Die Systematik der gesetzlichen Sozialversicherung

Rechtsbehelfe und Rechtsmittel

Die Sozialgerichtsbarkeit

Rechtsweg zu den Sozialgerichten

Leitsatz
  1. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist bei Auseinandersetzungen in allen Angelegen­heiten der Sozialversicherung zulässig.

In einem Rechtsstaat muss der Bürger die Möglichkeit haben, sich gegenüber dem hoheitlichen Handeln der öffentlichen Gewalt rechtlich wehren zu können. Dieses Grundrecht ist durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet: »Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.« Die im Grundgesetz manifestierte Rechtsschutzgarantie betrifft auch die Maßnahmen der öffentlich‐rechtlich tätigen Verwaltung, wenn sie als Träger hoheitlicher Aufgaben Handlungen vornimmt, die ihr kraft Gesetzes zugewiesen wurden.

Das Sozialgerichtsgesetz (SGG) beinhaltet die maßgebenden Regelungen für das Widerspruchsverfah­ren bei der zuständigen Behörde (z. B. Krankenkasse, Rentenversicherungsträger, Arbeits­agentur) und das sich daran anschließende Klageverfahren vor den Sozialgerichten.

Rechtliche Möglichkeiten des Arbeitgebers/Versicherten

Arbeitgeber/Versicherter

↙ ↓ ↓ ↘

Widerspruch
Behörde

Klage
Sozialgericht

Berufung
Landessozialgericht

Revision
Bundessozialgericht

Im Bereich der Sozialgesetze besteht eine eigene Gerichtsbarkeit. Die Sozialgerichtsbarkeit ist ein im SGG geregelter besonderer Zweig der Verwaltungsgerichte. Beim Sozialgericht sind verschiedene Kammern für die Entscheidungen in den Rechtsstreitigkeiten zustän­dig. Jeder Kammer steht ein Berufsrichter vor, der zusammen mit zwei ehrenamtliche Richtern über die Rechtsstreitigkeiten entscheidet.

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist bei Auseinandersetzungen in allen Angelegenheiten der Sozi­alversicherung zulässig. Das Verfahren vor den Sozialgerichten ist öffentlich. Es ist nicht notwen­dig, einen Anwalt hinzuzuziehen.

Angelegenheiten der Sozialversicherung

Nach § 51 Abs. 1 SGG sind folgende öffentlich‐rechtliche Streitigkeiten der Sozialgerichts­barkeit unterworfen:

1 .

Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,

2 .

Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen der sozialen Pflege­versicherung und der privaten Pflegeversicherung (SGB XI),

3 .

Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung,

4 .

Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundes­agentur für Arbeit,

4 a.

Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,

5 .

Sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,

6 .

Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts,

6 a.

Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes,

7 .

Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merk­male,

8 .

Angelegenheiten des Aufwendungsausgleichsgesetzes,

9 .

Angelegenheiten, für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

Förmliche Rechtsbehelfe

Im Gegensatz zu den nichtförmlichen Rechtsbehelfen sind förmliche Rechtsbehelfe durch Verfahrens­regeln konkretisiert. Adressat eines förmlichen Rechtsbehelfs kann die Verwaltung (Widerspruch) oder das Gericht (Klage) sein. Rechtsbehelfe im weiteren Sinne (Berufung, Revision und Beschwerde) rich­ten sich gegen Gerichtsentscheidungen.

Für förmliche Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte ist, sofern der Sozialrechtsweg gegeben ist, nach § 62 SGB X das Sozialgerichtsgesetz (SGG) maßgebend.

Förmliche Rechtsbehelfe (Schema)

Rechtsmittelverfahren

     

Arbeitgeber

Sozialversicherungsträger

   
   

Widerspruch

Entscheidung
Widerspruchsbescheid

↘↙

Widerspruchsverfahren
Vorverfahren

↙

Widerspruchsausschuss

 
 

Klage

Entscheidung
Urteile, Beschlüsse und Verfügungen

↘↙

Sozialgericht
erste Tatsacheninstanz

↘

Entscheidung
Urteile, Beschlüsse und Verfügungen

 
 

Berufung

Entscheidung
Urteile, Beschlüsse und Verfügungen

↘↙

Landessozialgericht
zweite Tatsacheninstanz

↙↘

Berufung

Entscheidung
Urteile, Beschlüsse und Verfügungen

 
 

Revision

Entscheidung
Urteile, Beschlüsse und Verfügungen

↘↙

Bundessozialgericht
letzte Instanz

↙↘

Revision

Entscheidung
Urteile, Beschlüsse und Verfügungen

 
 

Ende des Verfahrens

 

Ende des Verfahrens

SVMWIndex k8s1a1

Widerspruchsverfahren (Vorverfahren)

Leitsatz
  1. Vor Erhebung einer Klage beim Sozialgericht sind die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßig­keit eines Verwaltungsaktes in einem Widerspruchsverfahren nachzuprüfen.

Der Verwaltungsakt (Bescheid)

Im Sozialversicherungsrecht erlassen die Versicherungsträger (Krankenkassen, Rentenversicherung, Arbeitsagenturen und Unfallversicherungsträger) Bescheide. Diese Verwaltungsakte kön­nen Leistungen gewähren oder ablehnen, auf Versicherungspflicht oder ‑freiheit erkennen oder die Höhe der Beiträge festsetzen.

Der Verwaltungsakt (Bescheid) ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Maßnahme hat Außenwir­kung, wenn sie darauf gerichtet ist Rechtsfolgen gegenüber einem Rechtssubjekt herbeizuführen, das außerhalb des handelnden Verwaltungsträgers steht.

Damit ein Verwaltungshandeln als Verwaltungsakt qualifiziert werden kann, muss es sich um eine Maßnahme handeln, die die Behörde mit dem Ziel der Regelung eines Einzelfalls trifft. In Abgrenzung von generellen Maßnahmen durch Gesetz und Rechtsverordnung ist der Verwaltungsakt somit nur als individuelle Handlung gedacht. Individuellen Charakter kann eine Verwaltungsmaßnahme deshalb ha­ben, weil sie eine Person (oder einen bestimmten Personenkreis) betrifft oder weil sie einen bestimm­ten Sachverhalt ›konkret‹ regelt.

Verwaltungsakte

Inhalt des Verwaltungsaktes

↙ ↓ ↘

Befehlende Verwaltungsakte

Gestaltende Verwaltungsakte

Feststellende Verwaltungsakte

Inhalt des Verwaltungsaktes

Verwaltungsakte unterscheiden sich nach dem Inhalt.

  • Befehlende Verwaltungsakte sprechen ein Gebot oder Verbot aus. Hierunter fällt zum Beispiel das in einem Erstattungs‑ oder Rückforderungsbescheid nach § 50 Abs. 1 oder 2 SGB X verlautbarte Zah­lungs­gebot.

