Die Systematik der gesetzlichen Sozialversicherung

Prüfverfahren

Wertguthaben

Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit

Leitsatz
  1. Die Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit gewinnt vor dem Hintergrund veränderter Renten­eintrittsalter zunehmend an Bedeutung.

Arbeitszeit‑ bzw. Zeitwertkonten ermöglichen den Arbeitsvertragsparteien eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit. Dem Interesse des Arbeitgebers, die Arbeitszeit den Produktions‑ und Arbeitszyklen anzu­passen steht das Interesse der Arbeitnehmer nach Verstetigung und Kalkulierbarkeit des Einkommens, nach Planbarkeit der Freizeit sowie nach selbst bestimmter Flexibilität gemäß persönlicher Erforder­nisse oder Wünsche gegenüber.

Im Rahmen der Arbeitszeitflexibilisierung spielen Wertguthaben eine zentrale Rolle. Die Grundidee von Wertguthaben ist, dass Beschäftigte einen Teil ihrer Arbeitszeit oder einen Teil ihres Lohns längerfristig ansparen, um von diesem Guthaben später eine finanziell abgesicherte und sozialversicherungs­rechtlich geschützte Auszeit vom Beruf nehmen zu können (z. B. für die Kindererziehung, die Pflege Angehöriger, für ein Sabbatical oder für Weiterbildung). Eine weitere Möglichkeit besteht darin, im Alter die Arbeitszeit zu reduzieren oder auch früher aus dem Beruf auszuscheiden, ohne eine Rente mit Abschlägen in Anspruch nehmen zu müssen.

›Flexi‑I‑Gesetz‹

Mit dem Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6. April 1998 (›Flexi‑I‐Gesetz‹) wurden erstmalig gesetzliche Regelungen für den Fortbestand des Sozialversiche­rungsschutzes während Freistellungen aus flexiblen Arbeitszeitvereinbarungen in der Sozialversiche­rung geschaffen. Damit besteht erstmals eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt unter bestimm­ten Voraussetzungen auch während Freistellungsphasen, die länger als einen Monat andauern kön­nen und in denen weiter Arbeitsentgelt bezogen wird. Seitdem sind sowohl Unterbrechungen des Arbeits­lebens (z. B. durch ein Sabbatical) als auch Freistellungsphasen, insbesondere zum Ende des Arbeitsle­bens, sozialversicherungsrechtlich abgesichert. Wird im Rahmen einer Wertguthabenverein­barung die vereinbarte Freistellung von der Arbeitsleistung mit Bezug von Arbeitsentgelt aus dem angesparten Wertguthaben in Anspruch genommen, besteht weiter ein sozialversicherungsrechtliches Beschäfti­gungsverhältnis.

Die mit dem Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen erstmals ab 1. Januar 1998 für den Versicherungsschutz flexibler Arbeitszeiten geschaffenen Regelungen wurden zwar mehrfach angepasst, in der betrieblichen Praxis und der beitrags‑ und melderecht­lichen Behand­lung von Wertguthaben durch die Sozialversicherungsträger zeigte sich jedoch immer wieder, dass durch den vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des SGB IV nur unzulänglich von anderen Formen der Arbeitszeitflexibilisierung abgegrenzt wurden.

Daneben wurde die vom Gesetzgeber angeordnete Insolvenzschutzverpflichtung nur unzureichend befolgt. Dies führte zu dem Ergebnis, dass zum Teil umfängliche Wertguthaben von Arbeitnehmern der Insolvenz des Arbeitgebers zum Opfer fielen und im Insolvenzfall auch die Sozialversicherungsträger die in der Ansparphase gestundeten Beitragsansprüche nicht mehr oder nur noch teilweise befriedigen konnten.

Ein weiterer Schwachpunkt der alten Regelungen war, dass die Wertguthaben bei einem Arbeitgeber­wechsel nicht erhalten werden konnten, sondern im Rahmen der sog. ›Störfallregelung‹ vollständig aufgelöst werden mussten.

›Flexi‑II‑Gesetz‹

Nach einigen vorangegangenen Diskussionsentwürfen trat zum 1. Januar 2009 das Gesetz zur Verbes­serung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze (›Flexi‑II‐Gesetz‹ vom 21. Dezember 2008) in Kraft. Einige Regelungen (z. B. zur Por­tabilität auf die Deutsche Rentenversicherung Bund) wurden erst zum 1. Juli 2009 eingeführt.

