Die Systematik der gesetzlichen Sozialversicherung

Prüfverfahren

Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags

Das Prüfrecht

Leitsätze
  1. Zuständig für die Betriebsprüfungen im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversiche­rungsbeitrag sind ausschließlich die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.

  2. Die Betriebsprüfung braucht nicht umfassend oder erschöpfend zu sein, sie kann sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken.

Bis zum Jahre 1995 waren grundsätzlich die Krankenkassen als Einzugsstellen des Gesamtsozialver­sicherungsbeitrags auch für die Beitragsüberwachung zuständig. Die Träger der Deutschen Renten­versicherung hatten sich lediglich in ›ausreichendem Maße‹ an den Betriebsprüfungen zu beteiligen.

Nach einer bis Ende 1998 andauernden Übergangsphase, hat der Gesetzgeber im Jahre 1999 die Prüf­kompetenz vollständig auf die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen. Seitdem werden alle Prüfungen im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag in alleiniger Zuständig­keit von den Prüfern der Deutschen Rentenversicherung durchgeführt. Lediglich den land­wirt­schaftlichen Krankenkassen wurde weiterhin ein eigenes Prüfrecht für die bei ihnen versicherten Familienangehörigen eingeräumt.

Während die Krankenkassen nur berechtigt waren, im Rahmen ihrer Betriebsprüfungen die Beschäfti­gungsverhältnisse der bei ihnen angemeldeten Beschäftigten zu prüfen, müssen die Prüfer der Renten­versicherungsträger – ohne Rücksicht auf Mitgliedschaften – grundsätzlich alle Beschäftigungsverhält­nisse prüfen. Zwar müssen sich die Arbeitgeber seit 1999 damit zeitlich grundsätzlich auf ein etwas längeres Prüfverfahren einstellen, durch den Wegfall von ›Mehrfachprüfungen‹ durch verschie­dene Krankenkassen ist letztendlich aber eine eindeutige zeitliche Entlastung und zudem durch den Wegfall divergierender Entscheidungen auch eine größere Rechtssicherheit eingetreten.

Sinn und Zweck der Betriebsprüfungen

Eine Betriebsprüfung stellt einen staatlichen Eingriff in die Rechtssphäre von Unternehmen dar. Be­triebs­prüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungs­träger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Per­sonen Leistungsansprüche entstehen.

Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu und kann ihnen schon deshalb nicht zukommen, weil die Betriebsprüfung nicht umfassend oder er­schöpfend zu sein braucht und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken darf. Ins­besondere bezwecken die Betriebsprüfungen nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa ›Entlastung‹ zu erteilen.

Die stichprobenartige Prüfung entspricht einer jahrzehntelangen Praxis, die sowohl der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung unbeanstandet gelassen haben. Wie das Bundessozialgericht feststellte, kann selbst bei ›kleineren‹ Betrieben eine Betriebsprüfung auf Stichproben beschränkt bleiben. Ein Hinweis auf die stichprobenartige Prüfung muss nicht zwingend im Bescheid enthalten sein.

Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge → Der Beitragsschuldner

Prüfschwerpunkte (GSV) → Wesentliche Prüfungsinhalte

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Amtsermittlungsgrundsatz

Der für alle Verwaltungsverfahren geltende Grundsatz der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen gilt auch für das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV. Der Betriebsprüfer hat im Rahmen der Gesamtwürdigung des Sachverhaltes auch die für die Rechtsauffassung des Arbeitgebers sprechenden Argumente zu berücksichtigen.

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Rücknahme und Aufhebung von Bescheiden der Einzugsstellen

Die Einzugsstelle ist im deutschen Sozialversicherungssystem diejenige Stelle, die die Gesamtsozial­versicherungsbeiträge bei den Arbeitgebern einzieht und an die einzelnen Sozialversicherungsträger und den Gesundheitsfonds arbeitstäglich weiterleitet. Zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozial­versicherungsbeitrag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird. Die Krankenkassen als Einzugsstellen des Gesamtsozialversicherungsbeitrages treffen erforderlichenfalls Entscheidungen über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken‑, Pflege‑, Renten‑ und Arbeitslosenversicherung. Das geschieht in Form eines Verwaltungsaktes. Ein Verwaltungsakt der Einzugsstelle nach § 28h Abs. 2 SGB IV liegt vor, wenn sie sich in einem konkreten Einzelfall verbindlich zur Versicherungspflicht oder Beitragshöhe äußert. In aller Regel wird der Verwaltungsakt schriftlich ergehen. Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, wider­ru­fen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