  • Gestaltende Verwaltungsakte begründen, ändern oder heben ein konkretes Rechtsverhältnis auf, ohne dass er mit einem Gebot oder Verbot versehen ist (z. B. Rücknahmebescheide oder Bescheide über die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI).

  • Feststellende Verwaltungsakte stellen Ansprüche oder Rechtsverhältnisse fest (z. B. Renten­be­schei­de) beziehungsweise lehnen beantragte Feststellungen oder Leistungen ab.

Begünstigende und nicht begünstigende Verwaltungsakte

Verwaltungsakte werden nach der Wirkung für den Betroffenen grundsätzlich in begünstigende und nicht begünstigende Verwaltungsakte unterteilt. Begünstigende Verwaltungsakte begründen, bestäti­gen oder erweitern einen rechtlich erheblichen Vorteil für den Betroffenen. Nicht begünstigende Ver­waltungsakte legen ein Tun, Unterlassen oder Dulden auf, beschränken oder entziehen Rechte bzw. Leistungen oder treffen für den Betroffenen ungünstige Entscheidungen. Verwaltungsakte, die sowohl begünstigende als auch belastende Elemente beinhalten, werden als Verwaltungsakte mit Mischwir­kung oder auch als ›Janusköpfige Verwaltungsakte‹ bezeichnet.

☆ ☆ ☆
Die Anhörung

Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegen­heit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

Die Anhörung gibt in gerichtlichen und behördlichen Verfahren den Beteiligten die Gelegenheit, sich zu der zur Entscheidung stehenden Angelegenheit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Die Anhörung verwirklicht den rechtsstaatlichen Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht.

Die Anhörung ist formfrei; sie kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. Wird die Anhörungs­pflicht verletzt, so liegt ein Verfahrensfehler vor, der den ergangenen Verwaltungsakt formell rechts­widrig werden lässt. Der Verfahrensfehler wird jedoch geheilt, wenn im Rahmen des Widerspruchver­fahrens die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird.

Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags → Das Anhörungsverfahren

☆ ☆ ☆
Die Widerspruchsfrist

Erlässt eine Behörde einen Bescheid, so muss dieser eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Die Rechts­behelfsbelehrung muss darauf hinweisen, dass innerhalb eines Monats Widerspruch erhoben werden kann. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

Die Frist für ein Rechts­mittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Wird eine Rechts­behelfsbelehrung unabhängig vom Verwaltungsakt erteilt oder nachgereicht, beginnt die Frist mit der Bekanntgabe der Belehrung.

Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Arbeitgeber bekanntge­geben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Abs. 2 SGB I oder zur Niederschrift bei dem Rentenversicherungsträger einzureichen, der den Verwaltungsakt erlassen hat. Wird der Wider­spruch in elektronischer Form eingereicht, ist eine qualifizierte elektronische Signatur oder eine ab­sen­derauthentifizierte Übersendung (z. B. als De‐Mail) erforderlich. Eine einfache E-Mail reicht nicht aus.

Die Frist zur Er­hebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer ande­ren inländischen Behörde, bei einem anderen Versiche­rungsträger, bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemanns­amt eingegangen ist.

Berechnung der Widerspruchsfrist

Für die Berechnung der Frist gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Da es sich um eine ›Ereignisfrist‹ handelt, ist für die Berechnung der Frist der § 187 Abs. 1 BGB in Ver­bin­dung mit § 188 Abs. 2 BGB maßgebend. Für die Fristberechnung ordnet § 187 Abs. 1 BGB im Bezug auf die Ereignisfrist an, dass der Tag, in dessen Verlauf das Ereignis fällt, nicht mitzuzählen ist. Fristbeginn ist stets der Anfang (um 0:00 Uhr) des Folgetages. Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum bestimmt ist, endet im Falle des § 187 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages (um 24.00 Uhr) der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorher­geht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

Die Monatsfrist ist unabhängig davon, wie viele Tage der jeweilige Monat hat. Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonn­abend, verschiebt sich das jeweilige Fristende auf den Ablauf des nächstfolgenden Werktages.

Bei der Zusendung per Post im Inland gilt der Bescheid am 3. Tag nach Aufgabe zur Post als zugegangen und damit als bekannt gegeben (Zugangsfiktion). Die 3‐Tagesfrist beginnt mit dem Tag, nach dem der Bescheid der Post übergeben wurde. Die Zugangsfiktion gilt auch dann, wenn der 3. Tag auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fällt. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Die Widerspruchsfrist beginnt am Tag nach der Bekanntgabe.

Beispiel 1:

Bescheidübergabe zur Post:    10.02.2023 (Freitag)

Bewertung:

Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.

Bekanntgabe Beitragsbescheid: 13.02.2023 (Montag)


Eine Ereignisfrist hängt vom Eintritt eines Ereignisses ab. Für die Fristberechnung ordnet § 187 Abs. 1 BGB im Bezug auf die Ereignisfrist an, dass der Tag, in dessen Verlauf das Ereignis fällt, nicht mitzuzählen ist. Fristbeginn ist am Tag nach der Bekanntgabe um 00:00 Uhr.

Fristbeginn: 14.02.2023 um 00:00 Uhr (Dienstag)


Die Frist endet grundsätzlich einen Monat nach der Bekanntgabe des Bescheids. Ist der Beginn des Tages für den Fristbeginn maßgeblich, so endet die Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages (um 24.00 Uhr) der letzten Woche bzw. des letzten Monats, der dem Tag vorausgeht, der durch seine Benennung oder Zahl dem Anfangstag entspricht.

Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonn­abend, endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages.

Fristende:   13.03.2023 um 24:00 Uhr (Montag)

Beispiel 2:

Bescheidübergabe zur Post:    09.02.2023 (Donnerstag)

Bewertung:

Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, unabhängig davon, ob das Ende der Bekanntgabefrist auf einen Sonntag fällt.

Bekanntgabe Beitragsbescheid: 12.02.2023 (Sonntag)


Eine Ereignisfrist hängt vom Eintritt eines Ereignisses ab. Für die Fristberechnung ordnet § 187 Abs. 1 BGB im Bezug auf die Ereignisfrist an, dass der Tag, in dessen Verlauf das Ereignis fällt, nicht mitzuzählen ist. Fristbeginn ist am Tag nach der Bekanntgabe um 00:00 Uhr.

Fristbeginn: 13.02.2023 um 00:00 Uhr (Montag)


Die Frist endet grundsätzlich einen Monat nach der Bekanntgabe des Bescheids. Ist der Beginn des Tages für den Fristbeginn maßgeblich, so endet die Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages (um 24.00 Uhr) der letzten Woche bzw. des letzten Monats, der dem Tag vorausgeht, der durch seine Benennung oder Zahl dem Anfangstag entspricht. Fällt das Ende einer Frist – wie in dem Beispiel – auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages.