Hauptziel des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen ist es, Arbeitnehmer besser vor den Risiken eines Verlustes der auf Wertgut­haben angesparten Arbeitsvorleistungen zu schützen. Dies geschieht durch eine zwingend vorge­schrie­bene Insolvenzsicherung, eine Regulierung der Anlageformen für die Wertguthaben am Kapitalmarkt sowie eine Nominalwertgarantie. Außerdem wird die Portabilität der Kontenguthaben bei einem Wechsel des Arbeitgebers verbessert.

Wesentliche Bestandteile des ›Flexi‑II‑Gesetzes‹

Mit dem Gesetz wurde insbesondere

  1. die Vereinbarung von Wertguthaben besser von anderen Arbeitszeitflexibilisierungs­formen abgegrenzt,

  2. geringfügig Beschäftigten die Nutzung von Wertguthabenvereinbarungen ermöglicht,

  3. ein Anspruch auf Wertguthabenverwendung bei gesetzlicher Freistellung eingeführt,

  4. die Wertguthabenverwendung für die betriebliche Altersvorsorge beschränkt,

  5. die grundsätzliche Wertguthabenführung in Entgelt vorgeschrieben,

  6. das Verlustrisiko bei der Anlage von Wertguthaben beschränkt und eine Werterhaltungs­garantie eingefügt,

  7. der Insolvenzschutz von Wertguthaben konkretisiert sowie

  8. die Portabilität der Wertguthaben verbessert.

Die Neuregelung des ›Flexi‑II‐Gesetzes‹ eröffnet zwar ausdrücklich die grundsätzliche Möglichkeit, dass auch geringfügig Beschäftigte Wertguthaben aufbauen; die Entscheidung, ob diese Personen­gruppe tatsächlich Zugang zu den Langzeitkonten erhält, liegt jedoch im Ermessen des Betriebs.

Konkretisierung durch die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung

Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben zu den sozialversicherungsrechtlichen Aus­wirkungen des ›Flexi‑II‐Gesetzes‹ im März 2009 ein gemeinsames Rundschreiben herausgegeben. Ergänzend dazu haben sie im April 2010 einen Frage‑/Antwortkatalog verfasst und im Herbst 2010 konkretisiert.

Nützliche Internet-Direktverbindungen → Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung

Bericht der Bundesregierung vom 14. März 2012

Der Gesetzgeber hat bereits im Gesetzgebungsverfahren zum ›Flexi‑II‐Gesetz‹ eine Berichtspflicht der Bundesregierung festgeschrieben und damit sichergestellt, dass die Umsetzung dieser komplexen Rechts­materie von Anfang an beobachtet und analysiert wird.

Die Bundesregierung hat am 14. März 2012 einen Bericht zu den Auswirkungen der Änderungen vor­gelegt. Die nach wie vor geringe Verbreitung von echten Wertguthaben in den Betrieben zeigt, dass es mit dem ›Flexi‑II‐Gesetz‹ und den Begleitmaßnahmen bisher nicht gelungen ist, Betriebe in größe­rem Stil zu motivieren, längerfristig ausgelegte Gleitzeit‑ und Flexikonten in Wertguthaben nach dem ›Flexi‑II‐Gesetz‹ umzuwandeln oder Langzeitkonten in Form von Wertguthaben neu einzu­richten.

SVMWIndex k7s4a1

Wertguthabenvereinbarungen und andere Formen flexibler Arbeitszeitmodelle

Leitsatz
  1. Nicht jede betriebliche Arbeitszeitflexibilisierungsregelung, welche die Bildung eines auf einem Arbeitszeitkonto geführten Guthabens mit sich bringt, ist eine Wertguthabenverein­barung im Sinne des § 7b SGB IV.

Weder Arbeitnehmer noch Betriebsräte haben einen Anspruch auf die Einrichtung von Wertzeitkonten. Soweit der Anspruch auf die Einrichtung von Wertzeitkonten für tarifgebundene Arbeitgeber nicht in einem Tarifvertrag geregelt ist, ist eine Vereinbarung auf die Einrichtung von Wertzeitkonten nur auf der Basis einer freiwilligen Betriebsvereinbarung möglich.