Anlässlich einer Sozialversicherungsprüfung nach § 28p SGB IV prüfen die Rentenversicherungsträger auch, ob die von den Einzugsstellen erlassenen Verwaltungsakte zur Beitrags‑ und Versicherungs­pflicht in Übereinstimmung mit geltendem Recht ergangen sind. Ein Verwaltungsakt ist dann recht­mäßig, wenn er in Anwendung einer rechtmäßigen Rechtsgrundlage erfolgte und formell und materiell recht­mäßig ist. Nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes entscheidet über die Rücknahme oder Auf­hebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer ande­ren Behörde erlassen worden ist. Im Rahmen einer Sozialversicherungs­prüfung kann der Rentenversicherungsträger als zuständige Behörde die von Krankenkassen (Einzugsstellen) getroffenen Entscheidungen abändern oder aufhe­ben. Die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers kann von den Einzugsstellen nicht angefochten werden.

Grundsätzlich soll sich der Bürger auf die Rechtmäßigkeit und die Bestandskraft einer für ihn positiven Entscheidung verlassen können. Werden den Prüfern der Rentenversicherung in einer Betriebsprüfung Verwaltungsakte der Einzugsstellen vorgelegt, sind sie grundsätzlich an die darin getroffenen Entschei­dungen gebunden. Eine Rücknahme der Einzugsstellenentscheidung ist nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen möglich, die in den §§ 44 ff. SGB X normiert sind. Ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Ver­waltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.

Korrektur von Bescheiden → Rücknahme eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 SGB X)

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Rechtsfolgen von Betriebsprüfungen

Nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide, die aufgrund einer (steuer­lichen) Außenprüfung ergangen sind, nur dann aufzuheben oder zu ändern, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leicht­fertige Steuerverkürzung vorliegt. Das geltende Sozialversicherungsrecht enthält keine Vorschrift, die mit der Änderungssperre des § 173 Abs. 2 Satz 1 AO vergleichbar wäre.

Keine unzulässige Rechtsausübung

Das Bundessozialgericht hat sich bereits mehrfach mit den Rechtsfolgen von Betriebsprüfungen beschäftigt, bei denen es zunächst keine Beanstandungen gab, sich jedoch später herausstellte, dass die Versicherungs‑ und Beitragspflicht von Beschäftigten vom geprüften Arbeitgeber bereits im Prüf­zeitraum unzutreffend beurteilt wurden, dies im Rahmen der Betriebsprüfung aber nicht aufgefallen war.

Wie das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung feststellte, können Arbeitnehmer ebenso wie Arbeitgeber aus solchen Betriebsprüfungen grundsätzlich keine weiter gehenden Rechte herleiten.

Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden ›besonderen Umstände‹ liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungs­verhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maß­nah­men so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.

Betriebsprüfungen bzw. die das Ergebnis der Prüfung festhaltende Prüfberichte der Versicherungsträ­ger bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa mit Außenwirkung ›Entlastung‹ zu erteilen. Dem berechtigten Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in angemessenen Grenzen zu halten, wird bereits durch die kurze Verjährungsfrist des § 29 Abs. 1 RVO (nunmehr § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) hinreichend Rechnung getragen.

Verjährung der Beitragsansprüche → 4‑jährige Verjährungsfrist

Die Beitragspflichtigen dürfen zwar nicht für eine zurückliegende Zeit mit einer Beitragsnachforderung überrascht werden, die in Widerspruch steht zu dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf deren Rechtmäßigkeit sie vertraut haben und vertrauen durften. Das Geltendmachen der Beitrags­forderungen widerspricht aber nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben; es liegt in diesem Fall keine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor.

