Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist bei Auseinandersetzungen in allen Angelegenheiten der Sozialversicherung zulässig.
In einem Rechtsstaat muss der Bürger die Möglichkeit haben, sich gegenüber dem hoheitlichen Handeln der öffentlichen Gewalt rechtlich wehren zu können. Dieses Grundrecht ist durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet: »Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.« Die im Grundgesetz manifestierte Rechtsschutzgarantie betrifft auch die Maßnahmen der öffentlich‐rechtlich tätigen Verwaltung, wenn sie als Träger hoheitlicher Aufgaben Handlungen vornimmt, die ihr kraft Gesetzes zugewiesen wurden.
Das Sozialgerichtsgesetz (SGG) beinhaltet die maßgebenden Regelungen für das Widerspruchsverfahren bei der zuständigen Behörde (z. B. Krankenkasse, Rentenversicherungsträger, Arbeitsagentur) und das sich daran anschließende Klageverfahren vor den Sozialgerichten.
Arbeitgeber/Versicherter |
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Widerspruch |
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Revision |
Im Bereich der Sozialgesetze besteht eine eigene Gerichtsbarkeit. Die Sozialgerichtsbarkeit ist ein im SGG geregelter besonderer Zweig der Verwaltungsgerichte. Beim Sozialgericht sind verschiedene Kammern für die Entscheidungen in den Rechtsstreitigkeiten zuständig. Jeder Kammer steht ein Berufsrichter vor, der zusammen mit zwei ehrenamtliche Richtern über die Rechtsstreitigkeiten entscheidet.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist bei Auseinandersetzungen in allen Angelegenheiten der Sozialversicherung zulässig. Das Verfahren vor den Sozialgerichten ist öffentlich. Es ist nicht notwendig, einen Anwalt hinzuzuziehen.
Nach § 51 Abs. 1 SGG sind folgende öffentlich‐rechtliche Streitigkeiten der Sozialgerichtsbarkeit unterworfen:
1 | . | Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte, |
2 | . | Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (SGB XI), |
3 | . | Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung, |
4 | . | Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit, |
4 | a. | Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende, |
5 | . | Sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung, |
6 | . | Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts, |
6 | a. | Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, |
7 | . | Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, |
8 | . | Angelegenheiten des Aufwendungsausgleichsgesetzes, |
9 | . | Angelegenheiten, für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird. |
Im Gegensatz zu den nichtförmlichen Rechtsbehelfen sind förmliche Rechtsbehelfe durch Verfahrensregeln konkretisiert. Adressat eines förmlichen Rechtsbehelfs kann die Verwaltung (Widerspruch) oder das Gericht (Klage) sein. Rechtsbehelfe im weiteren Sinne (Berufung, Revision und Beschwerde) richten sich gegen Gerichtsentscheidungen.
Für förmliche Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte ist, sofern der Sozialrechtsweg gegeben ist, nach § 62 SGB X das Sozialgerichtsgesetz (SGG) maßgebend.⚖
Rechtsmittelverfahren |
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Arbeitgeber |
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Widerspruch Entscheidung |
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Widerspruchsverfahren |
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Klage Entscheidung |
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Sozialgericht |
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Landessozialgericht |
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Berufung Entscheidung |
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Bundessozialgericht |
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Revision Entscheidung |
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Ende des Verfahrens |
Ende des Verfahrens |
SVMWIndex k8s1a1
Vor Erhebung einer Klage beim Sozialgericht sind die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes in einem Widerspruchsverfahren nachzuprüfen.
Im Sozialversicherungsrecht erlassen die Versicherungsträger (Krankenkassen, Rentenversicherung, Arbeitsagenturen und Unfallversicherungsträger) Bescheide. Diese Verwaltungsakte können Leistungen gewähren oder ablehnen, auf Versicherungspflicht oder ‑freiheit erkennen oder die Höhe der Beiträge festsetzen.
Der Verwaltungsakt (Bescheid) ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.⚖ Eine Maßnahme hat Außenwirkung, wenn sie darauf gerichtet ist Rechtsfolgen gegenüber einem Rechtssubjekt herbeizuführen, das außerhalb des handelnden Verwaltungsträgers steht.
Damit ein Verwaltungshandeln als Verwaltungsakt qualifiziert werden kann, muss es sich um eine Maßnahme handeln, die die Behörde mit dem Ziel der Regelung eines Einzelfalls trifft. In Abgrenzung von generellen Maßnahmen durch Gesetz und Rechtsverordnung ist der Verwaltungsakt somit nur als individuelle Handlung gedacht. Individuellen Charakter kann eine Verwaltungsmaßnahme deshalb haben, weil sie eine Person (oder einen bestimmten Personenkreis) betrifft oder weil sie einen bestimmten Sachverhalt ›konkret‹ regelt.
Inhalt des Verwaltungsaktes |
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Befehlende Verwaltungsakte |
Gestaltende Verwaltungsakte |
Feststellende Verwaltungsakte |
Verwaltungsakte unterscheiden sich nach dem Inhalt.
Befehlende Verwaltungsakte sprechen ein Gebot oder Verbot aus. Hierunter fällt zum Beispiel das in einem Erstattungs‑ oder Rückforderungsbescheid nach § 50 Abs. 1 oder 2 SGB X verlautbarte Zahlungsgebot.⚖
Gestaltende Verwaltungsakte begründen, ändern oder heben ein konkretes Rechtsverhältnis auf, ohne dass er mit einem Gebot oder Verbot versehen ist (z. B. Rücknahmebescheide oder Bescheide über die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI).
Feststellende Verwaltungsakte stellen Ansprüche oder Rechtsverhältnisse fest (z. B. Rentenbescheide) beziehungsweise lehnen beantragte Feststellungen oder Leistungen ab.