Fristende:   13.03.2023 um 24:00 Uhr (Montag)

Unrichtige oder unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung

Durch eine falsche oder fehlende Rechtsbehelfsbelehrung verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr, das heißt der Arbeitgeber hat ein Jahr Zeit, gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers Widerspruch einzulegen.

Widerspruchsfrist (Schema)

Widerspruchsfristen
nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes

↙ ↓ ↘

Innerhalb eines Monats
Bekanntgabe im Inland

Innerhalb eines Jahres
Fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung

Innerhalb von drei Monaten
Bekanntgabe im Ausland

Unrichtige oder unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist z. B. unrichtig oder unvollständig, wenn

  • sie unverständlich abgefasst ist oder verwirrende Angaben enthält,

  • der Hinweis fehlt, dass der Rechtsbehelf auch elektronisch eingelegt werden kann oder

  • die Anschrift des zuständigen Sozialversicherungsträger oder Gerichts falsch ist.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Wurde die Widerspruchsfrist versäumt, muss auf Antrag des Widerspruchsführers die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geprüft werden. Diese ist zu gewähren, wenn der Widerspruchsführer ohne Verschulden an der Einhaltung der Widerspruchsfrist gehindert war. Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Ver­wal­tungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist nach § 41 Abs. 3 SGB X als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unter­las­senen Verfahrenshandlung ein.

☆ ☆ ☆
Form des Widerspruchs

An eine bestimmte Form ist der Widerspruch nicht gebunden. Der Betroffene kann daher ein Wider­spruchsschreiben frei formulieren oder durch eine rechtsanwaltliche Person verfassen lassen. Ein schriftlicher Widerspruch bedarf stets einer Unter­schrift des Betroffenen.

Der Widerspruch muss ordnungsgemäß, das heißt bei der zuständigen Behörde entweder schriftlich oder mündlich zur Nieder­schrift erhoben werden. Die Frist zur Er­hebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer ande­ren inländischen Behörde, bei einem anderen Versiche­rungsträger, bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemanns­amt eingegangen ist.

Aufschiebende bzw. keine aufschiebende Wirkung

Grundsätzlich hat der Widerspruch eine aufschiebende Wirkung, das bedeutet, dass der Bescheid für die Dauer des Verfahrens nicht durchgesetzt oder vollstreckt werden kann.

Bei Entscheidungen über Versicherungs‑, Beitrags‑ und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Neben­kosten haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG jedoch keine auf­schie­bende Wirkung.

☆ ☆ ☆
Durchführung des Widerspruchsverfahrens

Ein Widerspruchsverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruches. Der Widerspruch gegen den Verwaltungsakt des Versicherungsträger setzt das sogenannte Vorverfah­ren in Gang, welches den Sozialversicherungsträger dazu verpflichtet, die Recht­mäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungs­aktes noch einmal zu überprüfen . Aus der Sicht des den Ausgangsbescheid erlassenden Sozialver­siche­rungsträgers ist das Widerspruchsverfahren ein nachgelagertes Verfahren der Überprüfung inner­halb der Trägerorganisation.

Sinn und Zweck des Vorverfahrens

Verpflichtung der Verwaltung

↓ ↓

Überprüfung des eigenen Handelns
aufgrund des Vorbringens des Betroffenen

Information des Betroffenen
über die Sach‑ und Rechtslage

Das Vorverfahren

Das Vorverfahren

  • dient der durch den Widerspruch angestoßenen behördlichen Selbstkontrolle,

  • gibt der Person, die den Widerspruch erhebt, Rechtsschutz gegen eine als falsch empfun­dene Entscheidung und

  • soll die Gerichte von Streitfällen entlasten, die von der Verwaltung selbst geregelt werden können.

Prüfung der formellen Voraussetzungen

Der Rechtsbehelf (Widerspruch) ist von der damit angegangenen Stelle zunächst auf seine Zulässigkeit und erst danach auf seine Begründetheit hin zu überprüfen. Unzulässig ist ein Rechtsbehelf dann, wenn nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt sind.

Zulässigkeit des Widerspruchs (formelle Voraussetzungen)
  1. Zuständigkeit:
    Die angegangenen Stelle muss sachlich und örtlich zur Entscheidung befugt sein,

  2. Ordnungsmäßigkeit des Rechtsbehelfs:
    Der Widerspruch wurde frist‑ und formgerecht eingelegt,

  3. Rechtsschutzbedürfnis:
    Der Widerspruchsführer muss in seinen Rechten betroffen sein; dass heißt er muss beschwert sein.

Der Widerspruchsausschuss

Ist die Ausstellungsbehörde der Auffassung, dass der Verwaltungsakt korrekt und der Widerspruch somit unbegründet ist, muss sie das Verfahren an die zuständige Widerspruchsbehörde (bzw. Wider­spruchsstelle) abgeben. Kommt die Widerspruchsstelle nach genauer Prüfung zu dem Ergebnis, dass dem Widerspruch nicht abzuhelfen ist, kommt der Widerspruch zur Vorlage an den Widerspruchs­auschuss. Der Widerspruchs­ausschuss ist die von der Vertreterversammlung bzw. dem Verwaltungsrat oder – bei der Bundes­agentur für Arbeit – dem Vorstand bestimmte Stelle des Sozialversiche­rungs­trägers, welche die Rechts‑ und Zweckmäßigkeitskontrolle im Sozialversicherungsverhältnis gewähr­leisten. In der Regel setzt sich der Widerspruchsausschuss aus den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern der Selbstverwaltung (Arbeitnehmer‑ und Arbeitgebervertreter) und Vertretern des Sozial­versicherungs­trägers zusammen.

Der Widerspruchsausschuss überprüft den angefochtenen Bescheid ein weiteres Mal und entscheidet mit Stimmenmehrheit autark und endgültig darüber, ob dem Widerspruch positiv abgeholfen werden kann oder nicht. Abhilfeverfahren und der Widerspruchsbe­scheid sind in § 85 SGG geregelt. Mit ihrer Stellung im Ver­fahrensablauf zwischen dem Verwaltungsakt und der sozialgerichtlichen Klage üben die Widerspruchsausschüsse eine wichtige Filterfunktion aus und dienen damit sowohl dem individuellen Rechtsschutz als auch der Entlastung der Gerichte.

Das Widerspruchsverfahren endet spätestens mit dem Erlass, das heißt mit der Bekanntgabe bzw. Zustellung des Widerspruchsbescheids.

Dem Widerspruch wird abgeholfen

Kommt der Widerspruchsausschuss zu dem Schluss, dass im Sinne des Betroffenen zu entscheiden ist, muss die Widerspruchsstelle dem Widerspruch abhelfen, indem sie ihre ursprüngliche Entscheidung korrigiert und einen entsprechenden Abhilfebescheid erlässt.

