Die Systematik der gesetzlichen Sozialversicherung

Künstlersozialversicherung

Eigenwerber (§ 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG)

Erweiterung der Abgabepflicht

Leitsatz
  1. Abgabepflichtig sind nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KSVG auch die Unternehmer, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen.

Die Gesetzeshistorie der Abgabetatbestände für kunstverwertende Unternehmen im Bereich der Wer­bung bzw. Öffentlichkeitsarbeit ist maßgeblich durch das Bundesverfassungsgericht geprägt wor­den. Das Bundesverfassungsgericht hatte Bedenken erhoben, dass – wie noch im KSVG 1981 – die Ver­wer­tung von Kunst oder künstlerischen Darbietungen zur Eigenwerbung von Unternehmen nicht wie die Fremdwerbung für Dritte gleichermaßen der Abgabepflicht unterworfen war. Sofern die Eigen­werbung betreibenden Unternehmen wie professionelle Vermarkter handelten, gebiete es der Gleich­heitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, diese ebenfalls der Abgabepflicht wie typische (Fremd‐)Werbe­unter­nehmen zu unterwerfen.

Mit Einführung des § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG waren seit dem 1. Januar 1989 auch die Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen. Auch wenn die Eigenwerbung betreibenden Unternehmer nicht zu den typischen Vermarktern von künstlerischen oder publizistischen Leistungen zählen und deshalb nicht von dem Katalog des § 24 Abs. 1 KSVG erfasst werden, besteht für sie damit im Sinne eines ›Auffangtat­be­standes‹ dann eine Abgabepflicht, wenn sie in vergleichbarer Weise mehr als nur vereinzelt künst­le­rische o­der publizistische Werke oder Leistungen nutzen.

Mit der Neufassung des § 24 KSVG werden die Ausnahmeregelungen zur Künstlersozial­abgabepflicht ab 1. Januar 2023 zusammengeführt und auf diese Weise übersichtlicher und ver­ständ­licher geregelt. Die rechtliche Grundlage für die Abgabepflicht für Eigenwerber ist seit dem 1. Januar 2023 im § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KSVG geregelt.

Inanspruchnahme und Verwertung für eigene Zwecke

Basierend auf der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987 hat der Gesetz­geber für die Abgabepflicht nicht eine ›Vermarktung‹ künstlerischer oder publizistischer Leistungen, sondern deren ›Inanspruchnahme und Verwertung für eigene Zwecke‹ als maßgeblich angese­hen. In der Regel ist davon auszugehen, dass jede Leistung, die ein Unternehmer in Auftrag gibt und bezahlt, den Zwecken des Unternehmens dienen soll.

Für die Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG reicht es damit aus, wenn der mit der Werbung verfolgte Zweck dem Unternehmenshauptzweck dient. Die Verfolgung mehrerer, sogar vorrangig ande­rer Zwecke spielt für die Abgabepflicht keine Rolle, wenn tatsächlich künstlerische oder publi­zis­tische Leistungen in Anspruch genommen werden.

Eigene Zwecke, die durch ein Unternehmen be­worben werden, können vielfältiger Art sein. Wenn ein Unternehmer für sich mit der gesetzlich geforderten Regelmäßigkeit Werbung und Öffentlichkeitsarbeit betreibt, so geschieht dies regelmäßig innerhalb des unternehmerischen Handelns. Die hierdurch aus­gelösten abgabepflichtigen Vorgänge werden durch die Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG abge­deckt.

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›Aufträge‹ im Sinne des KSVG

Leitsatz
  1. Bei ›Aufträgen‹ im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG handelt es sich in der Regel um den Abschluss von Werkverträgen.

SVMWIndex k4s6a2

›Nicht nur gelegentliche‹ Auftragsvergabe

Leitsatz
  1. Eine Heranziehung von selbständigen Künstlern oder Publizisten im Bereich der Eigen­werbung bleibt abgabenfrei, sofern sie nur gelegentlich erfolgt.

Bei den ›Eigenwerbern‹ kann aber, im Gegensatz zu den in § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG genannten Un­ternehmen, nicht schon kraft Gesetzes davon ausgegangen werden, dass sie typischerweise zu den regelmäßigen Verwertern künstlerischer Leistungen zählen. Anders als bei den Erfassungstatbeständen des § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG muss bei Eigenwerbung betreibenden Unternehmen schon im Rahmen der Entscheidung über die grundsätzliche Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG zusätzlich geprüft werden, ob die Unternehmer nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler erteilen.

Nach wie vor werden diejenigen Unternehmer nicht als ›professionelle Vermarkter‹ im Sinne des KSVG angesehen, die nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen. Der Gesetzgeber hat damit zwangsläufig in Kauf genommen, dass eine Heranziehung von selbstän­digen Künstlern oder Publizisten im Bereich der Eigenwerbung abgabenfrei bleibt, sofern sie nur gele­gentlich erfolgt.