Allgemeine Äußerung einer Rechtsansicht oder Hinweise

Ist im Protokoll der Schlussbesprechung ein Hinweis enthalten, dass weitere Arbeitnehmer geprüft wurden und die Prüfung zeitintensiv gewesen sei, so kann daraus nicht geschlossen werden, die gesamte Praxis der Meldungen und Beitragszahlung eines Arbeitgebers wäre in Bezug auf sämtliche Betriebs­angehörigen unter allen denkbaren Aspekten behördlicherseits für ›in Ordnung‹ befunden worden.

Die allgemeine Äußerung einer Rechtsansicht durch einen Betriebsprüfer im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung ist kein die Verwaltung bindender Verwaltungsakt, weil mit einer solchen Erklärung keine konkrete Regelung für den Einzelfall getroffen wird. In den Erklärungen der Betriebsprüfer kann deshalb keine verbindliche Zusage gesehen werden. Im Widerspruch zu zwingenden gesetzlichen Vorgaben kann keine Selbstbindung der Verwaltung entstehen. Eine Selbstbindung aufgrund einer früheren Verwaltungspraxis kann nur im Rahmen eines der Verwaltung eingeräumten Beurtei­lungs­spielraums oder Ermessens eintreten.

(Bedingter) Vertrauensschutz

Das Bayerische Landessozialgericht vertrat hinsichtlich der Bestandskraft abgeschlossener Betriebs­prüfungen die Auffassung, dass es dem Regelungsgehalt der vorangegangenen Entscheidung wider­spreche, wenn die Prüfbehörde für diese bestandskräftig geprüften und beschiedenen Prüfzeiträume einen neuen Bescheid mit anderem Inhalt erlassen dürfe. »Die Prüfbehörde müsse nach der Gesamt­konzeption des Verfahrensrechts im SGB X die frühere Entscheidung zunächst nachträglich beseitigen und dabei § 45 SGB X anwenden.« Wie das Bundessozialgericht inzwischen jedoch festgestellt hat, bedarf es einer Aufhebung des vorhergehenden Prüfbescheides nicht.

Die Bindungswirkung bzw. Bestandskraft eines früheren Bescheides steht grundsätzlich weder der Festsetzung von Beiträgen noch der Erhebung von Säumniszuschlägen für bereits geprüfte Zeiträume entgegen. Eine materielle Bindungswirkung könnte sich lediglich insoweit ergeben, als Versiche­rungs‑ und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung personen­bezogen für bestimmte Zeiträume durch Verwaltungsakt festgestellt wurden.

Hinweise zu den beanstandeten Sachverhalten

Der Gesetzgeber hat dem Arbeitgeber durch die Änderung der Beitragsverfahrensverordnung zum 1. Januar 2017 insoweit mehr Rechtssicherheit eingeräumt, indem er den prüfenden Rentenversiche­rungs­träger verpflichtet, dem Arbeitgeber durch den Prüfbescheid oder das Abschlussgespräch zur Prüfung Hinweise zu den festgestellten Sachverhalten zu geben, damit dieser in den weiteren Verfah­ren fehlerhafte Angaben vermeiden kann. Wie das Bundessozialgericht ausführte, muss der Bescheid des Rentenversicherungsträgers deshalb den Umfang der Stichprobenprüfung, die geprüften Personen und das Ergebnis der Betriebsprüfung festhalten.

Durch die Änderung des Wor­tes ›festgestellten‹ durch das Wort ›beanstandeten‹ hat der Gesetzgeber nunmehr jedoch klargestellt, das es sich bei der Unterstützung des Arbeitgebers durch die Renten­ver­sicherungsträger lediglich um gezielte Hinweise in den ›konkret beanstandeten Sachverhalten‹ handelt. Die Regelung soll das Melde‑ und Beitragsnachweis­verfahren nachhaltig und qualitativ stärken. Eine gesetzlich verpflichtende und umfängliche Beratung zu allen von der Prüfung erfassten Sachverhalten soll hingegen nicht bewirkt werden.

Hinweise zu den geschäftsführenden GmbH‐Gesellschaftern

Wie das Bundessozialgericht zudem ausführte, sind die prüfenden Rentenversicherungsträger ver­pflichtet, die Betriebsprüfung auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende GmbH‐Gesellschafter zu erstrecken, sofern ihr sozialversiche­rungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist. Die getrof­fenen Feststellungen sind bei folgenden Betriebsprüfungen zu beachten und können unter Umständen einer abweichenden Beurteilung entgegen gehalten werden. Die Rentenversicherungsträger haben be­schlossen, die Forderung des Bundessozialgerichts ab 1. Januar 2021 in die Praxis umzusetzen.