Verwaltungsakte werden nach der Wirkung für den Betroffenen grundsätzlich in begünstigende und nicht begünstigende Verwaltungsakte unterteilt. Begünstigende Verwaltungsakte begründen, bestätigen oder erweitern einen rechtlich erheblichen Vorteil für den Betroffenen. Nicht begünstigende Verwaltungsakte legen ein Tun, Unterlassen oder Dulden auf, beschränken oder entziehen Rechte bzw. Leistungen oder treffen für den Betroffenen ungünstige Entscheidungen. Verwaltungsakte, die sowohl begünstigende als auch belastende Elemente beinhalten, werden als Verwaltungsakte mit Mischwirkung oder auch als ›Janusköpfige Verwaltungsakte‹ bezeichnet.
Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.⚖
Die Anhörung gibt in gerichtlichen und behördlichen Verfahren den Beteiligten die Gelegenheit, sich zu der zur Entscheidung stehenden Angelegenheit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Die Anhörung verwirklicht den rechtsstaatlichen Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht.⚖
Die Anhörung ist formfrei; sie kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. Wird die Anhörungspflicht verletzt, so liegt ein Verfahrensfehler vor, der den ergangenen Verwaltungsakt formell rechtswidrig werden lässt. Der Verfahrensfehler wird jedoch geheilt, wenn im Rahmen des Widerspruchverfahrens die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird.
Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags → Das Anhörungsverfahren
Erlässt eine Behörde einen Bescheid, so muss dieser eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Die Rechtsbehelfsbelehrung muss darauf hinweisen, dass innerhalb eines Monats Widerspruch erhoben werden kann. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.⚖
Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Wird eine Rechtsbehelfsbelehrung unabhängig vom Verwaltungsakt erteilt oder nachgereicht, beginnt die Frist mit der Bekanntgabe der Belehrung.
Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Arbeitgeber bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Abs. 2 SGB I oder zur Niederschrift bei dem Rentenversicherungsträger einzureichen, der den Verwaltungsakt erlassen hat. Wird der Widerspruch in elektronischer Form eingereicht, ist eine qualifizierte elektronische Signatur oder eine absenderauthentifizierte Übersendung (z. B. als De‐Mail) erforderlich. Eine einfache E-Mail reicht nicht aus.⚖
Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde, bei einem anderen Versicherungsträger, bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist.⚖
Für die Berechnung der Frist gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.⚖ Da es sich um eine ›Ereignisfrist‹ handelt, ist für die Berechnung der Frist der § 187 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 188 Abs. 2 BGB maßgebend. Für die Fristberechnung ordnet § 187 Abs. 1 BGB im Bezug auf die Ereignisfrist an, dass der Tag, in dessen Verlauf das Ereignis fällt, nicht mitzuzählen ist. Fristbeginn ist stets der Anfang (um 0:00 Uhr) des Folgetages. Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum bestimmt ist, endet im Falle des § 187 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages (um 24.00 Uhr) der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
Die Monatsfrist ist unabhängig davon, wie viele Tage der jeweilige Monat hat. Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, verschiebt sich das jeweilige Fristende auf den Ablauf des nächstfolgenden Werktages.⚖
Bei der Zusendung per Post im Inland gilt der Bescheid am 3. Tag nach Aufgabe zur Post als zugegangen und damit als bekannt gegeben (Zugangsfiktion). Die 3‐Tagesfrist beginnt mit dem Tag, nach dem der Bescheid der Post übergeben wurde. Die Zugangsfiktion gilt auch dann, wenn der 3. Tag auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fällt. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.⚖ Die Widerspruchsfrist beginnt am Tag nach der Bekanntgabe.
Bescheidübergabe zur Post: 10.02.2023 (Freitag)
Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.⚖
Bekanntgabe Beitragsbescheid: 13.02.2023 (Montag)
Eine Ereignisfrist hängt vom Eintritt eines Ereignisses ab. Für die Fristberechnung ordnet § 187 Abs. 1 BGB im Bezug auf die Ereignisfrist an, dass der Tag, in dessen Verlauf das Ereignis fällt, nicht mitzuzählen ist. Fristbeginn ist am Tag nach der Bekanntgabe um 00:00 Uhr.
Fristbeginn: 14.02.2023 um 00:00 Uhr (Dienstag)
Die Frist endet grundsätzlich einen Monat nach der Bekanntgabe des Bescheids. Ist der Beginn des Tages für den Fristbeginn maßgeblich, so endet die Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages (um 24.00 Uhr) der letzten Woche bzw. des letzten Monats, der dem Tag vorausgeht, der durch seine Benennung oder Zahl dem Anfangstag entspricht.
Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages.⚖
Fristende: 13.03.2023 um 24:00 Uhr (Montag)
Bescheidübergabe zur Post: 09.02.2023 (Donnerstag)
Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, unabhängig davon, ob das Ende der Bekanntgabefrist auf einen Sonntag fällt.
Bekanntgabe Beitragsbescheid: 12.02.2023 (Sonntag)
Eine Ereignisfrist hängt vom Eintritt eines Ereignisses ab. Für die Fristberechnung ordnet § 187 Abs. 1 BGB im Bezug auf die Ereignisfrist an, dass der Tag, in dessen Verlauf das Ereignis fällt, nicht mitzuzählen ist. Fristbeginn ist am Tag nach der Bekanntgabe um 00:00 Uhr.
Fristbeginn: 13.02.2023 um 00:00 Uhr (Montag)
Die Frist endet grundsätzlich einen Monat nach der Bekanntgabe des Bescheids. Ist der Beginn des Tages für den Fristbeginn maßgeblich, so endet die Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages (um 24.00 Uhr) der letzten Woche bzw. des letzten Monats, der dem Tag vorausgeht, der durch seine Benennung oder Zahl dem Anfangstag entspricht. Fällt das Ende einer Frist – wie in dem Beispiel – auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages.⚖
Fristende: 13.03.2023 um 24:00 Uhr (Montag)
Durch eine falsche oder fehlende Rechtsbehelfsbelehrung verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr, das heißt der Arbeitgeber hat ein Jahr Zeit, gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers Widerspruch einzulegen.⚖
Widerspruchsfristen |
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Innerhalb eines Monats |
Innerhalb eines Jahres |
Innerhalb von drei Monaten |
Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist z. B. unrichtig oder unvollständig, wenn
sie unverständlich abgefasst ist oder verwirrende Angaben enthält,
der Hinweis fehlt, dass der Rechtsbehelf auch elektronisch eingelegt werden kann oder
die Anschrift des zuständigen Sozialversicherungsträger oder Gerichts falsch ist.
Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.⚖
Wurde die Widerspruchsfrist versäumt, muss auf Antrag des Widerspruchsführers die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geprüft werden. Diese ist zu gewähren, wenn der Widerspruchsführer ohne Verschulden an der Einhaltung der Widerspruchsfrist gehindert war. Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist nach § 41 Abs. 3 SGB X als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
An eine bestimmte Form ist der Widerspruch nicht gebunden. Der Betroffene kann daher ein Widerspruchsschreiben frei formulieren oder durch eine rechtsanwaltliche Person verfassen lassen. Ein schriftlicher Widerspruch bedarf stets einer Unterschrift des Betroffenen.
Der Widerspruch muss ordnungsgemäß, das heißt bei der zuständigen Behörde entweder schriftlich oder mündlich zur Niederschrift erhoben werden. Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde, bei einem anderen Versicherungsträger, bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist.⚖
Grundsätzlich hat der Widerspruch eine aufschiebende Wirkung, das bedeutet, dass der Bescheid für die Dauer des Verfahrens nicht durchgesetzt oder vollstreckt werden kann.⚖
⇰ Bei Entscheidungen über Versicherungs‑, Beitrags‑ und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG jedoch keine aufschiebende Wirkung.
Ein Widerspruchsverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruches. Der Widerspruch gegen den Verwaltungsakt des Versicherungsträger setzt das sogenannte Vorverfahren in Gang, welches den Sozialversicherungsträger dazu verpflichtet, die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes noch einmal zu überprüfen .⚖ Aus der Sicht des den Ausgangsbescheid erlassenden Sozialversicherungsträgers ist das Widerspruchsverfahren ein nachgelagertes Verfahren der Überprüfung innerhalb der Trägerorganisation.
Verpflichtung der Verwaltung |
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Überprüfung des eigenen Handelns |
Information des Betroffenen |
Das Vorverfahren
dient der durch den Widerspruch angestoßenen behördlichen Selbstkontrolle,
gibt der Person, die den Widerspruch erhebt, Rechtsschutz gegen eine als falsch empfundene Entscheidung und
soll die Gerichte von Streitfällen entlasten, die von der Verwaltung selbst geregelt werden können.
Der Rechtsbehelf (Widerspruch) ist von der damit angegangenen Stelle zunächst auf seine Zulässigkeit und erst danach auf seine Begründetheit hin zu überprüfen. Unzulässig ist ein Rechtsbehelf dann, wenn nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt sind.
Zuständigkeit:
Die angegangenen Stelle muss sachlich und örtlich zur Entscheidung befugt sein,
Ordnungsmäßigkeit des Rechtsbehelfs:
Der Widerspruch wurde frist‑ und formgerecht eingelegt,
Rechtsschutzbedürfnis:
Der Widerspruchsführer muss in seinen Rechten betroffen sein; dass heißt er muss beschwert sein.
Ist die Ausstellungsbehörde der Auffassung, dass der Verwaltungsakt korrekt und der Widerspruch somit unbegründet ist, muss sie das Verfahren an die zuständige Widerspruchsbehörde (bzw. Widerspruchsstelle) abgeben. Kommt die Widerspruchsstelle nach genauer Prüfung zu dem Ergebnis, dass dem Widerspruch nicht abzuhelfen ist, kommt der Widerspruch zur Vorlage an den Widerspruchsauschuss. Der Widerspruchsausschuss ist die von der Vertreterversammlung bzw. dem Verwaltungsrat oder – bei der Bundesagentur für Arbeit – dem Vorstand bestimmte Stelle des Sozialversicherungsträgers, welche die Rechts‑ und Zweckmäßigkeitskontrolle im Sozialversicherungsverhältnis gewährleisten. In der Regel setzt sich der Widerspruchsausschuss aus den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern der Selbstverwaltung (Arbeitnehmer‑ und Arbeitgebervertreter) und Vertretern des Sozialversicherungsträgers zusammen.
Der Widerspruchsausschuss überprüft den angefochtenen Bescheid ein weiteres Mal und entscheidet mit Stimmenmehrheit autark und endgültig darüber, ob dem Widerspruch positiv abgeholfen werden kann oder nicht. Abhilfeverfahren und der Widerspruchsbescheid sind in § 85 SGG geregelt. Mit ihrer Stellung im Verfahrensablauf zwischen dem Verwaltungsakt und der sozialgerichtlichen Klage üben die Widerspruchsausschüsse eine wichtige Filterfunktion aus und dienen damit sowohl dem individuellen Rechtsschutz als auch der Entlastung der Gerichte.⚖
Das Widerspruchsverfahren endet spätestens mit dem Erlass, das heißt mit der Bekanntgabe bzw. Zustellung des Widerspruchsbescheids.⚖
Kommt der Widerspruchsausschuss zu dem Schluss, dass im Sinne des Betroffenen zu entscheiden ist, muss die Widerspruchsstelle dem Widerspruch abhelfen, indem sie ihre ursprüngliche Entscheidung korrigiert und einen entsprechenden Abhilfebescheid erlässt.⚖
Durch den Abhilfebescheid hebt die Ausgangsbehörde den mit einem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsakt (ganz oder teilweise) auf. Die Abhilfeentscheidung erfordert eine Begründung und eine Kostenentscheidung.
