilt bei der Lohnsteuerklasse V oder VI.
Für die Fälle der Besteuerung nach Maßgabe der individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmale ist stets an das Betriebsstättenfinanzamt zuständig. Dies ist für den Privathaushalt als Arbeitgeber regelmäßig das für die Veranlagung zur Einkommensteuer zuständige Wohnsitzfinanzamt und für andere Arbeitgeber das Finanzamt, in dessen Bezirk sich der Betrieb befindet. Die Lohnsteuer ist in der LohnsteuerAnmeldung anzugeben und an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen.
SVMWIndex k3s2a7