Durch den Abhilfebescheid hebt die Ausgangsbehörde den mit einem Widerspruch angegriffenen Ver­waltungsakt (ganz oder teilweise) auf. Die Abhilfeentscheidung erfordert eine Begründung und eine Kos­ten­entscheidung.

Dem Widerspruch wird nicht abgeholfen

Ist auch der Widerspruchausschuss der Auffassung, dass es bei der ursprünglichen Entscheidung ver­bleibt, weist die Widerspruchsstelle den Widerspruch zurück und erlässt einen entsprechenden Wider­spruchsbescheid. Der Widerspruchsbescheid ist schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Betei­ligten bekanntzugeben. Auch der Widerspruchsbescheid muss eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Die Rechtsmittelbelehrung muss darauf hinweisen, dass innerhalb eines Monats die Klage erhoben werden kann und muss das zuständige Sozialgericht benennen. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids. Fehlt diese Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid, verlängert sich die Klagefrist auf ein Jahr.

☆ ☆ ☆
Kosten des Widerspruchsverfahrens

Das Widerspruchsverfahren ist für den Versicherten und den Arbeitgeber kostenfrei.

Kostenerstattung bei Abhilfe

Der § 63 Abs. 2 SGB X ist inhaltlich übereinstimmend mit § 91 Abs. 2 ZPO zu interpretieren. Erstat­tungs­fähig sind somit nur Gebühren, die in einer gesetzlichen Gebührenordnung erfasst sind. Ist der Wider­spruch erfolgreich, werden dem Betroffenen deshalb ggf. die Kosten für einen bevollmächtigten Rechtsanwalt erstattet .

Kein Erstattungsanspruch besteht hingegen für die Mühe und den Zeitverlust eines Beauf­tragten, der keinen gesetzlichen Gebührenanspruch hat. Die Bevorzugung, die der Rechtsanwalt dadurch genießt, dass für ihn eine gesetzliche Gebührenordnung (RVG) vorhanden ist und seine danach berechneten Gebühren erstattungsfähig sind, ergibt sich aus seiner Stellung in der Rechtspflege.

Beauftragung eines Bevollmächtigten

Die Erstattung muss beantragt und die erstattungsfähigen Aufwendungen müssen im Einzelfall nachge­wiesen werden.

Kein Ausgleich von Arbeits‑ und Zeitaufwand

Der § 63 SGB X bietet keine Grundlage für einen Ausgleich von Arbeits‑ und Zeitaufwand durch den Betroffenen selbst.

Keine Verzinsung

Der Erstattungsbetrag aus § 63 SGB X ist nicht zu verzinsen, weil eine gesetzliche Ermächtigung hierfür nicht besteht.

SVMWIndex k8s1a2

Untätigkeitsklage

Leitsätze
  1. Über einen Widerspruch hat die Behörde binnen drei Monaten zu entscheiden.

  2. Wird die Behörde entweder auf den Antrag hin, oder auf einen Widerspruch gegen einen Bescheid nicht tätig, besteht die Möglichkeit, vor den Sozialgerichten ›Untätigkeitsklage‹ zu erheben.

Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes

Zur Geltendmachung sozialrechtlicher Ansprüche muss sich der Bürger mit einem Antrag auf Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes an die zuständige Behörde der Sozialverwaltung wenden. Grund­sätzlich sind Behörden angehalten, auf einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine Entscheidung zu treffen. Der § 88 Abs. 1 SGG regelt den Fall der Untätigkeit einer Behörde und sieht für eine ›Untätigkeitsklage‹ grundsätzlich eine sechsmonatige War­tefrist vor. Bis zum Ablauf der ›Sperrfrist‹ gilt die unwiderlegbare Vermutung, dass die Frist für die Bearbeitung des Antrags (bzw. des Widerspruchs) angemessen ist.

Untätigkeit im Widerspruchsverfahren

Der § 88 Abs. 2 SGG behandelt die Fälle, in denen eine Behörde auf einen Widerspruch hin untätig bleibt. Der Kläger muss also bereits Widerspruch eingelegt haben, bevor er das Gericht anruft. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Widerspruch zulässig war, oder nicht. Auch ein unzulässiger Wider­spruch muss als solcher von der Behörde zurückgewiesen werden. Über einen Widerspruch hat die Behörde binnen drei Monaten zu entscheiden.

Zulässigkeit der Untätigkeitsklage

Die Klage ist nur dann zulässig, wenn die Behörde noch keine abschließende Entscheidung zur Haupt­sache getroffen, also noch keinen abschließenden Verwaltungsakt erlassen hat. Da im Vorder­grund der Gedanke steht, dass dem Kläger durch das säumige Verhalten der Behörde keine Nachteile entstehen sollen, bestehen für die Untätigkeitsklage keine Ausschlussfristen. Sie kann daher grund­sätzlich nach Ablauf der jeweils maßgebenden Frist zeitlich unbeschränkt erhoben werden.

Maßnahmen des Sozialgerichts

Welche Maßnahme das Sozialgericht ergreift, hängt davon ab, ob ein ›zureichender Grund‹ für die Bearbeitungszeit vorliegt oder nicht.

›Zureichender Grund‹ für die Bearbeitungszeit

Das Vorliegen eines zureichenden Grundes hängt einerseits von den Möglichkeiten der Behörde, ande­rerseits aber auch von der Dringlichkeit des Bescheidungsinteresses des Klägers ab.

Zureichende Gründe:
  • Kurzfristige und vorübergehende besondere Belastungssituation der Behörde z. B. aufgrund einer Gesetzesänderung.

  • Schwierigkeiten bei der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts z. B. Zeu­genvernehmungen, einholen von Sachverständigengutachten).

  • Wenn der Widerspruchsführer die Abgabe einer Begründung angekündigt oder er um Aus­setzung des Verfahrens gebeten hat.

  • Wenn die Behörde in einem Widerspruchsverfahren neue Tatsachen zu prüfen hat.

Kommt das Gericht zu der Entscheidung, dass mit zureichendem Grund nicht entschieden wurde und ist die Klage nicht aus anderem Grund unzulässig, bestimmt das Gericht eine Frist, bis zu deren Ablauf das Verfahren ausgesetzt wird. Bei der Bemessung der Frist müssen die beidseitigen Interessen gegenein­ander abgewogen werden. Diese Entscheidung ergeht durch Beschluss. Gegen den Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 1 SGG das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft. Entscheidet die Behörde nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist und kommt eine Fristverlängerung nicht in Betracht, ergeht grundsätzlich ein Bescheidungsurteil nach § 131 Abs. 3 SGG.