Ist auch der Widerspruchausschuss der Auffassung, dass es bei der ursprünglichen Entscheidung verbleibt, weist die Widerspruchsstelle den Widerspruch zurück und erlässt einen entsprechenden Widerspruchsbescheid. Der Widerspruchsbescheid ist schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Beteiligten bekanntzugeben.⚖ Auch der Widerspruchsbescheid muss eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Die Rechtsmittelbelehrung muss darauf hinweisen, dass innerhalb eines Monats die Klage erhoben werden kann und muss das zuständige Sozialgericht benennen. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.⚖ Fehlt diese Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid, verlängert sich die Klagefrist auf ein Jahr.
Das Widerspruchsverfahren ist für den Versicherten und den Arbeitgeber kostenfrei.
Der § 63 Abs. 2 SGB X ist inhaltlich übereinstimmend mit § 91 Abs. 2 ZPO zu interpretieren. Erstattungsfähig sind somit nur Gebühren, die in einer gesetzlichen Gebührenordnung erfasst sind.⚖ Ist der Widerspruch erfolgreich, werden dem Betroffenen deshalb ggf. die Kosten für einen bevollmächtigten Rechtsanwalt erstattet .⚖
Kein Erstattungsanspruch besteht hingegen für die Mühe und den Zeitverlust eines Beauftragten, der keinen gesetzlichen Gebührenanspruch hat. Die Bevorzugung, die der Rechtsanwalt dadurch genießt, dass für ihn eine gesetzliche Gebührenordnung (RVG) vorhanden ist und seine danach berechneten Gebühren erstattungsfähig sind, ergibt sich aus seiner Stellung in der Rechtspflege.⚖
Beauftragung eines Bevollmächtigten
Die Erstattung muss beantragt und die erstattungsfähigen Aufwendungen müssen im Einzelfall nachgewiesen werden.
Der § 63 SGB X bietet keine Grundlage für einen Ausgleich von Arbeits‑ und Zeitaufwand durch den Betroffenen selbst.⚖
Der Erstattungsbetrag aus § 63 SGB X ist nicht zu verzinsen, weil eine gesetzliche Ermächtigung hierfür nicht besteht.⚖
SVMWIndex k8s1a2
Über einen Widerspruch hat die Behörde binnen drei Monaten zu entscheiden.
Wird die Behörde entweder auf den Antrag hin, oder auf einen Widerspruch gegen einen Bescheid nicht tätig, besteht die Möglichkeit, vor den Sozialgerichten ›Untätigkeitsklage‹ zu erheben.
Zur Geltendmachung sozialrechtlicher Ansprüche muss sich der Bürger mit einem Antrag auf Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes an die zuständige Behörde der Sozialverwaltung wenden. Grundsätzlich sind Behörden angehalten, auf einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine Entscheidung zu treffen. Der § 88 Abs. 1 SGG regelt den Fall der Untätigkeit einer Behörde und sieht für eine ›Untätigkeitsklage‹ grundsätzlich eine sechsmonatige Wartefrist vor. Bis zum Ablauf der ›Sperrfrist‹ gilt die unwiderlegbare Vermutung, dass die Frist für die Bearbeitung des Antrags (bzw. des Widerspruchs) angemessen ist.
Der § 88 Abs. 2 SGG behandelt die Fälle, in denen eine Behörde auf einen Widerspruch hin untätig bleibt. Der Kläger muss also bereits Widerspruch eingelegt haben, bevor er das Gericht anruft. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Widerspruch zulässig war, oder nicht. Auch ein unzulässiger Widerspruch muss als solcher von der Behörde zurückgewiesen werden. Über einen Widerspruch hat die Behörde binnen drei Monaten zu entscheiden.
Die Klage ist nur dann zulässig, wenn die Behörde noch keine abschließende Entscheidung zur Hauptsache getroffen, also noch keinen abschließenden Verwaltungsakt erlassen hat. Da im Vordergrund der Gedanke steht, dass dem Kläger durch das säumige Verhalten der Behörde keine Nachteile entstehen sollen, bestehen für die Untätigkeitsklage keine Ausschlussfristen. Sie kann daher grundsätzlich nach Ablauf der jeweils maßgebenden Frist zeitlich unbeschränkt erhoben werden.
Welche Maßnahme das Sozialgericht ergreift, hängt davon ab, ob ein ›zureichender Grund‹ für die Bearbeitungszeit vorliegt oder nicht.
Das Vorliegen eines zureichenden Grundes hängt einerseits von den Möglichkeiten der Behörde, andererseits aber auch von der Dringlichkeit des Bescheidungsinteresses des Klägers ab.
Kurzfristige und vorübergehende besondere Belastungssituation der Behörde z. B. aufgrund einer Gesetzesänderung.⚖
Schwierigkeiten bei der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts z. B. Zeugenvernehmungen, einholen von Sachverständigengutachten).
Wenn der Widerspruchsführer die Abgabe einer Begründung angekündigt oder er um Aussetzung des Verfahrens gebeten hat.
Wenn die Behörde in einem Widerspruchsverfahren neue Tatsachen zu prüfen hat.
Kommt das Gericht zu der Entscheidung, dass mit zureichendem Grund nicht entschieden wurde und ist die Klage nicht aus anderem Grund unzulässig, bestimmt das Gericht eine Frist, bis zu deren Ablauf das Verfahren ausgesetzt wird. Bei der Bemessung der Frist müssen die beidseitigen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Diese Entscheidung ergeht durch Beschluss. Gegen den Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 1 SGG das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft. Entscheidet die Behörde nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist und kommt eine Fristverlängerung nicht in Betracht, ergeht grundsätzlich ein Bescheidungsurteil nach § 131 Abs. 3 SGG.
Trägt die Behörde nicht schlüssig vor, dass ein ›zureichender Grund‹ für die Bearbeitungszeit vorliegt, ist das Gericht zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet und es ergeht ein Bescheidungsurteil gemäß § 131 Abs. 3 SGG. Das Gericht verurteilt die Behörde in diesem Fall dazu, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
SVMWIndex k8s1a3
Wird der Widerspruch vom Widerspruchsausschuss der Behörde durch Bescheid abschlägig beschieden, kann der Betroffene gegen den Widerspruchsbescheid innerhalb einer Frist von einem Monat Klage beim örtlich zuständigen Sozialgericht erheben.
Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen.
Wird dem Widerspruch im Rahmen des durchzuführenden Vorverfahrens nicht abgeholfen, hat der Betroffene die Möglichkeit gegen den Widerspruchsbescheid innerhalb einer Frist von einem Monat Klage beim örtlich zuständigen Sozialgericht erheben. Die Sozialgerichte bilden die erste Instanz der Sozialgerichtsbarkeit. Sie unterliegen der Dienstaufsicht des Arbeitsministeriums des betreffenden Bundeslandes.
Die Frist für die Erhebung der Klage gilt auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist – statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit – bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde eingegangen ist.⚖
Gegenstand der Klage ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.⚖ Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.⚖
Dem Widerspruch wird nicht abgeholfen
Ein Beteiligter kann einen Prozess nur führen, wenn er prozessfähig ist.⚖ Das ist der Fall, wenn er sich durch Verträge verpflichten kann. Die Prozessfähigkeit ist deshalb identisch mit der Geschäftsfähigkeit nach dem BGB. Sie tritt grundsätzlich mit der Volljährigkeit, also mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.⚖
Der Prozess kann durch prozessfähige Person geführt werden. Jeder Kläger kann aber grundsätzlich sein Verfahren auch alleine führen und braucht keinen Rechtsanwalt oder sonstigen Bevollmächtigten zu beauftragen.
Wer als Bevollmächtigter in Betracht kommt ist in § 73 SGG geregelt. Die Bevollmächtigten haben grundsätzlich eine schriftliche Vollmacht zur Gerichtsakte zu reichen. Personen, die nicht zu den in § 73 SGG genannten Gruppen zählen, vor allem Freunde oder Bekannte, die keine Familienmitglieder sind, können keine Vertretung vor dem Sozialgericht übernehmen. Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück.⚖
Als Bevollmächtigte kommen im Wesentlichen in Betracht
Rechtsanwälte.
Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule mit Befähigung zum Richteramt.
Sonstige Personen mit Befähigung zum Richteramt, volljährige Familienangehörige.
Rentenberater (im Umfang der ihnen erteilten Befugnisse).
Angestellte von Sozialverbänden.
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.
Der Rechtsanwalt hat u. a. die Pflicht, seinen Mandanten über den Verlauf der Streitsache zu informieren. Er hat den Mandanten über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen zu unterrichten und Anfragen des Mandanten unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) zu beantworten.⚖ Dem Mandanten ist insbesondere von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben.⚖
Ist der Mandant mit seinem Rechtsanwalt unzufrieden, kann er sich an die jeweils zuständige Rechtsanwaltskammer der Länder wenden. Er hat aber auch die Möglichkeit, die Bevollmächtigung zu widerrufen. Dies kann er gegenüber seinem Rechtsanwalt, aber auch gegenüber dem Gericht erklären. Der Kläger hat dann die Möglichkeit sein Verfahren selbst weiter zu führen oder einen anderen Rechtsbeistand mit der Führung des Verfahrens zu beauftragen.
Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.⚖
Der Kläger ist der Antragsteller und bestimmt grundsätzlich den Inhalt der Klage. Die Klageschrift muss jedoch einen Mindestinhalt haben. Sie muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll zudem einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts‑ und Zeitangabe unterzeichnet sein. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.⚖
Die Art der einzureichenden Klage hängt von dem Ziel ab, das der Kläger verfolgt.
Arbeitgeber/Versicherter |
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Leistungsklage |
Feststellungsklage |
Untätigkeitsklage |
Eine Leistungsklage (z. B. auf Zahlung einer Rente) wird in der Regel mit einer Anfechtungsklage kombiniert, da der Kläger gleichzeitig mit dem Wunsch auf Leistung auch einen ablehnenden Bescheid der Behörde anfechten muss.
Mit einer Feststellungsklage wird meist die Feststellung eines Rechtsverhältnisses (z. B. einer Selbständigkeit oder eines Beschäftigungsverhältnisses) verfolgt. Auch die Feststellungsklage wird in der Regel mit einer Anfechtungsklage kombiniert.
Eine Untätigkeitsklage ist beispielsweise dann möglich, wenn jemand durch die Untätigkeit einer Behörde in seinen Rechten beeinträchtigt wird, etwa weil diese seinen Antrag ohne Grund nicht in einer angemessenen Frist bearbeitet.⚖
Das Sozialgericht ermittelt von sich aus den Sachverhalt. Dabei kann das Sozialgericht z. B. Auskünfte oder Gutachten einholen, Akten von Behörden oder aus anderen Prozessen beiziehen und Zeugen vernehmen.
Das Sozialgericht kann in einem sogenannten ›Erörterungstermin‹ den Fall mit den Beteiligten besprechen. Ein Urteil wird in diesen Terminen nicht gesprochen, sie dienen lediglich zur Klärung von Missverständnissen und der Erläuterung der Rechtslage. Im Gegensatz zur mündlichen Verhandlung sind Erörterungstermine nicht öffentlich.
Der in 103 SGG festgelegte Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die Tatsachengerichte, die entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln, weil das sozialgerichtliche Verfahren weder eine subjektive Beweisführungslast, noch eine objektive Beibringungsfrist für Beweismittel kennt. Dabei kann das Sozialgericht z. B. Auskünfte oder Gutachten einholen, Akten von Behörden oder aus anderen Prozessen beiziehen und Zeugen vernehmen.
Im Rahmen der Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und nach dem Grundsatz der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung obliegt es den Tatsachengerichten, alle Besonderheiten des konkreten Falles in tatsächlicher Hinsicht zu erfassen und zu würdigen. Es darf einerseits keine Ermittlungen unterlassen, zu denen es sich als ›Tatsachengericht‹ hätte gedrängt fühlen müssen.⚖ Es muss aber anderseits nicht von sich aus alle nur erdenklichen Ermittlungen anstellen.
