Die Systematik der gesetzlichen Sozialversicherung

Prüfverfahren

Prüfschwerpunkte (GSV)

Stichprobenprüfung

Leitsatz
  1. Die turnusmäßig durchzuführenden Betriebsprüfungen gemäß § 28p SGB IV können nicht umfassend oder erschöpfend sein, sie beschränken sich regelmäßig nur auf Stichproben.

SVMWIndex k7s2a1

›Statusüberprüfungen‹

Leitsatz
  1. Im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV werden stichprobenartig auch die Vertragsverhältnisse der selbständigen Auftragnehmer überprüft, um festzu­stellen, ob der sozialversicherungsrechtliche Status korrekt beurteilt wurde (›Scheinselbständigkeit‹).

SVMWIndex k7s2a2

Versicherungspflicht/Versicherungsfreiheit

Leitsätze
  1. Grundsätzlich unterliegen alle Beschäftigten der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung.

  2. Geht der Arbeitgeber von Versicherungsfreiheit aus, hat er dies im Rahmen einer Betriebs­prüfung zu belegen.

SVMWIndex k7s2a3

Krankenversicherungspflicht (JAE‑Überschreiter)

Leitsatz
  1. Im Rahmen einer turnusmäßig durchzuführenden Sozialversicherungsprüfung wird regel­mäßig überprüft, ob der Arbeitgeber die am Ende eines jeden Jahres für das nächste Kalen­derjahr vorzunehmende Prüfung der Krankenversiche­rungspflicht richtig beurteilt hat.

SVMWIndex k7s2a4

Überprüfung der Beitragsberechnung

Leitsatz
  1. Im Rahmen einer Sozialversicherungsprüfung wird regelmäßig überprüft, ob Sozialversiche­rungsbeiträge vom Arbeitgeber korrekt berechnet und vollständig und rechtzeitig nachge­wiesen wurden.

SFN‐Zuschläge (Entgeltfortzahlung)

Besteht nach § 3 Abs. 1 EFZG ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, ist dem Arbeitnehmer gemäß § 4 Abs. 1 EntFG das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Ar­beits­entgelt fortzuzahlen. Das in dieser Norm verankerte modifizierte Entgeltausfallprinzip erhält dem Arbeit­nehmer grundsätzlich die volle Vergütung (Entgeltausfallprinzip). Zum fortzuzahlenden Entgelt zählen auch Zu­schläge für Sonntags‑, Feiertags‑ oder Nachtarbeit, wenn zu den entsprechenden Zeiten Arbeit ange­fallen wäre.

Hat der Arbeitgeber für bezahlte Fehlzeiten (Urlaub und Arbeitsunfähigkeit) keine Sonn‑, Feier­tags‑ oder Nachtarbeitszuschläge gezahlt und wurden diese nicht explizit tarifvertraglich ausgeklam­mert, führt dies im Rahmen einer Sozialversicherungsprüfung regelmäßig zu Beitragsnach­berech­nungen.

Das fortzuzahlende Arbeitsentgelt → Entgeltfortzahlung (Beurteilungsschema)

Sozialversicherungsrechtlich tritt die Beitragspflicht für geschuldete Sonn‑, Feiertags‑ und Nachtzu­schläge auch dann ein, wenn Arbeitgeber ihrer Entgeltfortzahlungspflicht an ihre Arbeitnehmer nicht vollumfänglich nachkommen. Anders als im Steuerrecht, in dem das ›Zuflussprinzip‹ maßgebend ist, sind die Beiträge zur Sozialversicherung nach dem sogenannten ›Entstehungsprinzip‹ zu berechnen. Während die Lohnsteuer in der Regel erst bei Auszahlung der SFN‐Zuschläge abzuführen ist, sind Sozialversicherungsbeiträge – unabhängig davon, ob das Entgelt ausgezahlt wurde oder nicht – bereits dann fällig, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entstanden ist. Die vom Arbeitgeber geschuldeten und nicht ausgezahlten SFN‐Zuschläge werden deshalb als sogenannter ›Phantomlohn‹ in die Lohnberechnung mit einbezogen und entsprechende Sozialversicherungsbeiträge nachberechnet.

Fälligkeit der Beitragszahlung → Entstehungsprinzip für laufendes Arbeitsentgelt

Da die Steuer‑ und Beitragsfreiheit von SFN‐Zuschlägen nur dann greift, wenn diese tatsächlich erarbeitet wurden, sind fortzuzahlende SFN‐Zuschläge im Falle von Urlaub oder Krankheit voll steuer‑ und beitragspflichtig.

Entgeltkatalog → SFN‐Zuschläge

Personenbezogene Feststellung

Grundsätzlich muss der Rentenversicherungsträger genau ermitteln, welche Zuschläge dem Mitar­beiter aufgrund welcher Schicht zustanden. Eine nachträgliche personenbezogene Ermittlung der geschul­deten Entgelte aus Sonn‑, Feiertags‑ und Nachtzuschlägen während Urlaub, Arbeitsunfähigkeit und an Feiertagen ist jedoch mit einem erheblichen Aufwand verbunden und ist in der Praxis meist kaum mehr nachvollziehbar.