SVMWIndex k7s1a1

Die Prüfzuständigkeit

Leitsatz
  1. Um Mehrfachprüfungen zu vermeiden hat der Gesetzgeber festgelegt, dass ein Arbeit­geber jeweils nur von einem Rentenversicherungsträger zu prüfen ist.

SVMWIndex k7s1a2

Prüfungsanlass

Leitsatz
  1. Die Rentenversicherungsträger sind verpflichtet, turnusmäßig mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern zu prüfen.

Turnusmäßiger Prüfrhythmus

In Anlehnung an die Verjährungsvorschrift des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind die Rentenversiche­rungsträger verpflichtet, turnusmäßig mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern zu prüfen, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusam­menhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Wenn der Arbeitgeber es verlangt, soll die Prüfung in kürzeren Zeitabständen erfolgen.

Die Rentenver­sicherungsträger prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldun­gen; die Prüfung umfasst aber auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Umlagen gehören zwar nicht zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag, für den die Prüfzuständigkeit in § 28p Abs. 1 SGB IV geregelt ist. Die Bestimmungen des SGB IV über die Einziehung des Gesamt­sozialversicherungsbeitrags gelten jedoch auch für die Umlagen nach dem LFZG (nunmehr EntgFG).

SVMWIndex k7s1a3

Ort der Prüfung

Leitsätze
  1. Prüfungsort ist in der Regel der Standort des Arbeitgeberbetriebes oder der Standort der vom Arbeitgeber beauftragten Abrechnungsstelle.

  2. Ab 1. Januar 2023 wird die elektronisch unterstützte Betriebsprüfung für den Teil der Ent­gelt­abrechnung gesetzlich verpflichtend.

SVMWIndex k7s1a4

Prüfankündigung

Leitsatz
  1. Eine Anmeldung zur Betriebsprüfung kann entweder telefonisch oder schriftlich erfolgen.

SVMWIndex k7s1a5

Prüfung der Geschäftsunterlagen

Leitsätze
  1. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Prüfhilfen zu leisten.

  2. Die Rentenversicherungsträger sind berechtigt, auch über den Bereich der Lohn‑ und Ge­halts­abrechnung hinaus die gesamte Finanzbuchhaltung einschließlich der Aufwands­konten zu prüfen, ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen müssen.

SVMWIndex k7s1a6

Mitwirkungspflichten

Leitsatz
  1. Um eine ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsprüfungen nach § 28p Abs. 1 SGB IV zu gewährleisten, wurden sowohl den Arbeitgebern als auch den Beschäftigten diverse Mitwir­kungspflichten auferlegt.

Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers

Die Arbeitgeber sind verpflichtet, Betriebsprüfungen zuzulassen und angemessene Prüfhilfen zu leisten. Der Arbeitgeber hat Auskunft über alle Tatsachen zu geben, die für die Beitragserhebung notwendig sind. Der § 98 SGB X gilt gemäß § 166 Abs. 1 SGB VII auch für die UV‐Prüfung.

Mitwirkungspflichten des Beschäftigten

Die Versicherungsträger können ohne Mitwirkung des Beschäftigten ihrer Aufgabe zur ordnungsgemäßen Durchführung einer Betriebsprüfung nicht nachkommen. Der § 28o Abs. 2 SGB IV verpflichtet deshalb den Beschäftigten, gegenüber dem Versicherungsträger alle notwenigen Angaben zu machen, die der Versicherungsträger zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt.

Der Beschäftigte hat dem prüfenden Sozialversicherungsträger auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Art und Dauer seiner Beschäftigungen, die hierin erzielten Arbeitsentgelte, seine Arbeitgeber und die für die Erhebung von Beiträgen notwendigen Tatsachen zu erteilen. Er hat zudem alle für die Prüfung der Meldungen und Beitragszahlung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Diese Vorschrift gilt auch über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses hinaus.