Kein ›zureichender Grund‹ für die Bearbeitungszeit

Trägt die Behörde nicht schlüssig vor, dass ein ›zureichender Grund‹ für die Bearbeitungszeit vorliegt, ist das Gericht zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet und es ergeht ein Bescheidungsurteil gemäß § 131 Abs. 3 SGG. Das Gericht verurteilt die Behörde in diesem Fall dazu, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

SVMWIndex k8s1a3

Sozialgericht (erste Instanz)

Leitsätze
  1. Wird der Widerspruch vom Widerspruchsausschuss der Behörde durch Bescheid ab­schlägig beschieden, kann der Betroffene gegen den Wider­spruchsbescheid innerhalb einer Frist von einem Monat Klage beim örtlich zuständigen Sozial­gericht erheben.

  2. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens be­zeichnen.

Wird dem Widerspruch im Rahmen des durchzuführenden Vorverfahrens nicht abgeholfen, hat der Betrof­fene die Möglichkeit gegen den Widerspruchsbescheid innerhalb einer Frist von einem Monat Klage beim örtlich zuständigen Sozialgericht erheben. Die Sozialgerichte bilden die erste Instanz der Sozialgerichtsbarkeit. Sie unterliegen der Dienstaufsicht des Arbeitsministeriums des betreffenden Bundeslandes.

Die Frist für die Erhebung der Klage gilt auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist – statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialge­richtsbarkeit – bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde eingegangen ist.

Gegenstand der Klage ist der ursprüngliche Verwal­tungsakt in der Gestalt, die er durch den Wider­spruchsbescheid gefunden hat. Nach Klageerhebung wird ein neu­er Verwaltungsakt nur dann Gegen­stand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchs­bescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

Dem Widerspruch wird nicht abgeholfen

☆ ☆ ☆
Prozessfähigkeit

Ein Beteiligter kann einen Prozess nur führen, wenn er prozessfähig ist. Das ist der Fall, wenn er sich durch Verträge verpflichten kann. Die Prozessfähigkeit ist deshalb identisch mit der Geschäftsfähigkeit nach dem BGB. Sie tritt grundsätzlich mit der Volljährigkeit, also mit der Vollendung des 18. Le­bens­jahres ein.

Beauftragung eines Bevollmächtigten

Der Prozess kann durch prozessfähige Person geführt werden. Jeder Kläger kann aber grundsätzlich sein Verfahren auch alleine führen und braucht keinen Rechtsanwalt oder sonstigen Bevollmächtigten zu beauf­tragen.

Wer als Bevollmächtigter in Betracht kommt ist in § 73 SGG geregelt. Die Bevollmächtigten haben grund­sätzlich eine schriftliche Vollmacht zur Gerichtsakte zu reichen. Personen, die nicht zu den in § 73 SGG genannten Gruppen zählen, vor allem Freunde oder Bekannte, die keine Familienmitglieder sind, können keine Vertretung vor dem Sozialgericht übernehmen. Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht ver­tretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück.

Vertretungsbefugte Bevollmächtigte

Als Bevollmächtigte kommen im Wesentlichen in Betracht

  • Rechtsanwälte.

  • Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule mit Befähigung zum Richteramt.

  • Sonstige Personen mit Befähigung zum Richteramt, volljährige Familienangehörige.

  • Rentenberater (im Umfang der ihnen erteilten Befugnisse).

  • Angestellte von Sozialverbänden.

  • Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.

Informationspflicht des bevollmächtigten Rechtsanwalts

Der Rechtsanwalt hat u. a. die Pflicht, seinen Mandanten über den Verlauf der Streitsache zu infor­mieren. Er hat den Mandanten über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maß­nahmen zu unterrichten und Anfragen des Mandanten unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) zu beant­worten. Dem Mandanten ist insbesondere von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben.

Ist der Mandant mit seinem Rechtsanwalt unzufrieden, kann er sich an die jeweils zuständige Rechts­anwaltskammer der Länder wenden. Er hat aber auch die Möglichkeit, die Bevollmächtigung zu wider­rufen. Dies kann er gegenüber seinem Rechtsanwalt, aber auch gegenüber dem Gericht erklären. Der Kläger hat dann die Möglichkeit sein Verfahren selbst weiter zu führen oder einen anderen Rechtsbei­stand mit der Führung des Verfahrens zu beauftragen.

☆ ☆ ☆
Form und Inhalt der Klageerhebung

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

Der Kläger ist der Antragsteller und bestimmt grundsätzlich den Inhalt der Klage. Die Klageschrift muss jedoch einen Min­destinhalt haben. Sie muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebe­gehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll zudem einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Ver­tre­tung be­fugten Person mit Orts‑ und Zeitan­gabe unterzeichnet sein. Die zur Begründung dienenden Tatsa­chen und Beweismittel sollen ange­geben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchs­bescheid sollen in Abschrift beigefügt wer­den.

Ziel der Klage (Klagearten)

Die Art der einzureichenden Klage hängt von dem Ziel ab, das der Kläger verfolgt.

Klagearten

Arbeitgeber/Versicherter

↙ ↓ ↘

Leistungsklage

Feststellungsklage

Untätigkeitsklage


Klagearten
Leistungsklage

Eine Leistungsklage (z. B. auf Zahlung einer Rente) wird in der Regel mit einer Anfechtungsklage kom­biniert, da der Kläger gleichzeitig mit dem Wunsch auf Leistung auch einen ablehnenden Bescheid der Behörde anfechten muss.

Feststellungsklage

Mit einer Feststellungsklage wird meist die Feststellung eines Rechtsverhältnisses (z. B. einer Selbstän­digkeit oder eines Beschäftigungsverhältnisses) verfolgt. Auch die Feststellungs­klage wird in der Regel mit einer Anfechtungsklage kombi­niert.

Untätigkeitsklage

Eine Untätigkeitsklage ist beispielsweise dann möglich, wenn jemand durch die Untätigkeit einer Behörde in seinen Rechten beeinträchtigt wird, etwa weil diese seinen Antrag ohne Grund nicht in einer ange­messenen Frist bearbeitet.

Das Klageverfahren

Das Sozialgericht ermittelt von sich aus den Sachverhalt. Dabei kann das Sozialgericht z. B. Auskünfte oder Gutachten einholen, Akten von Behörden oder aus anderen Prozessen beiziehen und Zeugen ver­nehmen.

Erörterungstermin

Das Sozialgericht kann in einem sogenannten ›Erörterungstermin‹ den Fall mit den Beteiligten be­sprechen. Ein Urteil wird in diesen Terminen nicht gesprochen, sie dienen lediglich zur Klärung von Missver­ständnissen und der Erläuterung der Rechtslage. Im Gegensatz zur mündlichen Verhandlung sind Erörterungstermine nicht öffentlich.

Sachaufklärungspflicht

Der in 103 SGG festgelegte Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die Tatsachengerichte, die entschei­dungserheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln, weil das sozialgerichtliche Verfahren weder eine subjektive Beweisführungslast, noch eine objektive Beibringungsfrist für Beweismittel kennt. Dabei kann das Sozialgericht z. B. Auskünfte oder Gutachten einholen, Akten von Behörden oder aus anderen Prozessen beiziehen und Zeugen vernehmen.