Das Sozialgericht hat die Aufklärungsbedürftigkeit entscheidungserheblicher Tatsachen vor allem aus den Verwaltungsakten zu ermitteln. Aber auch Hinweise und Anregungen der Beteiligten sind für die Ermittlungstätigkeit des Sozialgerichts von erheblicher Bedeutung. Die Beteiligten können jedoch nicht bestimmen, welche Beweismittel im Einzelnen heranzuziehen sind. Nach § 103 Satz 2 SGG ist das Sozialgericht nicht an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden.
Kann ein bestimmter Tatbestand nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nicht nachgewiesen werden, so geht dies grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleiten will. Während denjenigen, der sich auf einen Anspruch beruft, die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen trifft, ist derjenige, der das geltend gemachte Recht bestreitet, für die rechtsvernichtenden, rechtshindernden oder rechtshemmenden Tatsachen beweispflichtig.⚖
Die Einnahme des richterlichen Augenscheins ist ein in allen Prozessarten mögliches Mittel des Beweises. Er besteht darin, dass sich das Gericht einen Vorgang, der zwischen den Parteien streitig ist, oder eine Sache, deren Zustand zwischen ihnen streitig ist, selbst ansieht. Wenn möglich, soll der Augenschein im Gerichtsgebäude eingenommen werden. Wenn dies nicht möglich ist, begibt sich das Gericht dorthin, wo es erforderlich ist (Ortstermin). Die Parteien und ihre Rechtsanwälte haben das Recht, beim Ortstermin dabei zu sein. Über das Ergebnis des Augenscheins wird ein Protokoll aufgenommen.
Das Sozialgericht hat darauf hinzuwirken, dass ungenaue Angaben ergänzt und alle wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Die Mitwirkung des Rechtssuchenden kann im sozialgerichtlichen Verfahren nicht erzwungen werden. Wirkt der Rechtssuchende bei der Sachverhaltsaufklärung nicht mit, muss das Sozialgericht zumindest diejenigen Beweise erheben, die ohne Mitwirkung des Rechtsuchenden erhoben werden können.
Im sozialgerichtlichen Verfahren gelten die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungslast). Diese greifen ein, wenn das Sozialgericht keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann (›non liquet‹), und es zu bestimmen hat, zu wessen Lasten diese Unaufklärbarkeit geht.⚖
Die Folgen der Nichtfeststellbarkeit einer Tatsache trägt derjenige, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. In der Regel trifft die objektive Beweislast daher den Anspruchssteller. Eine fehlende Mitwirkung des Rechtsuchenden kann somit zur Folge haben, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht als erwiesen anzusehen sind und der Kläger den Rechtsstreit wegen des Grundsatzes der objektiven Beweislast verliert.
In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wirken (anders als im Erörterungstermin) auch die ehrenamtlichen Richter mit.
Nachdem der Sachverhalt vorgetragen wurde, wird der Fall ausführlich mit den Beteiligten besprochen. Gibt es keine andere Lösung, werden schließlich die jeweiligen Anträge gestellt.
Ein Urteil ist nicht die einzige Lösung für einen Rechtsstreit. Es steht den Beteiligten frei, das Sozialgerichtsverfahren anders als durch Urteil zum Abschluss zu bringen (Dispositionsmaxime). Ist durch die Ermittlungen oder die Besprechung im Gerichtstermin eine Seite überzeugt worden, ihren bisherigen Standpunkt aufzugeben, kann zwischen den Beteiligten auch eine gütliche Einigung in Form eines Vergleiches, einer Anerkenntnis oder einer Klagerücknahme geschlossen werden. Vergleich, Anerkenntnis und Rücknahme können nicht nur in den gewechselten Schriftsätzen, sondern auch zu Protokoll im Gerichtstermin erklärt werden. Wichtig hierbei ist, dass auch eine Aussage über das Tragen der außergerichtlichen Kosten getroffen wird.
Dispositionsmaxime |
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Vergleich |
Anerkenntnis |
Klagerücknahme |
Eine Leistungsklage z. B. auf Zahlung einer Rente) wird in der Regel mit einer Anfechtungsklage kombiniert, da der Kläger gleichzeitig mit dem Wunsch auf Leistung auch einen ablehnenden Bescheid der Behörde anfechten muss. Die Beteiligten einigen sich vergleichsweise gerichtlich⚖ oder außergerichtlich.
Wird das Gerichtsverfahren durch einen Vergleich zwischen den Parteien beendet, so haben diese auch zu vereinbaren, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Da es sich bei dem Vergleich um einen Vertrag handelt, sind die Parteien frei und können eine beliebige Kostenfolge treffen. Wird keine Regelung über die Vergleichsgebühr getroffen, so hat jede Partei die eigenen Kosten des Vergleichs selbst zu tragen.⚖
Die Beklagte erkennt den geltend gemachten Anspruch an. Wird durch ein Anerkenntnis lediglich über einen (abtrennbaren) Teil des Streitgegenstandes verfügt, bleibt die Hauptsache im Übrigen im Streit.
Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind.⚖
Der § 101 Abs. 1 SGG regelt die Variante des gerichtlichen Vergleichs. Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zu Protokoll des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können.⚖
Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich gegenüber dem Gericht annehmen.⚖
Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache.⚖ Indem damit unnötige Gerichtstermine entfallen können, soll eine Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit erreicht werden.⚖
Der § 101 Abs. 2 SGG regelt die Variante Anerkenntnis des Anspruchs. Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache.
Der § 102 SGG regelt die Variante der Klagerücknahme. Der Kläger aufgrund der Ermittlungen oder die Besprechung im Gerichtstermin die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.
Nach einer geheimen Beratung verkündet das Gericht dann das Urteil, das den Beteiligten später mit ausführlicher Begründung zugestellt wird.