In der arbeitsrechtlichen Praxis haben sich eine Vielzahl unterschiedlicher Kurzzeitkonten‑ und Auf­schubkontenmodelle entwickelt, die sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Sie können nach der Länge des Ausgleichszeitraums in Kurzzeit‑ und Langzeitkonten oder nach der Zielsetzung in Altersteilzeit‑, Lebens‑ oder Jahresarbeitszeit‑, Gleitzeit‑ oder Ausgleichskonten unterschieden werden.

In der Vergangenheit bestanden unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Arbeitszeitkonten kon­kret von den sozialrechtlichen Schutzvorschriften der §§ 7b ff. SGB IV erfasst werden. Die dadurch vor­han­denen Abgrenzungsschwierigkeiten veranlassten den Gesetzgeber, durch eine Präzisierung der Wert­gut­haben­definition im § 7b SGB IV nunmehr Klarheit zu schaffen. In der Praxis wirkt sich diese gesetzliche Abgrenzung des Geltungsbereiches vor allem auf Kurzzeit‑ und Gleitzeitkonten aus, da diese zukünftig nicht (mehr) als Wertguthaben behandelt werden können und eine bisher praktizierte Ausdehnung des Wertguthabenbegriffs zurückgeführt werden muss.

Nicht jede betriebliche Arbeitszeitflexibilisierungsregelung, welche die Bildung eines auf einem Arbeits­zeitkonto geführten Guthabens mit sich bringt, ist eine Wertguthabenvereinbarung im Sinne des § 7b SGB IV. Seit dem 1. Januar 2009 wird zwischen flexiblen Arbeitszeitregelungen nach § 7 Abs. 1a SGB IV i. V. m. mit § 7b SGB IV und sonstigen flexiblen Arbeitszeitregelungen unterschieden.

Geht es um den sozialversicherungsrechtlichen Schutz von Zeitwertkonten ist grundsätzlich zu unter­scheiden zwischen sogenannten ›Aufschubkontenmodellen‹, mit dem Ziel einer bezahlten Frei­stellung von der Arbeitsleistung und den sogenannten ›Kurzzeitkontenmodellen‹, bei denen das primäre Ziel die Anpassung von betrieblichem Arbeitsanfall an die vom Arbeitnehmer zu leistende Arbeitszeit ist (Gleitzeitvereinbarungen).

Das entscheidende Kriterium für die Qualifizierung als Wertguthabenvereinbarung im Sinne des § 7b SGB IV liegt in der Zwecksetzung der Vereinbarung. Ein sozialrechtlich abgesichertes Wert­gut­haben im Sinne der § 7 ff. SGB IV liegt nur dann vor, wenn die diesbezügliche getroffene Vereinbarung sämt­liche in § 7b SGB IV genannten Voraussetzungen erfüllt.

Durch die Klarstellung im § 7b SGB IV wurde die in der Praxis vorhandene Unsicherheit darüber, welche Arbeitszeitkonten konkret von den Schutzvorschriften der §§ 7 ff. SGB IV erfasst werden, weitest­ge­hend beseitigt.

Ist durch Gesetz die schriftliche Form vorgeschrieben, so muss bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleich lautende Urkun­den aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unter­zeichnet. Die Vereinbarung hat insbesondere Regelungen über die Freistellungsphase sowie die Höhe des während der Freistellung fälligen Arbeitsentgelts zu enthalten.

Grundsätzlich zu unterscheidende Modelle der Arbeitszeitflexibilisierung

Wertguthaben

Arbeitszeitflexibilisierung

↓ ↓

Längerfristige Freistellung
unter Beibehaltung des
Sozialversicherungsschutzes

Tägliche/wöchentliche Arbeitszeitgestaltung
Ausgleich betrieblicher Produktions‑
oder Arbeitszeitzyklen

↓ ↓

Beschäftigungsfiktion:
Gesamte Freistellungsphase

Wertguthaben (Freistellungsphase)

Beschäftigungsfiktion:
Freistellungsphase:
Bis 31. Dezember 2011 maximal ein Monat,
seit 1. Januar 2012 maximal drei Monate.