Ergänzt wird die Auskunfts‑ und Vorlageverpflichtung des Beschäftigten durch die Regelungen in § 196 SGB VI. Nach dieser Vorschrift hat ein Versicherter bzw. eine Person, für die eine Versicherung durch­geführt werden soll, gegenüber dem Rentenversicherungsträger über alle Tatsachen, die für die Feststellung der Versicherungs‑ und Beitragspflicht und für die Durchführung der den Trägern der Ren­tenversicherung übertragenen Aufgaben (z. B die Durchführung von Betriebsprüfungen) erforder­lich sind, auf Verlangen unverzüglich Auskunft zu erteilen, soweit nicht bereits nach § 28o SGB IV eine Auskunftspflicht besteht.

Die über § 28o SGB IV hinausgehende Mitwirkungsverpflichtung des § 196 Abs. 1 SGB VI begründet gerade für bislang noch nicht Versicherte und nicht angemeldete Beschäftigte eine Mitwirkungs­ver­pflichtung und betrifft somit vor allem den Bereich der ›Scheinselbständigen‹. Diese können die Angaben gegenüber dem Betriebsprüfer nicht mit der Begründung verweigern, sie hielten sich nicht für versicherungspflichtig, da gerade die Überprüfung der Versicherungspflicht einer der wesentlichen Gründe für die Durchführung von Betriebsprüfungen ist.

Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 28o SGB IV eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht recht­zeitig erteilt oder die erforderlichen Unterlagen nicht, nicht vollständig oder nicht recht­zeitig vorlegt. Die Ordnungswidrig­keit kann mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden.

SVMWIndex k7s1a7

Sanktionsmöglichkeiten

Leitsatz
  1. Die Rentenversicherungsträger haben seit dem 1. Januar 1996 das Recht, für Ordnungs­widrigkeiten im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung sowie bei Meldeverstößen Buß­gelder zu verhängen.

Zwangsgeld

Das Zwangsgeld ist ein Ordnungsmittel zur zwangsweisen gerichtlichen oder behördlichen Durch­setzung von Verhaltenspflichten, die der Verpflichtete selbst erfüllen kann. Das Zwangsgeld ist ein in die Zukunft gerichtetes Beugemittel, das aber weder Straf‑ noch Buß­geldcharakter hat und demzufolge kein Verschulden voraussetzt. Das Zwangsgeld dient lediglich der Willensbeeinflussung desjenigen, dem es angedroht wird. Durch die Androhung bzw. Festsetzung eines Zwangsgeldes soll ein in einem Bescheid gefordertes zukünftiges Verhalten (z.B. Vorlage von Unter­lagen oder Zulassung einer Betriebs­prüfung) ›erzwungen‹ werden.

Unanfechtbarer Verwaltungsakt

Voraussetzung für die Durchführung des Zwangsgeldverfahrens ist das Vorliegen eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes bzw. eines Verwaltungsaktes, bei dem ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Der Verwaltungsakt muss auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet sein.

Ein Widerspruch hat nur dann keine aufschiebende Wirkung, wenn die sofortige Vollziehung angeord­net wird. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann im öffentlichen Interesse oder im überwie­genden Interesse eines Beteiligten liegen. Die Begründung ist am jeweiligen Einzelfall auszurichten.

Zwangsgeldverfahren
Verfahrensschritte Bemerkungen
Androhung des Zwangsgeldes

Das Zwangsgeld ist vor seiner Verwendung schriftlich in bestimm­ter Höhe anzudrohen. Zuständig für die Androhung eines Zwangs­mittels ist die Ausgangsbehörde, die den Grundverwaltungsakt erlassen hat.

Enthält der Grundverwaltungsakt ein Handlungsgebot für den Adressa­ten, dann ist dem Betroffenen in der Androhung eines Zwangs­mittels eine angemessene Frist zur Erfüllung dieser Handlungspflicht zu be­stimmen. Ist der Grundver­waltungsakt nicht für sofort vollziehbar er­klärt worden und noch nicht bestands­kräftig, darf die gesetzte Frist die Rechtsbehelfsfrist von einem Monat ab Bekanntgabe nicht unterschrei­ten. Im Falle einer Unterlassungs‑ oder Duldungs­verfügung ist eine Fristsetzung nicht erforderlich. Eine Anhörung ist vor dem Erlass des ›Androhungs­verwaltungsaktes‹ nicht notwendig, weil die Androhung eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung ist.

