Die Systematik der gesetzlichen Sozialversicherung

Tätigkeitsstatus

Einheitliche Rechtsordnung

Einheit der Rechtsordnung

Leitsatz
  1. Die Beurteilung einer Vertragsbeziehung kann nur unter Berücksichtigung der Rechtsgrund­sätze des jeweiligen Rechtsgebietes erfolgen.

Einheit der Rechtsordnung ist ein fachsprachlicher Ausdruck der Rechtswissenschaft, der die jeweilige Rechtsordnung als Einheit beschreibt, die sich nicht widersprechen soll. Die Fülle der Rechtsnormen wird also als widerspruchsfreies System betrachtet. So hat der Gesetzgeber z. B. bei den Abgaben das in der Sozialversicherung beitragspflichte Arbeitsentgelt eng an den steuerpflichtigen Arbeitslohn ge­koppelt.

Der Begriff ›Arbeitsentgelt‹ → Weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts

Einheit der Rechtsordnung bedeutet aber nicht, dass Gesetzesbegriffe in jedem Gesetz in gleichem Sinne verwen­det werden müssen. Es gilt der allgemeine Grundsatz der Relativität der Rechtsbegriffe und die grund­sätzliche Freiheit des Gesetzgebers für ein jeweiliges Gesetz, Gesetzesbegriffe zu ver­wenden, die von gleich oder ähnlich lautenden Gesetzesbegriffen abweichen. Nur bei wirklich gleicher Interessen­lage folgt aus der Einheit der Rechtsordnung, dass die Auslegung verschiedener Gesetze auch gleich zu er­folgen hat.

Unterschiedliche Zielsetzungen

Auch bei der Statuseinstufung einer Vertrags­beziehung gilt das rechtsstaatliche Gebot, die Einheit der Rechtsordnung zu wahren. Deshalb streben sowohl die Gerichte wie auch die Verwaltung eine möglichst gleichartige Statusein­stufung in den Rechtsgebieten des Arbeits‑, Sozialversicherungs‑ und Steuerrecht an. Auch bei der statusrechtlichen Beurteilung einer Vertragsbeziehung ist aber stets die gesetzliche Intension zu beachten. Die statusrechtliche Beurteilung einer Vertragsbeziehung kann des­halb letztlich immer nur unter Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze des jeweiligen Rechts­gebietes erfolgen. Zudem ist es jeder Rechtsvorschrift immanent, dass sie von den Gerichten verschiedener Rechtsgebiete unterschiedlich ausgelegt wird.

Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen können deshalb in den Rechtsgebieten des Arbeits‑, Sozial­versicherungs‑ und Steuerrechts für ein und dieselbe Vertragsbeziehung durchaus auch diver­gierende Statusbewertungen vorgenommen werden, ohne dass der Gemeinsame Senat der obersten Gerichts­höfe des Bundes zwingend zur Entscheidung der Rechtsfrage einzuschalten wäre.

Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes

Rechtsgrundlage für die Errichtung des ›Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes‹ ist Art. 95 Abs. 3 GG. Das Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Ge­richtshöfe des Bundes (RsprEinhG) regelt die Einzelheiten. Der Gemeinsame Senat ist kein eigen­ständiges oberstes Bundesgericht, sondern wurde vielmehr als Vermittlungsorgan zwischen den obers­ten Bundesgerichten eingerichtet.

Der Gemeinsame Senat hat eine Rechtsfrage zu entscheiden, wenn ein oberstes Bundesgericht in ei­ner Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Bundesgerichts oder des Gemein­samen Senats abweichen will. Das vorlegende Gericht ist an die Entscheidung der Rechtsfrage durch den ge­meinsamen Senat gebunden. Dadurch soll die Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Ge­richtshöfe des Bundes gewährleistet werden.

SVMWIndex k1s3a1

Statuskongruenz

Leitsätze
  1. Die Definition einer nichtselbständigen Erwerbsarbeit ist im Sozialversicherungs‑, Arbeits‑ und Steuerrecht weitgehend übereinstimmend.

  2. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen können in den Rechtsgebieten des Arbeits‑, So­zialversicherungs‑ und Steuerrechts für ein und dieselbe Vertragsbeziehung auch diver­gierende Statusbewertungen vorgenommen werden.

  3. Wenn nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen ein Arbeitsverhältnis vorliegt ist regelmäßig auch von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Sozialversicherungsrechts auszu­gehen.

SVMWIndex k1s3a2

Sozialversicherungsrecht

Leitsatz
  1. Das Sozialversicherungsrecht gehört rechtssystematisch zum öffentlichen Recht und ba­siert auf dem Grundgedanken eines indisponiblen Versicherungsschutzes.

›Vermutetes‹ Beschäftigungsverhältnis

Im Jahr 1999 unternahm die Bundesregierung den Versuch, das Problem der ›Scheinselbständigkeit‹ durch eine gesetzliche Neuregelung in den Griff zu bekommen. Über den seinerzeit neu geschaffenen § 7 Abs. 4 SGB IV wurde der Begriff des ›vermuteten Beschäftigungsverhältnisses‹ eingeführt. Über die gesetzliche Neuregelung sollte die Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses erleichtert wer­den. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Die gesetzlichen Neuregelungen führten in der Praxis zu er­heblichen Fehlinterpretationen. Die Probleme ergaben sich im Wesentlichen aus Missverständnissen über die recht­liche Tragweite der Neuregelungen und aus divergierenden Entscheidungen der Versicherungs­träger über die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt.

Der hieraus resultierende öffentliche Druck zwang den Gesetzgeber bereits im Dezember 1999 zu einer rück­wirkenden Änderung des § 7 Abs. 4 SGB IV. Alle Versuche von Sozialrechtlern, mit Hilfe der ver­fehl­ten Neugestaltung des § 7 Abs. 4 SGB IV einen eigenständigen sozialversicherungsrechtlichen Arbeit­nehmerbegriff zu konstruieren, erwiesen sich als ebenso unhaltbar wie der Versuch von Arbeits­recht­lern, aus § 7 Abs. 4 SGB IV Rückschlüsse auf den arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zu gewin­nen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2003 hat der Gesetzgeber den Interpretationen dadurch Einhalt ge­boten, dass er den Begriff des ›vermuteten Beschäftigungsverhältnisses‹ wieder aus dem Gesetz ent­fernte.

Das im alten § 7 Abs. 4 SGB IV vom Gesetzgeber fingierte sogenannte ›Vermutete Be­schäf­tigungs­verhältnis‹ hat damit zwar keine unmittelbare Bedeutung mehr, die dort genannten Kriterien sind aber im Rahmen einer Statusüberprüfung auch weiterhin Merkmale, die auf ein Beschäftigungsverhältnis hin­deuten.

Das formelle Vertragsverhältnis → Besonderer Fokus im Rahmen der Sozialversicherungsprüfung

SVMWIndex k1s3a3

Arbeitsrecht

Leitsatz
  1. Abschluss, Inhalt und Form des Arbeitsvertrages können frei vereinbart werden, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifver­trages oder eine Betriebsvereinbarung dem entgegenstehen.

SVMWIndex k1s3a4

Steuerrecht

Leitsatz
  1. Die Entscheidungen der Finanzverwaltung und ‑gerichte sind im Einzelfall auch durch Elemente einer fiskalischen Vereinfachung beeinflusst.

SVMWIndex k1s3a5