Arbeitszeitmodelle

↓ ↓

Insolvenzschutz
gesetzlich vorgeschrieben

Insolvenzschutz
nicht gesetzlich vorgeschrieben

↓ ↓

Darstellung der SV‑Luft
gesetzlich vorgeschrieben

Darstellung von SV‑Luft
nicht gesetzlich vorgeschrieben

☆ ☆ ☆
Sonstige flexible Arbeitszeitreglungen (Gleitzeitvereinbarungen)

Immer dann, wenn das vorrangige Ziel einer Vereinbarung die flexible Gestaltung der täglichen Ar­beits­zeit unter Verstetigung z. B. des monatlichen Entgelts ist, handelt es sich nicht um eine Wert­guthabenvereinbarung im Sinne des § 7b SGB IV. Auch wenn solche Vereinbarungen die Möglichkeit eröffnen, von der angesparten Arbeitszeit eine meist begrenzte Anzahl von Arbeitstagen als Freizeit­ausgleich zu nutzen, geht es typischerweise nicht um den Aufbau eines Wertguthabens, da eine Frei­stellung von der Arbeitsleistung nicht das primäre Vereinbarungsziel darstellt. Bei den sonstigen flexib­len Arbeitszeitregelungen endet die versicherungspflichtige Beschäftigung in der Freistellung nach Ab­lauf eines Monats.

Bei Gleitzeitmodellen werden neben einer Kernarbeitszeit Gleitzeitspannen festgelegt. Während der Kernarbeitszeit besteht Anwesenheitspflicht. Innerhalb der Gleitzeitspannen entscheiden die Be­schäf­tigten selbst über Arbeitsbeginn und ‑ende. Auch die tägliche Dauer der Arbeitszeit kann individuell und bedarfsgerecht variiert werden.

Zu den Gleitzeitvereinbarungen zählen alle Arbeitszeitreglungen, die nicht das Ziel der (länger­fristigen) Freistellung von der Arbeitsleistung unter Verwendung eines in Wertguthaben angesparten Arbeits­ent­gelts haben. Diese Arbeitszeitregelungen dienen zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchent­lichen Arbeitszeit oder zum Ausgleich betrieblicher Produktions‑ und Arbeitszeitzyklen unter Beibehaltung des regelmäßigen Arbeitsentgelts. Es erfolgt daher typischerweise keine Aus­zahlung als Arbeitsentgelt, sondern angesparte Arbeitszeit wird im Arbeitszeitkonto durch genommene Freizeit wieder ausgeglichen. Die Umsetzung erfolgt über Plus‑ bzw. Minusstunden, als Abweichung von der Rah­menarbeitszeit. Das Arbeitsentgelt wird unabhängig von der konkret erbrachten Arbeits­leistung stetig gezahlt.

Verwaltung der Plus‑ und Minusstunden (Arbeitszeitkonten)

Basierend auf einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit wird die Stundenzahl ermittelt, die die Beschäftigten innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z. B.) zu leisten haben. Bei Auf­tragsschwankungen oder aufgrund von individuellen Bedürfnissen kann eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mehr oder weniger Stunden pro Woche absolvieren, wenn die durchschnittliche Stundenzahl innerhalb des festgelegten Zeitraums wieder ausgeglichen wird. Die Bezahlung bleibt konstant und richtet sich somit nicht nach den tatsächlich geleisteten Stunden im jeweiligen Monat.

Soll ein Arbeitszeiterfassungssystem eingeführt werden, sind folgende Aspekte festzulegen:

  1. Höchstgrenzen für Plus- und Minusstunden auf dem Gleitzeitkonto.

  2. Fristen für den Ausgleich des Kontos (Stichtag oder Dauer).

  3. Art des Ausgleichs im Fall von Plusstunden (z. B. Urlaub am Stück, Gleitzeittag, nur stunden­weiser Ausgleich).

Gleitzeitvereinbarungen (Arbeitszeitkonten)

Vor‑ und Nachteile

↓ ↓

Chancen/Nutzen

  • Kostenersparnis durch flexible Anpassung der Arbeitsstunden an die aktuelle Auftragslage (sinnvoll bei saisonbedingten starken Schwankungen).
  • Vermeidung von Kündigungen in Zeiten
    geringerer Auftragslage.
  • Wirkt Unterauslastung entgegen durch zeitliche Verschiebung von Arbeitszeiten.
  • Bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit (›Work‑Life‑Balance‹).
  • Niedrige Arbeitskosten, da weniger Überstunden zusätzlich vergütet werden.
  • Erhöhte Motivation und Mitarbeiterbindung.