Wird hingegen die Androhung mit dem Verwaltungsakt, der voll­streckt werden soll, verbunden, muss der Adressat in Bezug auf den Grund­verwaltungsakt vorher angehört werden.

Kommt der Betroffene der Handlungsaufforderung nach, muss das Zwangsgeld nicht bezahlt werden.

Höhe des Zwangsgeldes

Die Höhe des Zwangsgeldes bestimmt der Versicherungs­träger nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Das Zwangs­geld muss seiner Höhe nach in einem angemessenen Ver­hältnis zu seinem Zweck, zu dem zu erwartenden Ergebnis und zur wirtschaftlichen Leistungs­fähigkeit des Betroffenen stehen. Das Zwangsgeld darf maximal 25.000 Euro betra­gen.

Aufgrund von landesrechtlichen Vorschriften ist zum Teil sogar ein Zwangs­geld bis zu 50.000 Euro möglich.

Zwangsgeldbescheid

Die Festsetzung des Zwangsgeldes hat durch einen gesonderten schrift­lichen Verwaltungsakt zu erfolgen. Der Zwangsgeldbescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung und einer Zahlungsfrist zu ver­sehen. Er kann somit mit einem Widerspruch angefochten werden.

Wird auch nach Festsetzung des Zwangsgeldes noch immer nicht ge­leistet, wird das Zwangsgeld vollstreckt.

Ersatzzwangshaft

Bei ›Uneinbringlichkeit‹ des festgesetzten Zwangsgeldes hat das Ver­waltungs­gericht die Möglichkeit eine Ersatzzwangshaft anzuordnen. Un­einbringlich ist das Zwangsgeld, wenn nach ordnungsgemäßer Fest­set­zung eines Zwangsgeldes ein durchgeführter Beitreibungs­versuch er­folglos blieb.

Die Ersatzzwangshaft ist kein eigenständiges Zwangsmittel, son­dern erfordert die Erfolglosigkeit der Eintreibung eines Zwangs­geldes. Die Ersatzzwangshaft beträgt mindestens einen Tag, höchstens zwei Wo­chen.

SVMWIndex k7s1a8

Das Anhörungsverfahren

Die Anhörung Beteiligter verwirklicht den rechtsstaatlichen Anspruch auf rechtliches Gehör im sozial­rechtlichen Verwaltungsverfahren und vor Gericht. Die Anhörung schützt den Beteiligten vor über­raschenden Eingriffen und gibt ihm Gelegenheit, sich zu der zur Entscheidung stehenden Angelegen­heit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Damit hat der Beteiligte die Möglichkeit, bereits im Vorfeld auf die Verwaltungsentscheidung einzuwirken und sich Klarheit über die Erfolgsaus­sichten einer gerichtlichen Klage zu verschaffen.

Eine formelle Anhörung gemäß § 24 SGB X ist grundsätzlich eine Voraussetzung für die Recht­mäßigkeit des danach zu erlassenden Verwaltungsaktes. Wird die Anhörungspflicht verletzt, so liegt ein Verfah­rensfehler vor, der den ergangenen Verwaltungsakt formell rechtswidrig werden lässt. Der Verfahrens­fehler kann jedoch geheilt werden, indem die Anhörung im Rahmen des Widerspruchver­fahrens nachgeholt wird. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 2 SGB X kann eine unterlassene formelle Anhörung ggf. noch bis zur Beendigung des Verfahrens in der letzten Tatsacheninstanz (Lan­dessozialgericht) nachgeholt werden.

Widerspruchsverfahren (Vorverfahren) → Die Anhörung

Landessozialgericht (zweite Instanz) → Letzte Tatsacheninstanz

Da es sich bei dem Bescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers um einen Verwaltungsakt im Sinne des SGB X handelt, hat auch der prüfende Rentenversicherungsträger dem Arbeitgeber vor Erlass des Bescheides im Rahmen einer formellen Anhörung noch einmal die Möglichkeit zu geben, sich zu den festgestellten Beanstandungen zu äußern. Der Arbeitgeber hat damit noch vor dem Erlass des Prüfbescheides die Möglichkeit ergänzende Unterlagen nachzureichen und eigene Rechtsauf­fassungen darzulegen.