In einfachen Fällen kann das Sozialgericht auch ohne Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren durch Gerichtsbescheid entscheiden. Dies muss es den Beteiligten jedoch vorher mitteilen.
SVMWIndex k8s1a4
Das Landessozialgericht ist als zweitinstanzliches Gericht der Sozialgerichtsbarkeit zuständig für Berufungen gegen Urteile und für Beschwerden gegen andere Entscheidungen der Sozialgerichte.
Die Landessozialgerichte werden durch die Länder eingerichtet. Diese können gemeinsam mit anderen Ländern auch ein übergreifendes Landessozialgericht einrichten.⚖ Die Landessozialgerichte haben für die verschiedenen Rechtsbereiche (Sozialversicherung und Arbeitsförderung, Vertragsarztrecht, soziales Entschädigungsrecht und Schwerbehindertenrecht sowie Grundsicherung für Arbeitsuchende) einzelne Fachsenate eingerichtet.
Das Landessozialgericht ist das zweitinstanzliche Gericht der Sozialgerichtsbarkeit. Es ist zuständig für Berufungen gegen Urteile und für Beschwerden gegen andere Entscheidungen der Sozialgerichte.⚖ Das Urteil des Sozialgerichtes enthält eine Rechtsmittelbelehrung. Aus dieser ist ersichtlich, welches Landessozialgericht zuständig ist und innerhalb welcher Frist Berufung eingelegt werden muss.
Das Landessozialgericht ist die zweite und letzte Tatsacheninstanz. Auch die Landessozialgerichte haben im Berufungsverfahren den Streitfall umfassend sowohl in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht aufzuklären.⚖ Die Landessozialgerichte haben in diesem Zusammenhang erforderlichenfalls von Amts wegen weitere Ermittlungen zum Sachverhalt anzustellen und Beweise zu erheben.
Das im Grundgesetz manifestierte prozessuale Grundrecht auf rechtliches Gehör besagt, dass ein Beteiligter vor Erlass einer Entscheidung Gelegenheit haben muss, sich zu äußern und gehört zu werden. Für das Sozialgerichtsverfahren bestimmt § 128 Abs. 2 SGG ausdrücklich, dass das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.
Die Berufung im Sozialgerichtsverfahren bedarf grundsätzlich keiner besonderen Zulassung. Einer Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts bedarf die Berufung jedoch ausnahmsweise in sogenannten ›Bagatellfällen‹. Ein solcher liegt u. a. vor, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld‑, Dienst‑ oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.⚖
Der unterlegene Beteiligte kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim zuständigen Landessozialgericht eingelegen.⚖
Der Kläger kann frei entscheiden, ob er sich vor dem Landessozialgericht vertreten lässt oder er den Prozess alleine führen will. Wie beim Sozialgericht, besteht auch beim Landessozialgericht kein Anwaltszwang.⚖
Beauftragung eines Bevollmächtigten
Nach Abschluss der Ermittlungen hat das Landessozialgericht die Möglichkeit, in einfach gelagerten Fällen von einer Entscheidung durch Urteil nach mündlicher Verhandlung abzusehen, indem es die Berufung durch Beschluss als unbegründet zurückweist⚖ oder als unzulässig verwirft.⚖
Im Einverständnis mit den Beteiligten kann das Landessozialgericht auch – statt durch den gesamten Senat – allein durch den zuständigen Berufsrichter (Berichterstatter) als Einzelrichter entscheiden.⚖
Soll über grundsätzliche Rechtsfragen entschieden werden und alle an dem Verfahren Beteiligten sind sich einig, kann auch unter Übergehung der Berufungsinstanz direkt nach einem Urteil des Sozialgerichts über die Durchführung einer sogenannte ›Sprungrevision‹ beim Bundessozialgericht entschieden werden.⚖
Die Sprungrevision ist dann sinnvoll, wenn der Sachverhalt unstreitig ist und es nur um die – möglichst zügige – Klärung von grundsätzlichen Rechtsfragen geht. Die Beteiligten nehmen sich hierdurch allerdings die Möglichkeit, die Tatsachenbasis durch neue Vorträge zu erweitern bzw. zu ändern.
Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag oder, wenn die Revision im Urteil zugelassen ist, der Revisionsschrift beizufügen.⚖
SVMWIndex k8s1a5
Die Revision zum Bundessozialgericht ist nur dann möglich, wenn sie entweder vom Landessozialgericht in seinem Urteil oder vom Bundessozialgericht durch besonderen Beschluss im Einzelfall zugelassen wird.
Das Bundessozialgericht trifft als letztinstanzliches Gericht der Sozialgerichtsbarkeit keine Tatsachenfeststellungen.
Im Unterschied zur grundsätzlichen Statthaftigkeit der Berufung ist die Revision zum Bundessozialgericht nur dann möglich, wenn sie entweder vom Landessozialgericht in seinem Urteil oder vom Bundessozialgericht durch besonderen Beschluss im Einzelfall zugelassen wird.⚖ Geschieht dies nicht, kann man über eine Nichtzulassungsbeschwerde versuchen, die Zulassung zu erreichen.
Das Rechtsmittel der Revision ist nur zuzulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.⚖
Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
Im Gegensatz zu den Verfahren vor den Sozial‑ und Landessozialgerichten, besteht bei einem Verfahren vor dem Bundessozialgericht die Pflicht, sich durch einen Rechtsanwalt oder einen sonstigen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen.
Beauftragung eines Bevollmächtigten
Die inhaltliche Richtigkeit des Urteils des Landessozialgerichts ist nicht Gegenstand der Verfahrensrevision. Die zeitlich letzte Möglichkeit für die Beteiligten, neue Tatsachen vorzutragen, ist die letzte mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht (Landessozialgericht). Das Bundessozialgericht selbst trifft keine eigenen Tatsachenfeststellungen. Es ist an die Tatsachenfeststellung der Vorinstanz gebunden und kann ggf. diesbezüglich lediglich an die Vorinstanz zurückverweisen.