Grenzen/Kosten

  • Notwendigkeit vorausschauender (Jahres‑)Planung.
  • Hoher organisatorischer Aufwand.
  • Hohes Maß an Selbstverant­wor­tung und Führungskompetenz erforderlich.
  • Notwendigkeit der Koordinierung von Freizeitausgleich.
  • Konfliktpotential beim Umgang mit Minusstunden bei Unter­neh­mens­wechsel.




Ausgleichskonto im Baugewerbe

Nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) führt der Arbeitgeber für jeden gewerblichen Arbeitnehmer ein individuelles Ausgleichskonto zum Lohn. Sofern in Betriebs­ver­ein­barungen keine anderen Festlegungen getroffen werden, soll das Arbeitszeitguthaben 150 Stunden sowie die Arbeitszeitschuld 30 Stunden nicht überschreiten. Das Ausgleichskonto soll möglichst nach 12 Kalendermonaten ausgeglichen sein. Würde am Ende des Ausgleichszeitraums noch ein Zeit­guthaben oder eine Zeitschuld bestehen, wäre diese in den nächsten Ausgleichszeitraum zu übertragen und in diesem auszugleichen.

☆ ☆ ☆
Langzeit‑ und Lebensarbeitszeitkonten

Wertguthaben können aufgrund tariflicher oder Betriebsregelungen aber auch als Einzelregelung ver­einbart werden. Der § 7b Nr. 1 SGB IV schreibt zwingend vor, dass der Aufbau eines sozialrechtlich ab­ge­sicherten Wertguthabens aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung zu erfolgen hat.

Langzeitkonten ermöglichen den Beschäftigten längere Arbeitsunterbrechungen bei vollem Gehalt, z. B. für Sabbaticals, Weiterbildungs‑ oder Familienzeiten. Altersbezogene Langzeitkonten erlauben einen vor­zeitigen Ruhestand oder Altersteilzeit ohne staatliche Unterstützung.

Mit Hilfe von Lebensarbeitszeitkonten kann die letzte Phase des Erwerbslebens verkürzt und der Über­gang in den Ruhestand flexibel gestaltet werden. Von Ausnahmefällen abgesehen, in denen die Be­teiligung an einem im Betrieb angebotenen Langzeitkonto verpflichtend ist, können die Beschäftigen im Normalfall selbst entscheiden, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen.

Wertguthabenvereinbarungen gemäß § 7b SGB IV

Eine Wertguthabenvereinbarung liegt vor, wenn

  1. der Aufbau des Wertguthabens aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung erfolgt,

  2. diese Vereinbarung nicht das Ziel der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchent­lichen Arbeitszeit oder den Ausgleich betrieblicher Produktions‑ und Arbeitszeitzyklen ver­folgt,

  3. Arbeitsentgelt in das Wertguthaben eingebracht wird, um es für Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung oder der Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zu ent­nehmen,

  4. das aus dem Wertguthaben fällige Arbeitsentgelt mit einer vor oder nach der Freistellung von der Arbeitsleistung oder der Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit er­brach­ten Arbeitsleistung erzielt wird und

  5. das fällige Arbeitsentgelt insgesamt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, es sei denn, die Beschäftigung wurde vor der Freistellung als geringfügige Beschäftigung ausgeübt.

  6. Geringfügig entlohnte Beschäftigung → Entwicklung der geringfügigen Beschäftigung

☆ ☆ ☆
Geringfügig entlohnte Beschäftigte

Die Ausführungen in § 7b Nr.  SGB IV bewirken, dass ab 1. Januar 2009 auch geringfügig entlohnte Beschäftigte Wertguthabenvereinbarungen abschließen können. Wertguthabenvereinbarungen im Rah­men von zeitgeringfügigen Beschäftigungsverhältnissen sind hingegen nicht möglich.