Im Rahmen der Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und nach dem Grundsatz der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung obliegt es den Tat­sachengerichten, alle Besonderheiten des konkreten Falles in tatsächlicher Hinsicht zu erfassen und zu würdigen. Es darf einerseits keine Ermittlungen unterlassen, zu denen es sich als ›Tatsachengericht‹ hätte gedrängt fühlen müssen. Es muss aber anderseits nicht von sich aus alle nur erdenklichen Er­mittlungen anstellen.

Das Sozialgericht hat die Aufklärungsbedürftigkeit entscheidungserheblicher Tatsachen vor allem aus den Verwaltungsakten zu ermitteln. Aber auch Hinweise und Anregungen der Beteiligten sind für die Ermittlungs­tätigkeit des Sozialgerichts von erheblicher Bedeutung. Die Beteiligten können jedoch nicht bestimmen, welche Beweismittel im Einzelnen heranzuziehen sind. Nach § 103 Satz 2 SGG ist das Sozialgericht nicht an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden.

Kann ein bestimmter Tatbestand nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachver­halts nicht nachgewiesen werden, so geht dies grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleiten will. Während denjenigen, der sich auf einen Anspruch beruft, die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen trifft, ist derjenige, der das geltend gemachte Recht bestreitet, für die rechtsvernichtenden, rechtshindernden oder rechtshemmenden Tatsachen beweis­pflichtig.

Einnahme des richterlichen Augenscheins

Die Einnahme des richterlichen Augenscheins ist ein in allen Prozessarten mögliches Mittel des Bewei­ses. Er besteht darin, dass sich das Gericht einen Vorgang, der zwischen den Parteien streitig ist, oder eine Sache, deren Zustand zwischen ihnen streitig ist, selbst ansieht. Wenn möglich, soll der Augen­schein im Gerichtsgebäude eingenommen werden. Wenn dies nicht möglich ist, begibt sich das Gericht dorthin, wo es erforderlich ist (Ortstermin). Die Parteien und ihre Rechtsanwälte haben das Recht, beim Ortstermin dabei zu sein. Über das Ergebnis des Augenscheins wird ein Protokoll auf­genommen.

Mitwirkung der Beteiligten

Das Sozialgericht hat darauf hinzuwirken, dass ungenaue Angaben ergänzt und alle wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Die Mitwirkung des Rechtssuchenden kann im sozialgerichtlichen Ver­fahren nicht erzwungen werden. Wirkt der Rechtssuchende bei der Sachverhaltsaufklärung nicht mit, muss das Sozialgericht zumindest diejenigen Beweise erheben, die ohne Mitwirkung des Recht­suchen­den erhoben werden können.

Im sozialgerichtlichen Verfahren gelten die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungs­last). Diese greifen ein, wenn das Sozialgericht keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann (›non liquet‹), und es zu bestimmen hat, zu wessen Lasten diese Unaufklärbarkeit geht.

Die Folgen der Nichtfeststellbarkeit einer Tatsache trägt derjenige, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. In der Regel trifft die objektive Beweislast daher den Anspruchssteller. Eine fehlende Mitwirkung des Rechtsuchenden kann somit zur Folge haben, dass die anspruchsbegründenden Tat­sachen nicht als erwiesen anzusehen sind und der Kläger den Rechtsstreit wegen des Grundsatzes der objektiven Beweislast verliert.

Mündliche Verhandlung

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wirken (anders als im Erörterungstermin) auch die ehren­amtlichen Richter mit.

Nachdem der Sachverhalt vorgetragen wurde, wird der Fall ausführlich mit den Beteiligten be­sprochen. Gibt es keine andere Lösung, werden schließlich die jeweiligen Anträge gestellt.

☆ ☆ ☆
Dispositionsmaxime

Ein Urteil ist nicht die einzige Lösung für einen Rechtsstreit. Es steht den Beteiligten frei, das Sozial­gerichtsverfahren anders als durch Urteil zum Abschluss zu bringen (Dispositionsmaxime). Ist durch die Ermittlungen oder die Besprechung im Gerichtstermin eine Seite überzeugt worden, ihren bisheri­gen Standpunkt aufzugeben, kann zwischen den Beteiligten auch eine gütliche Einigung in Form eines Vergleiches, einer Anerkenntnis oder einer Klagerücknahme geschlossen werden. Vergleich, Aner­kenntnis und Rücknahme können nicht nur in den gewechselten Schriftsätzen, sondern auch zu Pro­tokoll im Gerichtstermin erklärt werden. Wichtig hierbei ist, dass auch eine Aussage über das Tragen der außergerichtlichen Kosten getroffen wird.

Abschluss des Sozialgerichtsverfahrens ohne Urteil

Dispositionsmaxime

↙ ↓ ↘

Vergleich

Anerkenntnis

Klagerücknahme

Abschluss des Sozialgerichtsverfahrens ohne Urteil
Vergleich

Eine Leistungsklage z. B. auf Zahlung einer Rente) wird in der Regel mit einer Anfechtungsklage kombi­niert, da der Kläger gleichzeitig mit dem Wunsch auf Leistung auch einen ablehnenden Bescheid der Behörde anfechten muss. Die Beteiligten einigen sich vergleichsweise gerichtlich oder außergerichtlich.

Wird das Gerichtsverfahren durch einen Vergleich zwischen den Parteien beendet, so haben diese auch zu vereinbaren, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Da es sich bei dem Vergleich um einen Vertrag handelt, sind die Parteien frei und können eine beliebige Kostenfolge treffen. Wird keine Regelung über die Vergleichsgebühr getroffen, so hat jede Partei die eigenen Kosten des Vergleichs selbst zu tra­gen.

Anerkenntnis

Die Beklagte erkennt den geltend gemachten Anspruch an. Wird durch ein Anerkenntnis lediglich über einen (abtrennbaren) Teil des Streitgegenstandes verfügt, bleibt die Hauptsache im Übrigen im Streit.

Klagerücknahme

Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind.

Gerichtlicher Vergleich

Der § 101 Abs. 1 SGG regelt die Variante des gerichtlichen Vergleichs. Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zu Protokoll des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können.

Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichter­stat­ters schriftlich gegenüber dem Gericht annehmen.

Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache. Indem damit unnötige Gerichtstermine entfallen können, soll eine Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit erreicht werden.

Anerkenntnis des Anspruchs

Der § 101 Abs. 2 SGG regelt die Variante Anerkenntnis des Anspruchs. Das angenommene Anerkennt­nis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache.