Eine eindeutige Regelung, wann das Merkmal ›nicht nur gelegentlich‹ vorliegt, war bis zum 31. De­zem­ber 2014 im Gesetz nicht geregelt. Es war daher Aufgabe der Sozialgerichte, das Merkmal ›nicht nur gelegentlich‹ mit Leben zu füllen.

In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Voraussetzung der nicht nur gelegentlichen Auftragserteilung dahin konkretisiert worden, dass diese eine gewisse Regelmäßigkeit oder Dauer­haf­tigkeit und ein nicht unerhebliches wirtschaftliches Ausmaß der Verwertung künstlerischer Leistungen erfordert, um die Künstlersozialabgabe zu rechtfertigen.

Das Merkmal ›nicht nur gelegentlich‹ kann bereits dadurch erfüllt sein, dass künst­lerische oder pub­li­zistische Leistungen regelmäßig oder dauerhaft in Anspruch genommen werden. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn es um das Engagement eines selbständigen Künstlers oder Publizisten geht, das nicht nur für einzelne Aufführungen oder Darbietungen gilt, sondern eine langfristige, kontinuierliche Zusam­men­arbeit zum Gegenstand hat. In diesem Fall ist die künstlerische Tätigkeit auf Dauer angelegt und geht daher über eine nur gelegentliche Auftragserteilung hinaus.

Von einer ›nicht nur gelegentlichen‹ Auftragserteilung kann auch dann ausgegangen werden, wenn Auf­träge in regelmäßiger Wiederkehr (täglich, wöchentlich oder monatlich), oder regelmäßig zu wie­derkehrenden Anlässen (Silvester/Neujahr, Ostern, Pfingsten, Weihnachten) erteilt werden. Das Merkmal ›nicht nur gelegentlich‹ wird beispielsweise dann erfüllt, wenn ein Unternehmen regelmäßig und in erheblichem Umfang Werbekataloge unter Heranziehung freiberuflicher Fotografen und Lay­outer auf den Markt bringt.

Bei Projekten, die länger als ein Jahr dauern (z. B. Entwicklung eines Automodells, Ausstellungen mit mehrjährigem Rhythmus oder Pflege einer Website zum Zwecke der Eigenwerbung und Öffentlichkeits­ar­beit), reicht es auch aus, wenn von vornherein erkennbar ist, dass in absehbarer Zeit erneut ent­sprechende Aufträge erteilt werden.

Einführung einer gesetzlichen ›Bagatellgrenze‹ zum 1. Januar 2015

Mit Wirkung zum 1. Januar 2015 wurde in § 24 KSVG ein neuer Absatz 3 eingefügt. Mit Satz 1 wurde das Tatbestandsmerkmal der nur gelegentlichen Auftragserteilung in § 24 Abs. 1 Satz 2 (›Eigen­werber‹) und Abs. 2 Satz 1 KSVG (›Generalklausel‹) in wirtschaftlicher und zeitlicher Hinsicht konkretisiert.

Mit der Neufassung des § 24 Abs. 2 KSVG ist die Bagatellgrenze nun in § 24 Abs. 2 Satz 2 KSVG geregelt.

Seit 1. Januar 2015 ist eine Prüfung der Regelmäßigkeit, der Dauerhaftigkeit oder der Anzahl der Aufträge dann nicht mehr vorzunehmen, wenn die Summe der Entgelte der in einem Kalenderjahr erteilten Aufträge 450,00 Euro nicht übersteigt.

Im Juni 2022 hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass Unternehmer, die nur einmalig im Kalenderjahr zum Zwecke der Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit einen Auftrag an einen selbständigen Künstler oder Publizisten erteilen, hierfür auch dann keine Künstlersozialabgabe zahlen müssen, wenn die Vergütung des Auftrages eine Grenze von 450,00 Euro übersteigt. Aus der Einführung der Bagatellgrenze könne nicht in einem Umkehrschluss die abschließende Regelung entnommen werden, dass der Verpflichtung zur Künstlersozialabgabe jeder Unternehmer zwingend unterliegt, der in einem Kalenderjahr Künstler oder Publizisten beauftragt und hierfür Entgelt von mehr als 450,00 Euro gezahlt hat. Maßgeblich sei vielmehr nach wie vor, ob Auftrag und Entgelt dem Unternehmer eine arbeitgeberähnliche Position vermitteln, die eine Gleichstellung mit den typi­schen professionellen Vermarktern im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG rechtfertigt.

Der Gesetzgeber hat auf dieses Urteil entsprechend reagiert und im § 24 Abs. 2 Satz 2 KSVG klargestellt, dass die Abgabepflicht auch dann entsteht, wenn entweder ein einmaliger Auftrag oder die Summe aller im Kalenderjahr erteilten Aufträge eine Höhe von 450,00 Euro übersteigen.

SVMWIndex k4s6a3

Der Begriff ›Eigenwerbung‹

Leitsatz
  1. Von § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG erfasst wird nicht nur die direkte Werbung, sondern auch die indirekte Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit.

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Checkliste Abgabepflicht

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