Eine Wertguthabenvereinbarung liegt vor, wenn das fällige Arbeitsentgelt insgesamt die Gering­fügigkeitsgrenze übersteigt, es sei denn, die Beschäftigung wurde vor der Freistellung als geringfügige Beschäf­tigung ausgeübt. Damit soll verhindert werden, dass das aus einem Wertguthaben in der Freistellungsphase zu zahlende Entgelt soweit reduziert wird, dass aus einem in der Arbeitsphase versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis in der Freistellungsphase ein versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis erwirkt wird.

Sinn und Zweck von Wertguthabenvereinbarungen schließen zudem aus, dass aus einer versicherungs­frei­en geringfügigen Beschäftigung in der Freistellungsphase ein sozialversicherungsrechtlicher Schutz in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung begründet werden kann. Die ›Entsparung‹ von Wert­guthaben aus einer geringfügigen Beschäftigung ist daher auch nur in geringfügig entlohntem Umfang möglich. Die Umwandlung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in eine versicherungsfreie Be­schäftigung durch den Verzicht auf die Auszahlung erarbeiteten Arbeitsentgelts im Rahmen einer Wert­guthabenvereinbarung ist nicht möglich.

☆ ☆ ☆
Mindestlohnanspruch

Für Arbeitszeitregelungen zur flexiblen Gestaltung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder zum Ausgleich betrieblicher Produktions‑ und Arbeitszeitzyklen sieht das Mindestlohngesetz (MiLoG) Ausnahmen von dem Grundsatz der Mindestlohnzahlung für alle geleisteten Arbeitsstunden vor, wenn die Mehrarbeit in einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto erfasst wird.

Mindestentgelt → Flexible Arbeitszeitregelungen

SVMWIndex k7s4a2

Bestandteile und Führen des Wertguthabens

Leitsätze
  1. Die Führung von Wertguthaben im Sinne des § 7b SGB IV hat ab 1. Januar 2009 aus­schließlich in Geld zu erfolgen.

  2. Das Wertguthaben umfasst seit 1. Januar 2009 neben den Arbeitsentgelten aus einer Beschäftigung auch die auf diese Arbeitsentgelte entfallenden Arbeitgeberanteile am Ge­samtsozialversicherungsbeitrag.

SVMWIndex k7s4a3

Insolvenzschutz gemäß § 7d Abs. 3 SGB IV

Leitsatz
  1. Der Insolvenzschutz von Wertguthaben hat ab 1. Januar 2009 nach bestimmten Anlage­vorschriften zu erfolgen.

SVMWIndex k7s4a4

Eingriffsrecht des prüfenden Rentenversicherungsträgers

Leitsatz
  1. Im Rahmen der nach § 28p Abs. 1 SGB IV von den Rentenversicherungsträgern turnus­mäßig durchzuführenden Betriebsprüfungen hat der Rentenversiche­rungsträger ab 1. Januar 2009 separate Feststellungen zum Insolvenzschutz von Wertguthaben zu treffen und bei einer Verletzung der Insolvenzsicherungspflicht Sanktionen zu ergreifen.

SVMWIndex k7s4a5

Beitragspflicht im Rahmen flexibler Arbeitszeitregelungen

Leitsatz
  1. Für beide Formen der flexiblen Arbeitszeitregelung gilt, dass der Beitragsanspruch für die in ein Guthaben eingestellten Entgelte erst mit der Auszahlung entsteht.

SVMWIndex k7s4a6

Verwendung von Wertguthaben

Leitsatz
  1. Das Wertguthaben aufgrund einer Vereinbarung nach § 7b SGB IV kann für vertraglich vereinbarte vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung oder vertrag­lich vereinbarte Verringerung der Arbeitszeit in Anspruch genommen werden.

SVMWIndex k7s4a7

Portabilität von Wertguthaben

Leitsatz
  1. Der Beschäftigte hat bei Beendigung der Beschäftigung seit dem 1. Juli 2009 zwei Optionen, das Wertguthaben zu übertragen und damit einen ›Störfall‹ abzuwenden.

SVMWIndex k7s4a8

Nicht vereinbarungsgemäße Verwendung des Entgeltguthabens

Leitsatz
  1. Als Störfall werden Ereignisse bezeichnet, die dazu führen, dass das bei flexibler Arbeitszeit angesparte Wertguthaben nicht in der Freistellungsphase ausgezahlt und damit nicht mehr zweckentsprechend verwendet werden kann.

SVMWIndex k7s4a9