Klagerücknahme

Der § 102 SGG regelt die Variante der Klagerücknahme. Der Kläger aufgrund der Ermittlungen oder die Besprechung im Gerichtstermin die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klage­rücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

Urteilsverkündung

Nach einer geheimen Beratung verkündet das Gericht dann das Urteil, das den Beteiligten später mit ausführlicher Begründung zugestellt wird.

In einfachen Fällen kann das Sozialgericht auch ohne Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren durch Gerichtsbescheid entscheiden. Dies muss es den Beteiligten jedoch vorher mitteilen.

SVMWIndex k8s1a4

Landessozialgericht (zweite Instanz)

Leitsatz
  1. Das Landessozialgericht ist als zweitinstanzliches Gericht der Sozialgerichtsbarkeit zuständig für Berufungen gegen Urteile und für Beschwerden gegen andere Entscheidungen der So­zialgerichte.

Die Landessozialgerichte werden durch die Länder eingerichtet. Diese können gemeinsam mit anderen Ländern auch ein übergreifendes Landessozialgericht einrichten. Die Landes­sozialgerichte haben für die verschiedenen Rechtsbereiche (Sozialversicherung und Arbeitsförderung, Vertragsarztrecht, sozi­ales Entschädigungsrecht und Schwerbehindertenrecht sowie Grundsicherung für Arbeitsuchende) ein­zelne Fachsenate eingerichtet.

Das Landessozialgericht ist das zweitinstanzliche Gericht der Sozialgerichtsbarkeit. Es ist zuständig für Berufungen gegen Urteile und für Beschwerden gegen andere Entscheidungen der Sozialgerichte. Das Urteil des Sozialgerichtes enthält eine Rechtsmittelbelehrung. Aus dieser ist ersichtlich, welches Lan­dessozialgericht zuständig ist und innerhalb welcher Frist Berufung eingelegt werden muss.

Letzte Tatsacheninstanz

Das Landessozialgericht ist die zweite und letzte Tatsacheninstanz. Auch die Landessozialgerichte ha­ben im Berufungsverfahren den Streitfall umfassend sowohl in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht aufzuklären. Die Landessozialgerichte haben in diesem Zusammenhang erforderlichenfalls von Amts wegen weitere Ermittlungen zum Sachverhalt anzustellen und Beweise zu erheben.

Das im Grundgesetz manifestierte prozessuale Grundrecht auf rechtliches Gehör besagt, dass ein Beteiligter vor Erlass einer Entscheidung Gelegenheit haben muss, sich zu äußern und gehört zu werden. Für das Sozialgerichtsverfahren bestimmt § 128 Abs. 2 SGG ausdrücklich, dass das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konn­ten.

Rechtsmittel der Berufung

Die Berufung im Sozialgerichtsverfahren bedarf grundsätzlich keiner besonderen Zulassung. Einer Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landes­sozial­gerichts bedarf die Berufung jedoch ausnahmsweise in sogenannten ›Bagatellfällen‹. Ein solcher liegt u. a. vor, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld‑, Dienst‑ oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht über­steigt. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Der unterlegene Beteiligte kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim zuständigen Landessozial­gericht eingelegen.

Kein Anwaltszwang

Der Kläger kann frei entscheiden, ob er sich vor dem Landessozialgericht vertreten lässt oder er den Prozess alleine führen will. Wie beim Sozialgericht, besteht auch beim Landessozialgericht kein An­waltszwang.

Beauftragung eines Bevollmächtigten

Zurückweisung der Berufung

Nach Abschluss der Ermittlungen hat das Landessozialgericht die Möglichkeit, in einfach gelagerten Fäl­len von einer Entscheidung durch Urteil nach mündlicher Verhandlung abzusehen, indem es die Be­rufung durch Beschluss als unbegründet zurückweist oder als unzulässig verwirft.

Im Einverständnis mit den Beteiligten kann das Landessozialgericht auch – statt durch den gesamten Senat – allein durch den zuständigen Berufsrichter (Berichterstatter) als Einzelrichter entscheiden.

Sprungrevision

Soll über grundsätzliche Rechtsfragen entschieden werden und alle an dem Verfahren Beteiligten sind sich einig, kann auch unter Übergehung der Berufungsinstanz direkt nach einem Urteil des Sozial­gerichts über die Durchführung einer sogenannte ›Sprungrevision‹ beim Bundessozialgericht entschie­den werden.

Die Sprungrevision ist dann sinnvoll, wenn der Sachverhalt unstreitig ist und es nur um die – möglichst zügige – Klärung von grundsätzlichen Rechtsfragen geht. Die Beteiligten nehmen sich hierdurch aller­dings die Möglichkeit, die Tatsachenbasis durch neue Vorträge zu erweitern bzw. zu ändern.

Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich zu stellen. Die Zustim­mung des Gegners ist dem Antrag oder, wenn die Revision im Urteil zugelassen ist, der Revi­sionsschrift beizu­fügen.

SVMWIndex k8s1a5

Bundessozialgericht (dritte und letzte Instanz)

Leitsätze
  1. Die Revision zum Bundessozialgericht ist nur dann möglich, wenn sie entweder vom Landes­sozialgericht in seinem Urteil oder vom Bundessozialgericht durch besonderen Beschluss im Einzelfall zugelassen wird.

  2. Das Bundessozialgericht trifft als letztinstanzliches Gericht der Sozialgerichtsbarkeit keine Tatsachenfeststellungen.

Das Rechtsmittel der Revision

Im Unterschied zur grundsätzlichen Statthaftigkeit der Berufung ist die Revision zum Bundessozialge­richt nur dann möglich, wenn sie entweder vom Landessozialgericht in seinem Urteil oder vom Bundes­sozialgericht durch besonderen Beschluss im Einzelfall zugelassen wird. Geschieht dies nicht, kann man über eine Nichtzulassungsbeschwerde versuchen, die Zulassung zu erreichen.

Zulassung der Revision

Das Rechtsmittel der Revision ist nur zuzulassen, wenn

  • die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder

  • das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

  • ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beru­hen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hin­reichende Begründung nicht gefolgt ist.

Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Anwaltszwang

Im Gegensatz zu den Verfahren vor den Sozial‑ und Landessozialgerichten, besteht bei einem Verfahren vor dem Bundessozialgericht die Pflicht, sich durch einen Rechtsanwalt oder einen sonstigen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen.

Beauftragung eines Bevollmächtigten

Verfahrensrevision

Die inhaltliche Richtigkeit des Urteils des Landessozialgerichts ist nicht Gegenstand der Verfahrens­revision. Die zeitlich letzte Möglichkeit für die Beteiligten, neue Tatsachen vorzutragen, ist die letzte mündliche Verhand­lung vor dem Berufungsgericht (Landessozialgericht). Das Bundessozialgericht selbst trifft keine eige­nen Tatsachenfeststellungen. Es ist an die Tatsachenfeststellung der Vorinstanz gebunden und kann ggf. diesbezüglich lediglich an die Vorinstanz zurückverweisen.