In einer fehlerhaften Beweiswürdigung liegt grundsätzlich kein Verfahrensfehler. Die Beweiswürdigung eines Tatsachengerichts ist regelmäßig nur am Maßstab der Einhaltung des Prozessrechts zu messen und daraufhin zu überprüfen, ob es die verfahrensrechtlichen Grenzen der vorgenommenen Würdigung überschritten und z. B. gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsregeln verstoßen hat.⚖
Die Verfahrensrevision betrifft das Vorgehen der zweiten Rechtsinstanz auf dem Weg zum Urteil. Zweck des Zulassungsgrundes des ›Verfahrensmangels‹ ist die Verfahrenskontrolle. Das Bundessozialgericht prüft als Revisionsgericht dabei nur Rechtsverletzungen. Durch das Bundessozialgericht soll eine verfahrensfehlerfreie Prozessführung gesichert und eine einheitliche Rechtsanwendung gewährleistet werden. Mängel, die sich nicht direkt auf das gerichtliche Verfahren auswirken, sind unerheblich.
SVMWIndex k8s1a6
Bei den Kosten des Sozialgerichtsverfahrens ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten (einschließlich eines etwaigen Anwaltes).
Rechtsschutz in sozialen Angelegenheiten wird vom Gesetzgeber als wichtiger Bestandteil des verfassungsrechtlich abgesicherten Sozialstaatsprinzips angesehen.
Die gesetzliche Sozialversicherung → Das Sozialstaatsprinzip
Deshalb werden in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Privatpersonen eine Sozialleistung begehren, sich gegen deren Entzug wehren oder ähnliches, grundsätzlich weder Gerichtsgebühren noch Auslagen erhoben.⚖ Insbesondere die Kosten für medizinische Sachverständige fallen nicht dem Kläger zur Last. Auch Kosten der beklagten Behörde sind regelmäßig nicht vom klagenden Bürger zu tragen.
Als Ausnahme von der grundsätzlichen Kostenfreiheit muss derjenige mit der Auferlegung von Gerichtskosten rechnen, der einen Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm in einem Verhandlungstermin die Aussichtslosigkeit seines Begehrens vom Gericht erläutert wird.⚖
Auch derjenige, der durch sein Verhalten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung verursacht, weil er z. B. wichtige Unterlagen nicht vorab überreicht, muss mit der Auferlegung von Gerichtskosten rechnen.
Anders verhält es sich bei Klagen von Arbeitgebern, Ärzten in Vertragsangelegenheiten und ähnliche Verfahren, in denen eine soziale Schutzbedürftigkeit des Betroffenen nicht anzunehmen ist. Für diese Verfahren werden seit 2002 Gerichtsgebühren und Auslagen nach den gleichen Kriterien erhoben, wie bei Verfahren der ›Ordentlichen Gerichtsbarkeit‹.
Außergerichtliche Kosten, vor allem die Gebühren eines Prozessbevollmächtigten, muss jeder Verfahrensbeteiligte grundsätzlich erst einmal selbst aufbringen. Das Gericht entscheidet dann bei Beendigung des Verfahrens, ob und in welchem Umfang der Gegner diese Kosten zu erstatten hat.⚖
Wenn das Gericht das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnet, werden ihm auf Antrag Auslagen und Zeitverlust wie bei einem Zeugen vergütet.
Generell ist in allen sozialgerichtlichen Verfahren bei entsprechender Bedürftigkeit die Gewährung von Prozesskostenhilfe möglich.
Ist einem Beteiligten die Aufbringung der außergerichtlichen Kosten nach seinen finanziellen Verhältnissen nicht zumutbar, kann er auf Antrag Prozesskostenhilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung erhalten, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.⚖ Die Erhebung einer gesonderten Klage ist mutwillig, wenn das gleiche Ziel auch mit einer Klageerweiterung in einem bereits anhängigen Verfahren erreicht werden kann.
Die Prozesskostenhilfe kann beim Sozialgericht über das hierfür vorhandene amtliche Formular entweder von der Privatperson selbst oder durch einen beauftragten Anwalt beantragt werden.
Obwohl an Sozialgerichten kein Anwaltszwang besteht, wird stets die Beiordnung eines Rechtsanwaltes zugestanden, weil auf der Gegenseite eine rechtskundige Behörde steht, die insoweit einem Rechtsanwalt gleichzusetzen ist.
Die Prozesskostenhilfe soll nicht dazu dienen, sinnlose Prozesse zu ermöglichen. Deshalb dürfen auch Bedürftige auf Kosten des Staates nur Prozesse mit einer hinreichenden Erfolgsaussicht führen.
Zur Überprüfung der Sinnhaftigkeit einer Klage gegen eine Behörde zieht das Sozialgericht regelmäßig zunächst die Verwaltungsakte der beklagten Behörde bei. Erscheint es nach Auswertung dieser Verwaltungsakten möglich, dass die behördliche Entscheidung falsch oder noch eine weitere Sachverhaltsaufklärung notwendig sein könnte, ist hier regelmäßig eine hinreichende Erfolgsaussicht anzunehmen.
SVMWIndex k8s1a7
Die Verfahrensgestaltung obliegt in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht. Sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, muss das Gericht hierfür zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festlegen.
Aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip⚖ lässt sich die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes im materiellen Sinn für bürgerlich rechtliche Streitigkeiten ableiten. Alle Fachgerichte sind verpflichtet, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen. Wie das Bundesverfassungsgericht feststellte, stellt eine überlange Verfahrensdauer eine »nicht mehr vertretbare Vorenthaltung von Rechtsschutz« und damit eine Grundrechtsverletzung dar.⚖
Die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist stets nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu bestimmen. Es gibt keine allgemeingültigen Zeitvorgaben oder verbindliche Richtlinien.
Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Natur des Verfahrens und die Bedeutung der Sache für die Parteien, die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere Verfahrensverzögerungen durch sie sowie die gerichtlich nicht zu beeinflussende Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen.⚖
SVMWIndex k8s1a8