Summenbeitragsbescheid (Bildung einer ›Fehlzeitenquote‹)

Eine Beitragsnachberechnung erfolgt in der Praxis daher im Regelfall im Rahmen einer Schätzung über die Bildung einer durchschnittlichen ›Fehlzeitenquote‹. Zur Ermittlung der beitragspflichtigen Arbeits­entgelte während der genannten Entgeltfortzah­lungstatbestände wird die so festgestellte ›Fehlzeiten­quote‹ mit den in dem jeweiligen Kalen­derjahr insgesamt angefallenen Sonn‑, Feiertags‑ und Nacht­zuschlägen multipliziert.

Prüfverfahren → Kein Summenbeitragsbescheid (Ausschlussgründe)

›Fehlzeitenquote‹ (zu berücksichtigende Faktoren)

Für die Bildung einer personenbezogenen Schätzung sind folgende Parameter zu berücksich­tigen:

  • Durchschnittliche Arbeitstage (jeweiliges Bundesland)
  • Arbeitsfreie Feiertage (jeweiliges Bundesland)
  • Urlaubsanspruch
  • Durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitszeiten
  • Höhe der gezahlten SFN‐Zuschläge
  • Sofern der Arbeitgeber Auswertungen zur Anzahl der Urlaubs‑/Feiertags‑ und Krank­heitstage führt, kann über diese eine durchschnittliche ›Fehlzeitenquote‹ je Arbeitnehmer gebildet werden. Liegen die individuellen Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht vor, kann hilfsweise auf amtliche Statistiken (z. B. die Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zum Krankenstand in Deutschland) zurückgegriffen werden.

Beispiel

Für einen Betrieb in Hamburg ist im Kalenderjahr 2021 eine Schätzung der geschuldeten Ent­gelte aus Sonn‑, Feiertags‑ und Nachtzuschlägen während Urlaub, Arbeitsunfähigkeit und an Feiertagen vorzunehmen.

Insgesamt im Kalenderjahr 2021 für geleistete Sonn‑, Feiertags‑ und Nachtarbeit gezahlte Zu­schläge: 30.000,00 Euro.

Im Jahr 2021 belief sich der durchschnittliche Krankenstand in der gesetzlichen Kranken­versicherung auf rund 4,34 Prozent.

Zunächst wäre zu ermitteln, auf wie viele Tage mit Sonn‑, Feiertags‑ oder Nachtarbeit die gezahlten Zuschläge entfallen und in welchem Verhältnis hierzu die zu bezahlenden Fehl­zeiten stehen. Dies kann – je nach Bundesland und nach den Gegebenheiten des Betriebes – zu un­ter­schiedlichen Ergebnissen führen.

Ermittlung der Fehlzeitenquote:
Ermittlung Arbeitstage mit Entgelt (Hamburg 2021)
Kalendertage:                  365
Wochenendtage:                 104
Feiertage (ohne Wochenende)      5
Urlaubsanspruch (Tarifvertrag)  30
Arbeitstage mit Entgelt        226

Verhältnis bezahlte ›Fehlzeiten‹ (Urlaub und Feiertage) ÷ Arbeitstage 35 Tage (bezahlte ›Fehlzeiten‹) ÷ 226 (Arbeitstage) = 15,49 % + 4,34 % (durchschnittliche Krankheitstage) = 19,83 % (›Fehlzeitenquote‹)

Zur Ermittlung der beitragspflichtigen Arbeitsentgelte während der genannten Entgeltfortzah­lungstatbestände wird die so festgestellte ›Fehlzeitenquote‹ mit den in dem jeweiligen Kalen­derjahr insgesamt angefallenen Sonn‑, Feiertags‑ und Nachtzuschlägen multipliziert.

Zusätzliches beitragspflichtiges Entgelt: 19,83 % × 30.000,00 € = 5.949,00 €

Für die während der bezahlten Fehlzeiten vom Arbeitgeber nicht gezahlten Zuschläge für Sonn‑, Feiertags‑ und Nachtarbeit ergäbe sich in diesem Fall ein zusätzliches bei­trags­pflich­tiges Entgelt in Höhe von 5.949,00 Euro.

SVMWIndex k7s2a5

Auswertung der Prüfberichte der Finanzbehörden

Leitsatz
  1. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt richtet sich grundsätzlich nach dem Steuerrecht, deshalb zieht eine steuerliche Nachforderung in aller Regel auch eine sozialver­sicherungsrechtliche Beitragsforderung nach sich.

SVMWIndex k7s2a6

Wertguthaben

Leitsatz
  1. Bei Wertguthaben prüft der Rentenversicherungsträger, ob vom Arbeitgeber ausreich­ende Insolvenzsicherungsmaßnahmen getroffen wurden.

SVMWIndex k7s2a7

Erhebung von Säumniszuschlägen im Rahmen der Betriebsprüfung

Leitsatz
  1. Die Erhebung des Säumniszuschlags im Rahmen einer Betriebsprüfung ist unmittelbar ge­koppelt an eine Hauptforderung bzw. eine vorher festgestellte Beitragsnachforderung.

SVMWIndex k7s2a8

Rückgriffsrechte des Arbeitgebers

Leitsatz
  1. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmeranteil grundsätzlich nur für 3 vorhergehende Bei­tragszeiträume (Monate) als Abzüge bei »den drei nächsten Lohn‑ oder Gehalts­zahlungen« vom Beschäftigten fordern.

SVMWIndex k7s2a9