Die Anhörung im Verwaltungsverfahren kann grundsätzlich schriftlich, mündlich und auch fernmünd­lich erfolgen. Dies folgt aus dem Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens. Eine tele­fonische Anhörung erfordert aber zumindest, dass dem Arbeitgeber zunächst eine hinreichende Frist eingeräumt wird, innerhalb derer er die Möglichkeit hat, sich sachkundig zu machen, Über­legungen anzustellen und sich danach zu äußern. Eine telefonische Anhörung mit gleichzeitiger Rückäußerung durch den Arbeitgeber erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 SGB X.

Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen

Ein formelles schriftliches Anhörungsverfahren wird in der Regel dann durchgeführt, wenn es sich um höhere Beitragsnachforderungen handelt, Statusfeststellungsverfahren durchgeführt wurden oder der Arbeitgeber im Rahmen der Schlussbesprechung signalisiert, dass er gegen den Bescheid Rechtmittel einlegen will. In der Anhörung hat der prüfende Rentenversicherungsträger dem Arbeitgeber die ent­scheidungserheblichen Tatsachen mitzuteilen. Entscheidungserheblich sind alle Tatsachen, auf die die Behörde den Verfügungssatz gestützt hat oder auf die es nach ihrer materiell‐rechtlichen Ansicht objektiv ankommt. Die entscheidungserheblichen Tatsachen müssen dem Betroffenen in einer Weise unterbreitet werden, dass dieser sie als für die Entscheidung erheblich erkennen und sich zu ihnen sachgerecht äußern kann.

In der Praxis verzichten die Arbeitgeber meist auf die Durchführung eines formellen schriftlichen Anhörungsverfahrens, sodass Schlussbesprechung und Anhörung in einem Akt zusammenfallen. Die Prüfer nutzen das Abschlussgespräch regelmäßig auch, um zu beraten und Hinweise zur Optimierung der Arbeit in Bezug auf die sozialversicherungsrechtlichen Erfordernisse zu geben. Deshalb ist es rat­sam, an diesem Termin alle Verantwortungsträger des Unternehmens teilnehmen zu lassen.

Anhörungsfrist

Für die Rückäußerung muss dem Betroffenen eine angemessene Frist gewährt werden. Eine unan­gemessen kurze Anhörungsfrist steht einer unterlassenen Anhörung gleich und stellt somit einen Ver­fahrensfehler dar.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hängt die Angemessenheit der Anhörungsfrist vom Schwierigkeitsgrad der entscheidungserheblichen Tatsachen ab. Grundsätzlich wird eine Frist von zwei Wochen als Mindestfrist angesehen. Beim Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls kann die Verwaltung jedoch verpflichtet bzw. berechtigt sein, ausnahmsweise eine längere bzw. kürzere Anhö­rungsfrist einzuräumen. Grundsätzlich sind zur Anhörungsfrist noch die Postlaufzeiten für die Hin‑ und Rücksendung hinzuzurechnen. Die Anhörungsfrist kann verlängert werden, wenn der Betroffene die Frist ohne sein Verschulden nicht einhalten kann. Erfolgt nach dem Ablauf der Anhörungsfrist keine Reak­tion, kann der Sozialversicherungsträger davon ausgehen, dass sich der Beteiligte nicht äußern wird.

Leitsätze
  1. Vor Erlass des Bescheides hat der prüfende Rentenversicherungsträger dem Arbeitgeber im Rahmen einer Anhörung noch einmal die Möglichkeit zu geben, sich zu den fest­gestellten Beanstandungen zu äußern.

  2. In der Praxis wird die Anhörung häufig im Rahmen der Schlussbesprechung durchgeführt.

SVMWIndex k7s1a9

Der Prüfbescheid

Leitsätze
  1. Das Ergebnis der Prüfung ist dem Arbeitgeber innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Prüfung mitzuteilen.

  2. Ist der Arbeitgeber mit den Beanstandungen nicht einverstanden, muss er binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides Widerspruch erheben.

SVMWIndex k7s1a10