In einer fehlerhaften Beweiswürdigung liegt grundsätzlich kein Verfahrensfehler. Die Beweiswürdigung eines Tatsachengerichts ist regelmäßig nur am Maßstab der Einhaltung des Prozessrechts zu messen und daraufhin zu überprüfen, ob es die verfahrensrechtlichen Grenzen der vorgenommenen Würdi­gung überschritten und z. B. gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsregeln verstoßen hat.

Rechtsverletzungen

Die Verfahrensrevision betrifft das Vorgehen der zweiten Rechtsinstanz auf dem Weg zum Urteil. Zweck des Zulassungsgrundes des ›Verfahrensmangels‹ ist die Verfahrenskontrolle. Das Bundessozial­gericht prüft als Revisionsgericht dabei nur Rechtsverletzungen. Durch das Bundessozialgericht soll eine verfahrensfehlerfreie Prozessführung gesichert und eine einheitliche Rechtsanwendung gewähr­leistet werden. Mängel, die sich nicht direkt auf das gerichtliche Verfahren auswirken, sind uner­heblich.

SVMWIndex k8s1a6

Kosten des Sozialgerichtsverfahrens

Bei den Kosten des Sozialgerichtsverfahrens ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den Gerichts­kosten und den außergerichtlichen Kosten (einschließlich eines etwaigen Anwaltes).

Keine Gerichtsgebühren für Klagen von Privatpersonen

Rechtsschutz in sozialen Angelegenheiten wird vom Gesetzgeber als wichtiger Bestandteil des verfas­sungsrechtlich abgesicherten Sozialstaatsprinzips angesehen.

Die gesetzliche Sozialversicherung → Das Sozialstaatsprinzip

Deshalb werden in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Privatpersonen eine Sozialleistung be­gehren, sich gegen deren Entzug wehren oder ähnliches, grundsätzlich weder Gerichtsgebühren noch Auslagen erhoben. Insbesondere die Kosten für medizinische Sachverständige fallen nicht dem Kläger zur Last. Auch Kosten der beklagten Behörde sind regelmäßig nicht vom klagenden Bürger zu tragen.

Ausnahmen von der grundsätzlichen Kostenfreiheit

Als Ausnahme von der grundsätzlichen Kostenfreiheit muss derjenige mit der Auferlegung von Ge­richtskosten rechnen, der einen Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm in einem Verhandlungstermin die Aussichtslosigkeit seines Begehrens vom Gericht erläutert wird.

Auch derjenige, der durch sein Verhalten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung verursacht, weil er z. B. wichtige Unterlagen nicht vorab überreicht, muss mit der Auferlegung von Gerichtskosten rech­nen.

Klagen von Arbeitgebern

Anders verhält es sich bei Klagen von Arbeitgebern, Ärzten in Vertragsangelegenheiten und ähnliche Verfahren, in denen eine soziale Schutzbedürftigkeit des Betroffenen nicht anzunehmen ist. Für diese Verfahren werden seit 2002 Gerichtsgebühren und Auslagen nach den gleichen Kriterien erhoben, wie bei Verfahren der ›Ordentlichen Gerichtsbarkeit‹.

Außergerichtliche Kosten

Außergerichtliche Kosten, vor allem die Gebühren eines Prozessbevollmächtigten, muss jeder Verfah­rensbeteiligte grundsätzlich erst einmal selbst aufbringen. Das Gericht entscheidet dann bei Been­digung des Verfahrens, ob und in welchem Umfang der Gegner diese Kosten zu erstatten hat.

Auslagen und Zeitverlust

Wenn das Gericht das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnet, werden ihm auf Antrag Aus­lagen und Zeitverlust wie bei einem Zeugen vergütet.

Prozesskostenhilfe

Generell ist in allen sozialgerichtlichen Verfahren bei entsprechender Bedürftigkeit die Gewährung von Prozesskostenhilfe möglich.

Ist einem Beteiligten die Aufbringung der außergerichtlichen Kosten nach seinen finanziellen Verhält­nis­sen nicht zumutbar, kann er auf Antrag Prozesskostenhilfe nach den Vorschriften der Zivilprozess­ordnung erhalten, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Erhebung einer gesonderten Klage ist mutwillig, wenn das gleiche Ziel auch mit einer Klageerweiterung in einem bereits anhängigen Verfahren erreicht werden kann.

Die Prozesskostenhilfe kann beim Sozialgericht über das hierfür vorhandene amtliche Formular ent­weder von der Privatperson selbst oder durch einen beauftragten Anwalt beantragt werden.

Obwohl an Sozialgerichten kein Anwaltszwang besteht, wird stets die Beiordnung eines Rechtsan­waltes zugestanden, weil auf der Gegenseite eine rechtskundige Behörde steht, die insoweit einem Rechts­anwalt gleichzusetzen ist.

Keine sinnlosen Prozesse

Die Prozesskostenhilfe soll nicht dazu dienen, sinnlose Prozesse zu ermöglichen. Deshalb dürfen auch Bedürftige auf Kosten des Staates nur Prozesse mit einer hinreichenden Erfolgsaussicht führen.

Zur Überprüfung der Sinnhaftigkeit einer Klage gegen eine Behörde zieht das Sozialgericht regelmäßig zunächst die Verwaltungsakte der beklagten Behörde bei. Erscheint es nach Auswertung dieser Verwal­tungsakten möglich, dass die behördliche Entscheidung falsch oder noch eine weitere Sachverhalts­aufklärung notwendig sein könnte, ist hier regelmäßig eine hinreichende Erfolgsaussicht anzu­nehmen.

SVMWIndex k8s1a7

Überlanges Gerichtsverfahren

Die Verfahrensgestaltung obliegt in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht. Sofern der Arbeits­anfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, muss das Gericht hierfür zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festlegen.

Wirkungsvoller Rechtsschutz

Aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip lässt sich die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes im materiellen Sinn für bürgerlich rechtliche Streitigkeiten ableiten. Alle Fachgerichte sind verpflichtet, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen. Wie das Bundesverfassungsgericht feststellte, stellt eine überlange Verfahrens­dauer eine »nicht mehr vertretbare Vorenthaltung von Rechtsschutz« und damit eine Grund­rechtsverletzung dar.

Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens

Die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist stets nach den besonderen Umständen des Ein­zelfalles zu bestimmen. Es gibt keine allgemeingültigen Zeitvorgaben oder verbindliche Richtlinien.

Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Natur des Ver­fahrens und die Bedeutung der Sache für die Parteien, die Auswirkungen einer langen Verfahrens­dauer für die Beteiligten, die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, ins­besondere Verfahrensverzögerungen durch sie sowie die gerichtlich nicht zu beeinflussende Tätig­keit Dritter, vor allem der Sachverständigen.

SVMWIndex k8s1a8